Als vor längerer Zeit die heute übliche Praxis begann, nicht autorisierte oder nicht lizensierte Musikvideos auf YouTube massenhaft zu sperren, dachte ich mir, wie brillant die Vorgehensweise von YouTube-Betreiber Google ist: Statt die entsprechenden Videos komplett zu entfernen und dem verdutzten Nutzer eine leere Suchergebnisseite vorzusetzen, behält man den Kontext bei und sagt dem Nutzer etwas in der Art von: „Die Spielverderber von den Majorlabels wollen nicht, dass wir Dir zeigen, was Du sehen willst.“
Eine für die Belange von Google geniale Strategie. Je länger die aktuelle Situation bestehen bleibt, desto schlechter stehen die von YouTube benannten ‚Spielverderber‘ in der Öffentlichkeit da. Das heißt, die Verhandlungsposition der Majorlabels wird über die Zeit schwächer, wenn auch sicher nicht massgeblich.
Die Majorlabels und Verwertungsgesellschaften wie die GEMA, die sich seit über zehn Jahren schwer mit dem Internet tun, sehen nicht, in welche Image-Falle sie da tappen. Aber wie könnte eine Industrie, die seit über einem Jahrzehnt die eigenen Kunden mit Massenklagen überzieht, das auch bemerken?
Die teilweise drastisch formulierten Reaktionen auf das aktuelle Vorgehen und seine Folgen nehmen zu und dürften die Einstellung der Nutzerschaft des mit Abstand beliebtesten Videodienstes aber gut widerspiegeln.
Am besten sieht man es vielleicht am folgenden diesen Umstand behandelnden Musikvideo und der Reaktion des Publikums, das bei der bloßen Andeutung bereits sofort wusste, dass es um das Sperren von Videos mit auf Majorlabels lizenzierter Musik geht:
„Anscheinend zählt nur deren Recht auf Umsatz, nicht unser Recht auf Kultur.“
[..]
„Denken die, wenn ich das auf YouTube nicht seh, renn ich los und kauf die CD?“
Man kann jetzt lang und breit darüber diskutieren, ob die Höhe der von der GEMA geforderten Lizenzbezahlung gerechtfertigt ist oder nicht. Unabhängig davon kann man aber festhalten: Die Zeit ist auf Googles Seite.
Kommen wir nun zu etwas völlig anderem: Gericht lehnt Verfügungsantrag der Gema gegen Youtube ab
DieterK says
Den von Dir beschriebenen „Kampf“ zwischen den Majorlabels und Google gibt es nicht. Die Majorlabels waren schon an YouTube beteiligt, bevor Google das Unternehmen übernommen hat. Später gab es Lizenzvereinbarungen. Heute betreiben die Universal Music Group und Sony Entertainment gemeinsam mit Google das Joint Venture Vevo, über das auch die Videos der EMI Group vermarktet werden. Nicht beteiligt ist zur Zeit die Warner Music Group, die für sich bessere Konditionen aushandeln will.
Dass Verwertungsgesellschaften wie die GEMA in diesem Zusammenhang versuchen, gegen die geballte Macht von Majorlabels und Google auch die Rechte der Songschreiber zu verteidigen, ist nicht etwas „völlig anderes“, sondern deren Aufgabe.
„Die Zeit ist auf Googles Seite.“
Ich fürchte, in diesem Punkt hast Du Recht. Von wegen Demokratisierung, Ermächtigung der Nutzer usw.: Auch in Zukunft wird die Medienwelt von wenigen Oligopolisten beherrscht.
Marcel Weiss says
Das stimmt.
Die hiesigen Majors könnten aber sicher Druck auf die GEMA auswirken, wenn sie wöllten. Google lässt die GEMA auch geschickt außen vor bei seinen Nachrichten an die Nutzer, um diese nicht zu verwirren. Für den normalen Nutzer, der YouTube nutzt aber keine Branchennews liest, ist die Sache klar: EMI, Sony, Universal und Warner als Spielverderber. Und darum ging es mir.