Das sollte Buchverlagen das Fürchten lehren: Amazon nimmt Autoren direkt unter Vertrag und wird somit selbst zum Verlag bzw. übernimmt Verlagsaufgaben:
The company is scheduled to publish 122 books this fall in print and e-book form, according to a report from the New York Times. The move puts Amazon in more direct competition with some of its largest suppliers, like Penguin, Random House and MacMillan.
Amazon’s publishing arm isn’t just a side project either. The company hired publishing veteran Laurence Kirshbaum in May, and it paid actress/director Penny Marshall (of Laverne & Shirley fame) $800,000 for her memoir, according to the NYT report. Last week, the company even signed a book deal with self-help book guru Tim Ferris.
Auch abseits von herkömmlichen E-Books arbeitet Amazon mit exklusiven Deals, um die Kindle-Plattform erfolgreich zu machen. Der neueste Deal betrifft digitale Comics von DC (Superman, Batman, etc.):
The announcement is clearly linked to the Kindle Fire, which is Amazon’s first rich media tablet. Comicbooks are a rich media format and so it makes sense to publish them for the Kindle Fire. But, crucially, DC comics will be available across the Kindle fire, i.e. on non-Kindle devices: computers, smartphones and even iPads through Kindle apps. This makes it a good deal for DC Comics and consumers, and therefore Amazon as well.
Es ist relativ offensichtlich, dass Amazon versucht, mit seiner Kindle-Plattform den Erfolg zu wiederholen, den Apple mit iTunes im Musikbereich hatte. Nur zielt Amazon auf möglichst viele Unterhaltungsformen ab, wozu auch Bücher gehören.
Schauen wir uns hierzu ein Interview mit Helge Malchow vom Verlag Kiepenheuer & Witsch auf Spiegel Online an.
Herr Malchow sagt zu Amazons Plänen:
Der Spruch ist ja nicht ganz neu. Auch in den guten alten analogen Zeiten haben Hunderttausende von Autoren, die für ihr Manuskript keinen Verlag gefunden haben, ihre Bücher im Selbstverlag herausgegeben. Das Problem ist doch: Je komplexer und pluralistischer das Angebot an Manuskripten wird, desto mehr braucht es Instanzen, die erstens professionell auswählen, zweitens professionell veredeln und drittens professionell vertreiben. Das gilt sowohl für die analoge wie für die digitale Welt.
Welche Aufgaben sieht Herr Malchow bei Buchverlagen?
- Auswählen
- Veredeln
- Vertreiben
Fangen wir mit Punkt 3 an: Amazon hat zweifellos die beste Distributionsplattform für Bücher, physisch wie digital, weltweit. Die Kindle-Plattform ist aktuell die attraktivste ihrer Art. Amazon hat außerdem ein sehr gutes Empfehlungssystem auf seiner Plattform implementiert, das mit Algorithmen und Nutzerbewertungen arbeitet. Das deckt zum Teil auch gleich Punkt 1 mit ab (und ist mit dem Filter-statt-Gatekeeper-Grundsatz auch profitabler für Amazon, und für Autoren wie Leser im Schnitt sinnvoller). Bleibt Punkt 2. Die Veredelung. Tatsächlich ist noch offen, wie sich zum Beispiel die Aufgabe des Lektorats künftig verändern wird.
Spielen wir das aber in Gedanken einmal durch. Angenommen, Amazon ist künftig zunehmend erfolgreich als Verlag oder Verlagsersatz. Können Verlage in so einer Welt in ihrer jetzigen Form überleben und erfolgreich mit Amazon konkurrieren, weil sie zum Beispiel besser veredeln? Möglich.
Ist es aber nicht viel wahrscheinlicher, dass sich Spezialisten herausbilden werden, die mit Autoren und Amazon zusammenarbeiten und nur Teilaufgaben anbieten, die früher zum Aufgabenspektrum der Verlage gehört hat? Diese kleineren, wendigeren Spezialisten könnten dann dank spezieller Tools und geringerem Overhead die gleiche Aufgabe nicht nur günstiger sondern vielleicht sogar besser anbieten als die großen Verlage, deren Prozesse auf das Gestern ausgelegt sind.
