Browser? Was sind denn jetzt nochmal Browser?
Es geht bereits seit gestern durch die deutsche Blogosphäre. Das Video, in dem deutsche Top-Politiker beweisen, weniger vom Internet zu verstehen als jeder Fünftklässler. Und darauf auch noch stolz sind.
Des Weiteren wird zum Beispiel zugegeben, erst "ein-, zweimal" im Internet gewesen zu sein. Und auf die Frage, ob man einen Computer habe, mit "Ja, leider" geantwortet.
Diese im Jahr 2007 unfassbar absurden Offenbarungen kommen nicht von HartzIV-Empfängern, denen man ständig medial Anpassungsfähigkeit und lebenslanges Lernen predigt, damit sie wieder Anschluss fänden.
Diese Lernresistenz wird von den Leuten offen zur Schau gestellt, die genau dieses lebenslange Lernen von allen Anderen immer wieder einfordern.
Es ist traurig. Und es ist der Nährboden, auf dem eine Gesetzgebung wächst, die es Unternehmen und Bloggern in Deutschland zunehmend schwer macht, sich im Internet noch verhältnismäßig frei bewegen zu können. Stichworte: Forenhaftung, Abmahnungen und Unterlassungserklärungen. Und bald die mit immensen Kosten verbundene Vorratsdatenspeicherung, die im Verbund mit dem sogenannten Bundestrojaner das Wort Privatsphäre in Deutschland zur Farce werden lassen wird.
Svensonsan schreibt bei sich in den Kommentaren:
Beispielsweise Initiative D21, siehe Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Herzog fordert mehr Begeisterung für Technik, das kommt von Leuten, die nicht wissen, was ein Browser ist.
Bereits erste Auswirkungen dieser von der Realität losgelösten Innovationsvernichtungsmachinerie kann man vielerorts im Netz beobachten: Der verzögerte Start der deutschen Version von youtube, der mögliche Rückzug von GMail aus Deutschland oder das flickr-filtr-Desaster. Das Alles hat mehr oder weniger mit der sehr speziellen deutschen Rechtssituation zu tun. Es sind die ersten Anzeichen für Reaktionen von Webunternnehmen auf die deutsche restriktive und teilweise undurchsichtige Gesetzgebung, die mit oft nicht vorhersehbarer Auslegung in Bezug auf Netzangelegenheiten nicht gerade für Planungssicherheit sorgt.
Wo bleibt die Kritik der Medien an der Realitätsferne der deutschen Politiker?
Längst müssten diese Vorgänge und die sie verursachenden politischen Internetverweigerer auch in den traditionellen Medien Wellen schlagen. Aber wir haben in Deutschland eine Medienlandschaft, in der die Meisten der deutschen Medienschaffenden das Internet als den bösen Jobkiller sehen und nur einseitig und kritisierend auf alles, was aus diesem globalen Hort des Grauens ersteigt, einschlagen. Hier wird Internetunkenntnis ignoriert oder gar hinter den Kulissen wohlwollend zur Kenntnis genommen. (Abgesehen davon halten sich deutsche Journalisten in der Regel nicht einmal mit dem Prüfen von Fakten auf wenn sie denn mal was übers Internet schreiben müssen.)
Viele Journalisten denken lieber laut darüber nach, Bloggern Teile des Grundgesetzes zu verwehren und die Luke zum 'Loser generated Content' geschlossen zu halten oder applaudieren diesem Unsinn zumindest. Denn auch unter den deutschen Journalisten sind unzählige Internetanalphabeten. Das Internet, in den Büros vieler Abgeordneten und Journalisten in Deutschland wird so getan, als existiere es nicht.
In so einem Klima kann man eine dringend notwendige massive Kritik in den Massenmedien an der Weltfremdheit der deutschen Top-Politiker leider nicht erwarten.
Stattdessen gratulieren sich die Analphabeten des 21. Jahrhunderts gegenseitig dafür, den vermeintlichen Status Quo so lang wie möglich aufrecht zu erhalten indem sie alles für sie Unpassende je nach Profession entweder verbieten oder totschweigen.
Das wird, so scheint es, so lang weitergehen, bis Deutschland auch offiziell zum Internetentwicklungsland degeneriert ist und das erkennbare Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben wird. Auswirkungen, die dann auch für Leute, die erst ein-, zweimal im Internet waren, erkennbar sein werden. Dann ist es aber zu spät.
Thomas Knüwer meint leider zu recht:
In anderen Ländern, das habe ich ja schon mal geschrieben, würden solche Volksvertreter medial geteert, gefedert und aus dem Parlament getrieben. In Deutschland gilt so was als liebenswert.
Quo vadis Deutschland?