Vor einer Woche hatte ich hier die Frage aufgeworfen, ob ein E-Book-Verleih/Flatrate, vergleichbar mit den Abomodellen aus Musik (Simfy, Spotify) und Film/TV (Netflix) mit der Buchpreisbindung vereinbar wäre.
Alexander Vieß vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat die Frage an Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins, weitergeleitet und die Antwort in den Kommentaren unter meinem ursprünglichen Artikel gepostet.
Herr Sprang schreibt unter anderem, davon ausgehend, dass die Buchpreisbindung auch bei E-Books gilt (offzielle Linie des Börsenvereins), könne man Flatrate-Modelle auch als Verleih ansehen, was beide Konzepte vereinbar machen würde:
Da das Buchpreisbindungsgesetz nur Verkäufe, nicht aber Vermietungen von Büchern regelt, wäre eine Flatrate als monatlicher, vierteljährlicher oder jährlicher Mietpreis für eine definierte Zahl downgeloadeter E-Books vorstellbar, sofern die Verlage mitspielen und der E-Book-Plattform den Betrieb eines solchen Modells mit ihren Büchern gestatten.
Vorausgesetzt ich habe das richtig verstanden, dann ist das Problem bei dieser Sichtweise die definierte Zahl verliehener E-Books. Spotfy, Simfy und co. zeichnen sich eben gerade dadurch aus, dass man nicht nur maximal z.B. 1000 verschiedene Songs in einem festgelegten Zeitraum anhören kann, sondern auf die kompletten Backkataloge der teilnehmenden Musiklabels zurückgreifen kann.
Der Kern am Flatrate-Modell ist die Unbegrenztheit. Ohne diese wäre es kein richtiges Flatrate-Modell.
Das gleiche Problem sehe ich bei der Herangehensweise, einen 'Online-Buchclub' zu betreiben:
Ein „Amazon-Buchclub“ für E-Books könnte E-Books verschiedener Verlage im Bundle zu „Flatrate-Preisen“ anbieten, die unter den gebundenen Einzelpreisen liegen. Er bräuchte dann aber in jedem Einzelfall eine vertragliche Gestattung des Verlags, wäre bei den Preisabständen zu den Originalausgaben beschränkt und müsste presserechtlich die Haftung für die Inhalte seiner Lizenzausgaben übernehmen.
An den Einwänden kann man gut sehen, wie schwierig es in der Buchbranche sein wird, innovative Modelle zu testen. Davon abgesehen hätte der Online-Buchclub auch wieder weniger mit einem Flatrate-Modell zu tun: Wie soll der Preisabstand zu den 'Originalausgaben' im Rahmen gehalten werden, wenn wir von kompletten Backkatalogen sprechen?
Bei beiden Vorschlägen, 'Verleih' und 'Buchclub', kann man deutlich sehen, dass hier die digitalen Kopien wie analoge Einheiten begriffen werden, mit denen man auch nur machen kann, was man mit Papierbüchern machen könnte. Letzlich würde es bei einem Flatrate-Modell weder um Verkäufe noch um (zeitlich und quantitativ beschränkte) Vermietungen handeln, sondern eher um eine für die Buchbranche neue Art von Lizenzen.
Ein weiteres größeres Problem, das ein Flatrate-Modell für die Buchbranche in nächster Zeit unwahrscheinlich macht, scheint mir auch bei den Abrechnungsproblemen zu liegen:
Letztlich kostet jedes Buch bei jedem Verkauf dann ja einen anderen Preis (da dieser davon abhängt, mit welchen anderen Titeln der Kunde das E-Book unter der Flatrate erwirbt). Die Autorenbeteiligung am erzielten Verkaufspreis muss entweder Fall für Fall errechnet (was auch mit modernen Softwaresystemen nicht trivial ist) oder pauschaliert ausgeschüttet werden („rough justice“) – und die gewählte Abrechnungsart muss vom Autor vorab im Verlagsvertrag akzeptiert sein (was bei Backlisttiteln in der Regel nicht gegeben ist).
Das ist ein Problem, das aus der eben erwähnten neuen Art von Lizenzen entsteht. Es ist aber auch ein lösbares Problem. Aber nur, wenn man als Unternehmen an das Flatrate-Modell glaubt und deswegen bereit ist, darauf hinzuarbeiten.
Die Probleme sind also recht vielfältig. Den Buchverlagen wird das ganz recht sein. Wie viele von ihnen haben aktuell ein aktives Interesse daran, an einem Flatratemodell mitzumachen?Sie befinden sich ökonomisch ungefähr da, wo sich die Musiklabels um ca. 2000 befunden haben. Es knirscht bereits, aber es erscheint noch nicht akuter Handlungsbedarf.
Das Problem der Buchverlage ist nur, dass mit den mainstreamgewordenen E-Readern, die mit den neuen Kindle-Versionen und den Readern von Weltbild und Hugendubel extrem günstig geworden sind, ein perfekter Sturm auf sie zukommt.
Ihre Situation wird dank E-Reader, Breitband und Dateigrößen von zwei bis drei MB, wenn wir beim Vergleich mit der Musikindustrie bleiben, von 2001 direkt auf 2010 springen.
Es wäre also genau jetzt der richtige Zeitpunkt, die Herausforderungen anzugehen, wenn man von den technischen Veränderungen nicht überrollt werden will. Dazu gehört dann wohl auch die Aufgabe der Buchpreisbindung für E-Books, die innovativeren Geschäftsmodellen arg im Weg zu stehen scheint.