Der Medienwandel führt zu einer Veränderung der Organisationsstrukturen in den betroffenen Bereichen, weil sich die Aufgabenteilung am Markt verändert. Das geht weder an Musiklabels noch an Buchverlagen vorbei. Das ist ein Fakt, mit dem man sich beschäftigen muss.
Die Buchverlage haben ungefähr drei Problemfelder, die ich noch kurz ansprechen möchte.
1. Buchverlage sind keine Technologieunternehmen. Amazon ist ein Technologieunternehmen. Deshalb kann Amazon ein Tablet und eine zugehörige Plattformstrategie entwickeln.
Den Buchverlagen fehlen die nötigen Kernkompetenzen ebenso wie den Musiklabels seinerzeit (und letztlich immer noch).
Die Buchverlage haben aber einen Vorteil: Sie können auf die letzten 13 Jahre digitaler Musik zurückschauen und daraus lernen. Wenn sie nicht mit einem Distributionsmonopol a la iTunes kämpfen wollen, brauchen sie eine Strategie, wie sie Amazon etwas entgegen setzen können.
Dazu gehört, dass ihnen bewusst werden muss, dass ihre alt eingesessene Wertschöpfungskette verändert werden muss. (Man konkurriert nicht mit Amazon, indem man einfach bessere Bücher herausbringt. Der Konkurrenzkampf findet auf Plattformebene, nicht auf Inhaltsebene statt. Oder auch: Auf der Ebene der Prozessgestaltung.)
Dazu gehört auch, eine digitale Strategie zu entwickeln. Und dazu gehört auch die Technik. Moment, ohne Kernkompetenzen in diesem Bereich? Wie soll das gehen? Sinnvolle Wege könnten möglicherweise Tochterunternehmen oder andere möglichst autarke Ausgliederungen sein. (Ebenfalls bieten sich in geringerem Umfang strategische Beteiligungen und Übernahmen an.)
Wenn Buchverlage morgen ein Mitspracherecht in ihrem Markt haben wollen, müssen sie dringend Kernkompetenzen in den wichtiger werdenden Feldern aufbauen.
Buchverlage könnten zum Beispiel über gemeinsame Joint Ventures gemeinsame Plattformen aufbauen, so wie es in den USA TV-Sender mit Hulu versuchen. Man kann mittlerweile mit Blick auf die Musikbranche auch recht gut nicht nur sehen, was man falsch machen kann, sondern auch erste Lösungen identifizieren und auf die eigene Branche übersetzen. Eigene Plattformen zum Beispiel: Soziale Elemente sollten im Vordergrund stehen, um den Lockin und damit die eigene Position gegenüber Amazon und anderen Marktangreifern zu stärken.
2. Eines der größten Probleme, die die Buchbranche hierzulande hat, ist die Buchpreisbindung. Ich fürchte, dass ist den meisten in der Branche noch gar nicht klar. Die Buchpreisbindung für E-Books ist zweierlei problematisch:
a.) Die Buchpreisbindung sorgt höchstwahrscheinlich (genau kann man es noch nicht sagen) dafür, dass Geschäftsmodelle, wie z.B. ein Flatrate-Abo für On-Demand wie es im Musikbereich zum Beispiel Spotify und Simfy anbieten, im Buchmarkt zumindest hierzulande nicht möglich sind.
b.) Sie macht die digitalen Bücher viel zu teuer. Ohne eine genaue Analyse gemacht zu haben, kann man wohl trotzdem festhalten, dass der aktuelle Preis für E-Books weit über dem Marktpreis liegt. (Und das selbst ohne das Einbeziehen der Grenzkosten für digitale autonome Güter.)
