Es geht weiter, wie es vorhersehbar war. Die Presseverlage haben beim Bundeskartellamt Beschwerde gegen Google eingelegt, weil dieses ihnen nach der Verabschiedung des Leistungsschutzrechtes letztes Jahr mit einem weiteren Werkzeug die Möglichkeit gab, zu entscheiden, ob sie in Google News bleiben wollen oder nicht.
Das Ziel der Presseverlage ist seit langem offensichtlich: Eine kostenpflichtige Durchleitungspflicht bei Google. Sie wollen nicht aus Google oder Google News entfernt werden. Beides bringt ihnen viele Leser. Sie wollen bezahlt werden.
Google muss die Inhalte der Presseverlage aufnehmen.
Und Google muss für diese Inhalte der Presseverlage bezahlen.
Das ist und war immer das Ziel der Presseverlage, die sich ein Leistungsschutzrecht mit Lobbymacht haben schenken lassen.
Das Drama rund um das Leistungsschutzrecht wurde schon vor langer Zeit von einfachster Logik verlassen. Die Frage, warum die Presseverlage dafür bezahlt werden möchten, dass sie eine für sie selbst unverzichtbare Leistung annehmen, braucht sich deshalb niemand stellen. Die Antwort der Presseverlage ist eindeutig:
Weil wir es können.
Sollte die Beschwerde vor dem Kartellamt scheitern, haben die Presseverlage noch mehr Munition für ihren eigentlichen Plan. Wir armen Presseverlage können uns nicht gegen das übermächtige Google wehren, werden sie dann argumentieren. Unser Leistungsschutzrecht ist nicht durchsetzbar, werden sie in den Feuilletons analysieren. Wir brauchen ein weiteres Gesetz, werden sie schlussfolgern.
Ein neues Gesetz, das für Google und alle anderen und noch kommenden Plattformen die kostenpflichtige Durchleitungspflicht von Presseerzeugnissen festschreibt.
Dieser nächste Gesetzeswunsch der Presseverlage findet sich bereits im aktuellen Koalitionsvertrag.
Kann es noch offensichtlicher werden, was hinter der aktuellen Anti-Google-Kampagne steckt?
Mehr zur Beschwerde beim Bundeskartellamt auf kress.de:
Zwölf Verlage haben zusammen mit der VG Media und stellvertretend für die Presseverleger beim Bundeskartellamt Beschwerde gegen Google eingereicht. Nach Auffassung der Beschwerdeführer missbraucht der Suchmaschinen-Riese mit dem zum 1. August 2013 einseitig durchgesetzten Verzicht auf die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen für die Verwertung der Rechte der Presseverlage seine Marktmacht.
[..]
„Google zwingt die Verlage quasi, auf das eben erst verabschiedete Leistungsschutzrecht zu verzichten – andernfalls werden die Angebote der Titel nicht mehr auffindbar sein. Diese Drohung, bei einer Suchmaschine mit dieser Marktmacht gar nicht mehr vorzukommen, ist nach unserer Bewertung ein Missbrauch ihrer Stellung mit weitreichenden Folgen für die deutschen Verlage“, erklärt Christian DuMont Schütte, Verleger der Mediengruppe M. DuMont Schauberg und Mitglied des VG-Media-Beirats.
Yor says
Dieses Aufbäumen der Print-Verlage sind doch nur die letzten Zuckungen einer Branche, die es verschlafen hat, den Transformationsprozess der Medienlandschaft selbst zu gestalten. Stattdessen konstruiert man beharrlich ein Feindbild „Google“, das man fürchten muss, morgen geht die Welt unter. Dieses Gejammer gegen jede Form von Innovation und das Unvermögen sich selbst zu überdenken ist einfach nur noch nervig.
martinlindner says
um sich damit auseinanderzusetzen, fehlen imho zwei bausteine:
– es bräuchte eine gute google-kritik, auf die man einfach verweisen kann. das bedürfnis danach besteht ja. jemand sollte sagen, was _wirklich_ hier kritisch und eben nicht so kritisch zu sehen ist. solange es das nicht gibt, werden die netz=google=disruption=böse-kurzschlüsse immer neu funktionieren. (Felix Stalder hat gerade einen ansatz dazu gemacht, aber wir brauchen einen kanonischen text bzw. thread.)
