Nachdem ich ein weiteres Mal das Ausrufen einer Blase angeprangert hatte, reagierte Andreas Göldi und ging auf meine Argumente gegen das Vorhandensein einer Internet-Blase ein. Leider bin ich nicht eher dazu gekommen, darauf zu antworten. Da ich auch jetzt eher wenig Zeit habe und außerdem fürchte, meine Leser mit dieser Thematik langsam zu nerven (oder, schlimmer noch: zu langweilen), fasse ich mich kurz. Eine Replik:
Google ist an der Börse derzeit 44mal seinen Jahresgewinn wert. Yahoo 46mal. eBay 36mal. XING 54mal. Amazon.com 119mal(!). Zum Vergleich: für die Aktien des obszön profitablen Quasi-Monopolist Microsoft wird nur 20mal der Gewinn bezahlt.
Mag sein. Die Zahlen kenne ich im Einzelnen nicht und werde das jetzt auch nicht nachprüfen. Aber auch wenn das sich jetzt wie Bubbletalk anhört -und ich weiß um die Ironie-, wenn vor die Wahl gestellt, würde ich bevorzugen, mein Geld in Google zu investieren statt Microsoft, weil in ersterem mehr Wachstumspotential steckt. Microsofts Geschäftsmodell (Verkauf von Software, namely Win und Office) ist kaputt. Das funktioniert noch heute, und auch noch morgen, aber übermorgen nicht mehr (Was viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass Microsofts Unternehmenskultur im Wesentlichen im Arsch ist. Aber das ist eine andere Geschichte.).
Google ist übrigens ebenfalls 'obszön profitabel'. Es bleibt allerdings interessant zu beobachten, inwieweit die Bewertungen dieser Unternehmen an der Börse sich entwickeln, besonders XING. Hier stimme ich zu.
Göldi schreibt weiterhin:
Wer sind die Geldgeber dieser VC- und PE-Firmen? Institutionelle Investoren. Und was ist die mit Abstand bedeutendste Art von institutionellen Investoren? Pensionskassen. Und wo haben die Pensionskassen ihr Geld her? Von uns allen. Aus unseren Ersparnissen fürs Alter.
Hmm. Das ist aber schon, wie man so schön im Englischen sagt, ein Stretch. Nun weiß ich nicht im Einzelnen, wie die Gelder von VCs sich zusammensetzen. Meines Wissens nach aber fangen in den USA Pensionskassen gerade erst (wieder?) an, VCs stärker zu nutzen. Und in Deutschland dürfte der Anteil noch wesentlich geringer sein. Zumal deutsche Pensionskassen bei weitem nicht die gesellschaftliche Tragweite haben wie in den USA. Wie es in Österreich und der Schweiz aussieht, weiß ich nicht.
Ein Problem trotzalledem? Sicher, aber keins das so groß ist, wie suggeriert. Wer aber da genaue Zahlen hat, gern her damit.
Matthias sagt in den Kommentaren dazu bei medienkonvergenz.com außerdem was Interessantes:
Bei einer klassischen Börsenblase haben wir als Charakteristikum eine hohe Preistransparenz (hohe Kurswerte kann jeder sehen).
Bei VC ist das anders: In vielen Fällen ist nicht exakt bekannt, wie viel Geld ein einzelnes Startup-Unternehmen bekommt bzw. wie eine VC-Firma ihre Gelder ingesamt verteilt (auch vom Risikograd her gesehen). Hier haben wir also ein sehr hohes Maß an Intransparenz.
Man erfährt in meisten Fällen schon die Höhe auf den einschlägigen englischsprachigen Blogs. Nur die tatsächlichen Beteiligungsbedingungen bleiben oft unklar. Und in der Tat, wo ein VC-Unternehmen seine Gelder herbekommt ist ein interessanter Aspekt, über den ich bis zu diesem Artikel noch gar nicht nachgedacht hatte.
Göldi:
Kaum jemand wird bestreiten, dass die Immobilen- und Kreditmärkte in den USA kürzlich eine Bubble erlebt haben, die gerade am Platzen ist. Und einen viel mehrheitsfähigeren Markt als Immobilien gibt es wohl kaum. Eine Bubble kann nicht nur entstehen, wenn ein kleiner Markt für zu gross gehalten wird.
Stimmt. Ich bestreite auch nicht, dass eine Überhitzung auch im Internetmarkt stattfinden kann, logisch. Ich schrieb damals:
Natürlich kann es auch hier wieder zu einer Blase kommen. So wie in jedem Markt. Ob Immobilien, oder Internet oder weißderfuchs. Überhitzung ist überall möglich. Deswegen ist aber nicht jeder Boom automatisch eine Blase.