Sascha Lobo fasst die Preissituation gut in seinem Artikel „Allgemeine Feststellungen zur Buchsituation“ zusammen:
5. Was die Verlage insbesondere nicht begriffen haben, ist, dass sie auf digitalen Geräten konkurrieren mit Angry Birds. Und das kostet 1,49 € oder so, ein Ebook kommt leicht mal mit 16,90 € um die Ecke. Das Argument, man habe doch von einem Buch viel länger Freude ist erstens genau berechnet völlig falsch. Und zweitens entspricht es der Vorstellung, Autokäufer würden Autos nach Kosten je Kilometer kaufen und nicht nach dem Preisschild, was dranhängt. Nach der Logik würden alle die S-Klasse kaufen, weil die zwei Millionen Kilometer durchhält und deshalb nur 5 Cent je Kilometer kostet.
Zur E-Book-Preisfindung: Neben der neuen, viel günstigeren Konkurrenz auf dem gleichen Gerät, macht die Buchbranche den gleichen Fehler, den die Musikbranche gemacht hat: Wann immer es ihnen nützt, setzen sie die digitalen Güter mit den physischen Gütern gleich (Preis, Diebstahl-Lüge), wenn es ihnen nicht nützt, behandeln sie die digitalen Güter anders (kein Wiederverkauf, Lizenz-Argument).
Das führt zu einem extrem schlechten E-Book-Angebot für Käufer: Ich bezahle für das E-Book so viel wie für das Hardcover oder das Taschenbuch, aber sein ökonomischer Wert ist geringer für mich, weil ich es nicht wieder veräußern kann. Das mag im Sinne der Verlage sein, die hoffen, am Printgeschäft festhalten zu können und E-Books möglichst unattraktiv zu halten. Aber das führt natürlich direkt in’s ökonomische Verderben, wie man, noch einmal, bei der Tonträgerindustrie sehen kann.
Die Buchverlage argumentieren aber nun, dass sie gar nicht anders können, als so viel für ihre E-Books zu verlangen. Die Kosten wären so hoch, sagen sie. Das erscheint für Außenstehende schwer nachvollziehbar.
Im August diesen Jahres war ich auf einer Presseveranstaltung von BITKOM und Frankfurter Buchmesse. Auf diesem Event hat Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, Licht in dieses Argument zumindest für mich gebracht.
Auf die Frage bezüglich E-Book-Preise angesprochen, führte er aus, dass die Verlage viel Geld in Technik investieren müssten, die auch wieder schnell veralten würde. Das würde die Kosten für E-Books hochtreiben.
Für die Verlage entstehen also immer wieder hohe(?) Fixkosten, die auf die Stückkosten umgeschlagen werden müssen. Aus der Verbindung zwischen hoher Fixkosten, weil sich Standards in den letzten Jahren noch oft geändert haben, und der Tatsache, dass dank fehlender Bausteine (etablierte E-Reader, Distributionsplattformen) die abgesetzten Stückzahlen gering waren, folgten hohe Stückkosten pro E-Book und der Rechtfertigung für hohe Preise, was wiederum zu konstant niedrigen Absatzzahlen führt. Ein Teufelskreis. (Intern dürften allerdings zumindest auch Kannibalisierungsbefürchtungen eine Rolle spielen.)
Das ist also in etwa so, wie wenn die Verlage jedes Jahr eine neue Art Presswerk für Printbücher testen und diese eigentlich einmaligen Kosten immer wieder auf die Bücherproduktionskosten zusätzlich hinzukommen, was dann zu Preisen von sagen wir 50 Euro pro Buch führt, was dazu führt, dass wenige Menschen sich Bücher leisten, was dazu führt, dass die hohen Kosten auf wenige umgesetzte Exemplare umgeschlagen werden müssen und immer mit diesen niedrigen Umsatzzahlen gerechnet wird. You get the picture.
Die Kostenrechnung der Buchverlage für E-Books und ihre Preisfindung, so sie denn darauf fusst, ist besonders tragisch, weil die Verlage den gleichen Fehler zu wiederholen scheinen, den die Musikbranche begangen hat, und der zu Filesharing und der iTunes-Vorherrschaft geführt hat: Die Preise nicht vom Markt her denken, sondern ausschließlich von den eigenen Kosten und Profitvorstellungen.