Denn eins erscheint mir mittlerweile sicher: Die Flatrate-Angebote gehören zum Einkommensmix(!) von Kreativen und ihren Mittelsmännern in einer Post-Filesharing-Welt dazu. Wer auf diese Säule verzichtet, wird nicht mehr sondern weniger verdienen.
Hier der volle Wortlaut vom Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zur Frage, ob E-Book-Flatrate und Buchpreisbindung vereinbar sind:
Diese Frage lässt sich leider nicht zuverlässig beantworten. Einerseits hängt die Antwort davon ab, um welche Art von Anbieter (E-Book-Plattform) es sich handelt und wie er sein Flatrate-Angebot im Einzelnen ausgestaltet. Andererseits ist die Frage, ob E-Books unter das deutsche Buchpreisbindungsgesetz fallen und ob die Preisbindung auch zur Anwendung kommt, wenn ein Anbieter aus dem EU-Ausland (Amazon hat seinen europäischen Hauptsitz und seine Server z.B. aus steuerlichen Gründen in Luxemburg) grenzüberschreitend an Endabnehmer in Deutschland verkauft, gerichtlich noch nicht entschieden worden. Insgesamt herrscht im E-Book-Markt bei vielen Fragen noch eine sehr große rechtliche Unsicherheit und ein Mangel an bestätigten Handelsusancen vor. Es wird wohl noch eine erhebliche Weile dauern, bis sich das ändert, da die Schaffung rechtlicher Regelungen nie mit der Geschwindigkeit technischer Entwicklungen mithält. (Mephisto, Faust I: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewge Krankheit fort; sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage: Weh dir, dass du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist leider nie die Frage.“)
Der Börsenverein geht bekanntlich mit der herrschenden Lehre davon aus, dass E-Books unter das Buchpreisbindungsgesetz fallen und auch auf grenzüberschreitende Verkäufe anwendbar sind. Sofern die Gerichte diese Ansicht teilen bedeutet das, dass der E-Book-Preis vom Verlag festgesetzt wird und kein Händler die Möglichkeit hat, preisgebundene E-Books verschiedener Verlage im Bundle zu einem Preis zu verkaufen, der unter der Summe der gebundenen Einzelpreise liegt.
Auch auf dem Boden dieser Ansicht gibt es aber für E-Book-Plattformen durchaus Möglichkeiten, zu Abomodellen bzw. Flatrates zu kommen. So können E-Books bspw. mit Zustimmung der Verlage nicht verkauft, sondern von Händlern vermietet werden (was für den Kunden heißt, dass sie ihm nur zeitlich begrenzt per Download überlassen werden, was durch technische Schutzmaßnahmen bewerkstelligt werden kann – ein im Markt vorhandenes, allerdings als unentgeltliche Leihe ausgestaltetes Beispiel hierfür ist die von öffentlichen Bibliotheken angebotene „onleihe“ von E-Books). Da das Buchpreisbindungsgesetz nur Verkäufe, nicht aber Vermietungen von Büchern regelt, wäre eine Flatrate als monatlicher, vierteljährlicher oder jährlicher Mietpreis für eine definierte Zahl downgeloadeter E-Books vorstellbar, sofern die Verlage mitspielen und der E-Book-Plattform den Betrieb eines solchen Modells mit ihren Büchern gestatten.
Im Rahmen von Verkäufen wären Abomodelle für E-Books mit einigen preislichen Limitationen vorstellbar, wenn als Anbieter die Verlage selbst für ihre eigenen Titel agieren – sie legen dann unter dem Buchpreisbindungsgesetz sog. Serienpreise fest, die allerdings vordefiniert sein müssen. Auch denkbar ist die Einräumung von Lizenzen für E-Book-Ausgaben von Handelspartnern, wie wir sie bei gedruckten Büchern insbesondere von den Angeboten von Buchclubs kennen. Ein „Amazon-Buchclub“ für E-Books könnte E-Books verschiedener Verlage im Bundle zu „Flatrate-Preisen“ anbieten, die unter den gebundenen Einzelpreisen liegen. Er bräuchte dann aber in jedem Einzelfall eine vertragliche Gestattung des Verlags, wäre bei den Preisabständen zu den Originalausgaben beschränkt und müsste presserechtlich die Haftung für die Inhalte seiner Lizenzausgaben übernehmen.
Wie gesagt: Das von Amazon angekündigte Geschäftsmodell ist vom Sachverhalt her noch so diffus, dass es rechtlich nicht zuverlässig beurteilt werden kann. Grundsätzlich sagen kann man nur, dass Flatratemodelle, bei denen der Kunde die Auswahl aus einer großen Anzahl von E-Books mit verschiedenen Ladenpreisen treffen kann, hinsichtlich der Tantieme der Autoren eine rechtliche und administrative Herausforderung sind. Letztlich kostet jedes Buch bei jedem Verkauf dann ja einen anderen Preis (da dieser davon abhängt, mit welchen anderen Titeln der Kunde das E-Book unter der Flatrate erwirbt). Die Autorenbeteiligung am erzielten Verkaufspreis muss entweder Fall für Fall errechnet (was auch mit modernen Softwaresystemen nicht trivial ist) oder pauschaliert ausgeschüttet werden („rough justice“) – und die gewählte Abrechnungsart muss vom Autor vorab im Verlagsvertrag akzeptiert sein (was bei Backlisttiteln in der Regel nicht gegeben ist).
Herzliche Grüße Dr. phil. Christian Sprang Rechtsanwalt und Mediator JustiziarBörsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.