Sebastian Matthes im wiwo-Blog ‚ungedruckt‘ über das deutsche Verhältnis zu technologischen Veränderungen:
Geprägt hat mich die Zeit, in der Handys Teil des Alltags wurden. Ich kaufte mein erstes Mobiltelefon 1996. Mehr als ein Mal habe ich erlebt, wie Handybesitzer von Passanten angepöbelt wurden. Einmal hat mich sogar eine Dame in der S-Bahn mit bebender Stimme angewiesen, die Verbindung zu unterbrechen, weil sie sonst erstrahlt würde.
Keine zehn Jahre später liegt die Handyversorgung in Deutschland bei 100 Prozent. Strahlentote Vieltelefonierer sind immer noch selten. Ebenso selten wie deutsche Unternehmen, die in dem Geschäft technologisch eine Rolle spielen.
Ähnlich übrigens auch die Blockadehaltung, als die ersten Smartphones herauskamen. Wer erinnert sich noch an die ersten abfälligen Bemerkungen über Blackbbery-Besitzer? “Mr Wichtig” war glaube ich eine nicht ganz seltene Bezeichnung? Heute hat jedes Billig-Handy eine E-Mail-Funktion. Und es ist nicht wichtig, sondern vor allem praktisch. Oder das neue iPhone? Das Verlagsvertreter 2009 tatsächlich noch als “Spielzeug für Nerds” bezeichneten?
[..]
Wichtiger ist die Frage: Wann ist unserer Gesellschaft das Interesse an Neuem abhanden gekommen, die Faszination für Dinge, die die Welt verändern werden?
Die letzte Frage gehört zu den wichtigsten und drängendsten Fragen, der sich die deutsche Gesellschaft stellen muss.
Passend dazu auch aus jüngster Zeit: Deutsche Digitalmissachtung
Leander Wattig says
Es müsste sich mal jemand die Mühe machen, das genauer zu untersuchen. Bis in die 1930/40er hatten wir immerhin die weltführenden Techniker im Lande und waren vorne dran. Die Analyse lässt sich ohne eine geschichtliche Betrachtung nicht durchführen. Das aber ist unangenehm umzusetzen, weshalb es nicht/kaum getan wird.
Leander Wattig says
P.S.: In älteren Hollywood-Filmen ist der verrückte Wissenschaftler/Techniker oft ein Deutscher. Inzwischen nicht mehr. Das ist auch ein aussagekräftiger Indikator. ;)