Es ist ein bisschen so, als hätte weder in der Tonträgerindustrie noch bei den Buchverlagen jemals jemand im Studium einen Marktpreis bestimmen müssen oder von Preissensitivität gehört. (Aber das ist natürlich nicht der Fall, was das Verhalten noch tragischer macht.)
Dazu kommt natürlich auch noch, dass der Erfolg von Kindle, iOS & co. und die Reife der Märkte und Standards dafür sorgt, dass die Lebensdauer der Standards immer länger wird. Was wiederum die Kosten senken dürfte.
Und die Kannibalisierung? Die findet auch bei hohen E-Book-Preisen statt. Nur eben noch schneller abseits der Verlagsumsätze:
3. Die schnelle technologische Entwicklung: Ich habe es schon mehrfach über die Jahre geschrieben (und zuletzt hier). Ein mainstreamfähiger E-Reader und über die Buchbranche bricht ein perfekter Sturm herein. Der Grund liegt in den extrem niedrigen Dateigrößen von E-Books. Meine aktuelle Schätzung wäre, dass Amazon (oder ein Mitkonkurrent) noch zwei, maximal drei Jahre/Produktiterationen davon entfernt ist, mit dem E-Reader im Mainstream anzukommen. Dann beginnt der wahre Medienwandel für die Buchbranche und dann wird es sehr schnell gehen. (Vom Erscheinen der ersten mainstreamtauglichen E-Reader-Iteration dürfte es bis zu sehr spürbaren Einschlägen nur Monate bis maximal ein, zwei Jahre dauern)
Zuerst wird es die Sachbuchbranche treffen, ausgehend von Studenten. Und von da wird es auf den Rest der Branche übergehen, mal mehr, mal weniger schnell. Ich habe neulich mal auf den einschlägigen Bittorrent-Trackern geschaut und es ist tatsächlich so, wie ich es vermutet hatte: Es werden nicht einzelne Bücher zum Download angeboten sondern Genre-Zusammenfassungen, ganze Werke von Autoren etc.. Es wird gebündelt, weil das für die filesharenden Nutzer sinnvoll ist. Die werden natürlich nie alles lesen, was sie herunterladen. Müssen sie auch nicht: Es kostet sie schließlich nichts. Je geringer die Dateigröße, desto größer die Verschwendung. (Deswegen lassen sich Downloads nicht zu 100 Prozent in verloren gegangene Verkäufe ummünzen.)
Jedem in der Branche sollte es angesichts dieser bevorstehenden Entwicklung auf der einen Seite und neuen Playern wie Amazon Kindle auf der anderen Angst und Bange werden. Die Herausforderungen für die Branche sind episch.
Anhang
Neben Sascha Lobos Artikel ist auch die von Kathrin Passig angestossene Diskussion zum Thema auf Google+ sehr lesenswert.
Helen Ragnarsdottir says
Und was Sascha Lobo nicht begriffen hat: wie man schreibt. Marcel, warum schreibst Du nicht einfach Bücher. Die so sind ähnlich wie Dein Blog. Ohne Idee, Fachkenntnis, Integrität und Sprachkraft. Das bietest Du dann unüberarbeitet und unlektoriert und mit voll mit falschen Großschreibungen auf den App-Markt für 1,49 Euro an.
Mark says
Dass man ein Buch auch ohne Verlage schreiben kann hat z. B. Markus Albers schon bewiessen: http://open-ebook.de/meconomy-…
Den klassischen Verlag kann man durchaus ersetzen und wie oben beschrieben hat mit Sicherheit Amazon großes Potential dazu. Und mit einer Macht wie Amazon sie hat, kann man mit Sicherheit auch an der Buchpreisbindung schrauben.
@Helen, schreibst Du eigentlich Bücher?