In den Zeiten der Dotcom-Blase war das Problem, dass es riesige Investitionen gab und quasi keinen Markt. Oft wird heute suggeriert, es sei immer noch so, dass es im Internet keinen Markt gebe. Und das ist Quatsch.
mspro schreibt bei mir in den Kommentaren zum Beispiel:
1. Es wird herausgefunden werden, dass im Internet kaum* Geld zu verdienen ist.[..]
* Sicher. Geld wird hier und da verdient werden. Aber nur vereinzelt und kurzfristig und eben nicht das große Geld. Abgesehen von Google und Co. Aber als Venture Capitalist brauchst Du das große Geld für den ROI. Also: Blase.
Halte ich für ausgemachten Schwachsinn. Mittel- bis langfristig wird das Netz die zugrundeliegende Infrastruktur für die Distribution von nahezu allen Medienformen (Text, TV, Radio) liefern. Hier nur von vereinzelten Einnahmemöglichkeiten zu sprechen, ist schlicht Unfug. Da habe ich nicht mal Lust, darüber zu diskutieren. (Wobei ich mspros anderes Argument -"Es werden aus den (oft guten) Ideen offene Standards entstehen, an denen niemand verdient aber alle profitieren."- durchaus teile. Viele Seiten werden Schwierigkeiten bekommen, wenn sich offene Standards durchsetzen. Aber das wird noch dauern und aufgrund von Ausdifferenzierungen in den Zielgruppen beiweiten nicht jeden Dienst betreffen, aber das ist eine andere Geschichte.)
weiter im Text von Herrn Göldi:
“Die Kosten für Startups sind heute viel geringer.”
Das sind sie zweifelsfrei. Umso schlimmer, denn hohe Einstiegskosten in einen Markt würden wenigstens Barrieren errichten, die den Wert der Firmen in dem Markt tendenziell steigern. In der ersten Internet-Bubble musste man wenigstens noch etwas Kapital haben, um eine richtig grosse Website aufzuziehen. Heute, wo jeder Hobbyprogrammierer mal schnell aus Open-Source-Versatzstücken ein weiteres Social Network zusammennageln kann, sind die Einstiegshürden sehr viel niedriger geworden. Und das müsste eigentlich nach elementaren ökonomischen Gesetzen zu niedrigeren Firmenbewertungen führen. Müsste. Tut es aber kaum.
Wissen Sie, wieviele neue Dienste täglich erscheinen? Kennen Sie Seiten wie das Museum of modern betas? Die meisten Webdienste werden nie Venturekapital erhalten; und werden es auch nicht brauchen. Nur ein Bruchteil erhält Kapital.
Ich denke eher, das die extrem niedrigen Eintrittsbarrieren dazu führen, dass am Markt die ganze Bandbreite der Möglichkeiten an den Start geht. Von Nullcheckern mit Totgeburten bis hin zu den Visionären mit dem nächsten großen Ding.
..schrieb ich in den Kommentaren.
Webdienste brauchen verhältnismäßig wenig Kapital und versprechen viel Potential. Das Risiko für die VCs, viel Geld zu verlieren, ist nicht so hoch wenn in the first place verhältnismäßig nicht viel reingesteckt wird. Ich will das Biotechunternehmen sehen, das mit 5 Millionen $ weit kommt. Ein Webdienst kann mit so einer Summe viel Amazon S3-Webspace und -Traffic bezahlen.
Und was ist es dann?
Wenn es keine Blase ist, was ist es dann?
Matthias hat die aktuelle Situation recht gut als eine 'Inflation der Webdienste' umschrieben:
Blasen im wirtschaftlichen Sinn bilden sich im Allgemeinen an Börsen. Und wie hier treffend festgestellt wird, ist von einer Börsenblase weit und breit nichts zu sehen.
Ich finde deshalb auch, dass der Begriff “Blase” unglücklich und falsch verwendet wird. Besser wäre es vielleicht, von einer “Inflation” zu sprechen. Bei einer Inflation verhält es sich so, dass von einem Gut immer mehr auf den Markt kommt und die gesunde Relation von Angebot und Nachfrage aus den Fugen gerät.
Eine Inflation muss aber nicht zwangsläufig “platzen” wie eine Blase. Sie kann sich auch über einen längeren Zeitraum hinweg wieder zurückbilden (man denke etwa an den berühmten Schweinezyklus).
(Hervorhebung von mir)
Hunderprozentig passt das auch nicht, aber es trifft die Situation besser als das sprachliche Bild der Blase. Ich will es jetzt erstmal dabei bewenden lassen.
So, doch länger geworden als geplant.
Sie sahen eine Replik zu: Beobachtungen zur Medienkonvergenz » Krieg der Definitionen, oder: Was ist eigentlich eine Bubble?
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