Nichts neues, aber aufgrund der Radikalität doch immer wieder erwähnenswert. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie e. V (eigentlich: Tonträgerindustrie), ist für Internetsperren bei Urheberrechtsverstößen und darf dank der aktuell stattfindenden Musikmesse Midem dazu wieder unwidersprochen etwas der dpa diktieren:
«Ich würde das machen, so wie die Franzosen - aber das ist derzeit in Deutschland politisch nicht durchsetzbar», sagte er in einem dpa-Gespräch am Rande der Musikmesse Midem in Cannes, die an diesem Mittwoch endet.
Bemerkenswert ist auch immer wieder, wie Urheberrechtsextremisten die Beschneidung von Bürgerrechten herunterspielen. Gorny ist darin besonders geübt:
In Frankreich werden Internetnutzer, die gegen das Urheberrecht verstoßen, zweimal verwarnt; beim dritten Mal gibt es Strafen von Internetsperren bis zu Bußgeldern. Kritiker sehen darin eine Beschneidung der Freiheit des Websurfers - das sehe er anders, sagte Gorny. «Ich sage immer: Leute, wenn ihr bei Rot über die Ampel fahrt oder betrunken seid, dann seid ihr doch auch Euren Führerschein los.»
Man kann es nicht oft genug sagen: Urheberrechtsverstöße sind eine ökonomische Thematik (schließlich geht es um Geld). (Unauthorisiertes) Filesharing ist eine konkurrierende Distributionsart, die schädlich für auf Distribution setzende Erlösmodelle ist und hilfreich bis hin zu essentiell für auf Querfinanzierung setzende Erlösmodelle ist. Das "bei Rot über die Ampel"-Beispiel ist als Vergleich für die Problematik komplett ungeeignet. Gerade und besonders wenn es um die Verhältnismäßigkeit bei dem Umgang des Gesetzgebers mit dieser Thematik geht. Erst recht wenn wir etwa von tiefgehenden Eingriffen wie der Beschneidung der Unschuldsvermutung reden.
Spielen wir das Beispiel trotzdem einmal durch: Es würde wohl einen Aufschrei in den Medien und bei den Bürgern geben, wenn eine etablierte Privatorganisation ernsthaft fordern würde, dass sie selbst ermittelt, wann Personen bei Rot über die Ampel gehen und diese dann vom künftigen Überqueren von Straßen für ein paar Wochen aussperrt. Damit das Ganze auch mit überschaubaren Kosten umsetzbar ist, wird die Unschuldsvermutung ausgesetzt und die beschuldigten Personen müssen nachweisen, dass sie nicht bei Rot über die Ampel gegangen sind.
Undemokratisch und nicht mit unserem Rechtsstaat vereinbar? Ja. Aber so etwas fordern Gorny und co.
Es ist eine Schande, dass solche extremistischen Forderungen permanent öffentlich wiederholt werden können, ohne dass es einen Aufschrei in den Medien angesichts dieses Affronts demokratischer Grundsätze gibt.
And now for something completely different. Die französische Hadopi-Behörde hat eine Umfrage zum Hadopi-Gesetz durchgeführt:
Über 40 Prozent befürchten Einschränkungen im Datenschutz und bei den Bürgerrechten. 46 Prozent sind überzeugt, dass Hadopi an illegalen Nutzungsformen im Netz nichts ändern wird. 47 Prozent aller Befragten finden, der Hadopi-Ansatz ist nicht ganz auf der Höhe der Zeit und der Webkultur; 51 Prozent sind der Ansicht, Hadopi diene nur den Interessen einiger weniger. All diese Vorbehalte fielen bei der Gruppe von Nutzern, die angaben, dass sie auch mal Musik im Netz klauen – diese Gruppe gibt übrigens laut der Umfrage überdurchschnittlich viel für Musik im Netz aus – noch deutlich höher aus.