Ruprecht Frieling says
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Die Preisbindung als größter Hemmschuh der Entwicklung des deutschen E-Book-Marktes wird seit geraumer Zeit kritisiert. Vor allem
etablierte Verlagskonzerne, die sich gern als Hüter der Preisbindung
aufspielen, kennen tausend Schliche und Tricks, um die Preisbindung zum eigenen
Vorteil auszuhebeln und zu umgehen, während der Miniverlag beim kleinsten Fehltritt
Opfer von Abmahnanwälten wird. Es ist zwar langfristig damit zu rechnen, dass
die Preisbindung im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung auf dem Acker
der Buchhandelsgeschichte untergepflügt wird. Doch noch ist es leider nicht soweit …
@font-face {
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font-family: „Cambria Math“;
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Bis 2008 vertrat übrigens sogar der Börsenverein des Deutschen
Buchhandels die Auffassung, dass die Buchpreisbindung nicht für
elektronische Publikationen gelte. Das änderte sich dann aber wieder. Seitdem
heißt es, dass die Buchpreisbindung auch für diejenigen E-Books gilt, die
gedruckte Bücher „reproduzieren
oder substituieren“.
Eine juristische Grauzone bilden insofern E-Books, die es überhaupt nie
in gedruckter Form gegeben hat, denn damit wird weder reproduziert noch
ersetzt. Dies wären dann auch solche Werke, die nur in E-Book-Form existieren
und damit Originalausgaben sind. Eine zusätzliche Spitzfindigkeit hält die
unmittelbare Zukunft für die Juristen parat: Wie verhält es sich mit Werken,
die erstmals als E-Books erscheinen und später von Verlagen in Printausgaben herausgegeben
werden? Denn in jenen Fällen, und es dürften zahlreiche werden, reproduziert
bzw. substituiert die Printausgabe das Elektrobuch statt umgekehrt.
Daniel Beskos says
Interessante Zusammenfassung. Ich möchte aber – aus Verlagsperspektive – etwas zur Preisgestaltung von E-Books sagen. Ja, ich persönlich empfinde ein Preis-Verhältinis von z.B. 18,90 für eine Hardcover und 15,99 Euro für das dazugehörige E-Book auch als unangemessen. Von Leserseite aus ist die Wertigkeit einer Datei natürlich viel geringer angesiedelt. Aus diesem Grund kann man E-Books eigentlich nur deutlich günstiger anbieten, z.B. 9,99 Euro usw.
Aber von der Kalkulationsseite aus ergibt das eigentlich wirklich keinen Sinn: Die Kosten, die zu einem Buchpreis von 18,90 Euro führen, entstehen (und ganz besonders in den großen Verlagen mit höheren Auflagen) nur zu einem ganz geringen Teil aus der Herstellung des physischen Objekts „Buch“. Das kostet nämlich nur ca. 1,50-3,00 Euro. Der Rest sind Kosten für Zwischen- und Endkundenhandel (bis zu 55 %!), Lizenzen, Satz, Autorenhonorar, Presse, Gemeinkosten usw. Und eben jene 1,5-3 Euro könnte man – rechnerisch – also auch nur einsparen, wenn man nur noch auf E-Books setzt. Dass man E-Books überhaupt günstiger anbieten könnte, ginge entweder nur bei einer sehr hohen Verkaufszahl (was in der Belletristik zumeist unrealistisch ist) oder eben durch Querfinanzierung über die gedruckte Ausgabe – diese erwirtschaftet sozusagen die obengenannten Kosten, die dann für die E-Book-Ausgabe ja nicht nochmal anfallen. Aber wenn die Prognosen stimmen und gedruckte Bücher mehr und mehr verschwinden, wird man so ein Modell auch nicht halten können…
Marcel Weiss says
Danke für den Kommentar, Daniel. Ich kenne die Kostenkalkulation von Buchverlagen nicht im Detail, deswegen kann ich nur mutmaßen. Aber ich bezweifle, dass die Stückkostenunterschiede zwischen E-Book und Printbuch nur 1,5 bis 3€ betragen. Gerade die Kosten für Zwischen- und Endkundenhandel ( laut deiner Aussage bis zu 55 %) sind doch für beide Buchversionen nicht gleich, oder etwa doch?