– es braucht eine nüchterne bestandsaufnahme, was wirklich passiert, wenn diese LSR-sache so durchgeht, wie sich die verlage das vorsellen. was würden sich dann WIRKLICH für folgen ergeben? für die user, für die verlage, für „das netz“?
solange es beides nicht gibt, ist das ein unendlicher loop.
Marcel Weiss says
Gute Google-Kritik: Ich finde, die gibt es. In den USA von einigen, auf Businessebene von Evans, Dediu und co.; auch allgemeiner und geesamtgesellschaftlich etwa in den letzten Ausgaben des exponent.fm-Podcasts. Außerdem von vielen Bloggern und Journalisten (Gruber, Gillmor etc.). Hierzulande geht es in der aktuellen und auch der nächsten Ausgabe meines neunetzcast-Podcasts um verschiedene Grenzen von Google, die auch aus ihrem Geschäfsmodell heraus kommen.
(Man sollte sich nicht von dem Taschenspielertrick Morozovs reinlegen lassen, wenn dieser sagt, er sei der einzige öffentliche kritische Kopf bei diesen Themen, was ihm die deutschen Feuilletons ja glauben. Das ist einfach Humbug.)
Die Sichtweise der Presseverlage in deren aktuellen Diskurs ist nichts, womit man sich inhaltlich sinnvoll auseinandersetzen kann, weil es bewusst extreme Prämissen setzt und keine inhaltsgetriebene Debatte sondern eine reine Machtangelegenheit ist.
Man kann über Google inhaltlich relevant kritisch nur abseits der deutschen Medienkampagne debattieren. Nicht einmal reverenzieren ergibt inhaltlich Sinn aufgrund der eben quatschigen Prämissen.
„es braucht eine nüchterne bestandsaufnahme, was wirklich passiert, wenn diese LSR-sache so durchgeht, wie sich die verlage das vorsellen. was würden sich dann WIRKLICH für folgen ergeben? für die user, für die verlage, für „das netz“?“
Dazu ist die deutsche Netzöffentlichkeit nicht in der Lage.
Ich habe in der heißen Phase vor dem LSR diesen Text geschrieben, der, wie ich finde, auf den größten Architekturfehler des Gesetzes verweist:
http://neunetz.wpengine.com/2012/11/05/leistungsschutzrecht-ohne-kennzeichnungspflicht-fur-presseverlage-ware-eine-katastrophe/
Reaktionen darauf: Bis auf ein paar Tweets Null. Kein diskursives Weitertragen bei netzpolitik, igel oder irights oder carta etc. (oder, Gott bewahre, gar der öffentlich-rechtlichen Medien, die hier hätten berichten können)
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Das LSR hat sehr deutlich gezeigt, dass die deutsche Netzöffentlichkeit, wenn sie auf sich allein gestellt ist, also keine Impulse von den deutschen Massenmedien oder den US-Netzmedien aufgreifen kann, zu fast nichts in der Lage ist.
martinlindner says
ich glaube das alles, aber für die desorientierte, vage besorgte öffentlichkeit braucht es einen quasi-kanonischen text. also zb wenn sascha lobo oder günter hack einen gut abgewogenen essay schreibt und einigermaßen findbar platziert, in dem die vorwürfe gegen und besorgnis wegen google (a) ernstgenommen und (b) auf das vernünftige maß reduziert wird.
natürlich beeindruckt das die kampf-journaille nicht, aber es verankert das ganze: „was hat das mit google zu tun, und was nicht? hier ist der link zu dem text, der da die reife, neutral abgewogene, solide informierte, von aktuellen polemiken abgehobene position formuliert.“
diesen text (auf deutsch natürlich) gibt es nicht.
und auch den anderen text sollte es geben, der die folgen des siegs der presseverlage als gedankenspiel ganz nüchtern durchspielt, ohne unterschwellig bebende (obwohl weiß gott verständliche) empörung.
Marcel Weiss says
Ich fürchte, du überschätzt die Wirkungsmacht einzelner Texte.