Grundsätzlich zählt auch für die Buchbranche, was für die Musikbranche gilt: Dateien wie physische Einheiten behandeln und handeln wird nicht die Lösung sein. Geschäftsmodelle müssen anders aussehen.
Leander Wattig says
Ich glaube, wir müssen in der Buchbranche stärker differenzieren als in der Musikbranche. Der Musikmarkt der Zukunft zerfasert viel weniger als der Buchmarkt der Zukunft. Bei Musik geht es meist am Ende doch um Audio-Clips von ein paar Minuten Länge. Das Buch von morgen hat 1.000 Ausprägungsformen und die Entwicklungen in der Belletristik sind wesentlich andere als die im Bereich der Fachinformation.
Marcel Weiss says
Ja, sehr guter Punkt. Text kann viel stärker zerkleinert und entbündelt werden.
Ruprecht Frieling (Prinz Rupi) says
Nach 30 Jahren als Verleger erlaube ich mir eine andere Sichtweise, lieber Daniel: Natürlich sind für ein E-Book genau so wie für ein klassisches Buch Lektorat und Korrektorat erforderlich und als Fixkosten anzusetzen. Es müssen auch Verlagsgemeinkosten und Werbekosten in Ansatz gebracht werden. Doch danach teilt sich die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise. Beim E-Book entfallen sämtliche Druckkosten. Es fallen auch keine Lager- und Bewegungskosten an. Folglich werden weder Druckereien, noch Lagerhallen noch Speditionen benötigt.
Ein wesentlicher Kostenfaktor sind beim Print-Buch im Unterschied zum Elektro-Buchhandel der Zwischenhandel, also die Barsortiment genannten Großhändler sowie der Buchhändler als Einzelhändler. Für diese klassischen Handelsformen werden zwischen 50 und 60 Prozent des Ladenpreises veranschlagt. Ergo dürfte die elektronische Version
eines bereits gedruckt vorliegenden Buches maximal ein Drittel des Ladenpreises
kosten.
Leander Wattig says
hab hier noch ein paar anmerkungen ergänzt: http://leanderwattig.de/index….
Marcel Weiss says
Danke für die Einblicke. Meine Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung.
akrde says
Ich würde den hohen eBook Preis ja akzeptieren, wenn man sich damit weitere Vorteile des digitalen Formats gegenüber der Print-Ausgabe erkaufen könnte. Folgendes könnte ich mir zum Beispiel als „digitalen Mehrwert“ vorstellen: 1. Automatische Updates, wenn neue Auflagen eines Buchs herauskommen. (gibt es heute nicht, oder?). 2. Veröffentlichung der eBook Version eines neues Buches oder einer neuen Auflage vor Veröffentlichung der Printausgabe. 3. Erweiterter Content in der digitalen Auflage.
Wie kann es eigentlich kommen, das ich als Printversion eines Sachbuches eine 3. Auflage bei Amazon kaufen kann, aber als eBook nur die 2. Auflage verkauft wird?
Marcel Weiss says
Diese und andere Dinge wird Amazon mit seiner Plattform angehen. Dann wirds interessant. Und eng für die Buchverlage.
Daniel Beskos says
Hm, also eigentlich ging es mir ja gar nicht darum, eine Verlagskalkulation aufzumachen, sondern darum, dass E-Books derzeit immer mehr kosten (müssen?), als es der Kunde von der Wertigkeit her für richtig hält.
Dennoch aber nochmal zum Kostenpunkt, da ich da leider nicht wirklich zustimmen kann, Ruprecht: Meine obige Rechnung bezieht sich auf genau diese genannten Kosten. Es stimmt zwar, dass man beim Vertrieb von E-Books von anderen Rabatten ausgehen kann (nämlich weniger als die bis zu 55% Prozent, die man dem Zwischenbuchhandel abgibt, vielleicht nur noch 30-45 %, je nachdem, ob man eine Digital-Auslieferung hat oder direkt Verträge mit Amazon, Apple usw. macht), aber dennoch: Die Kosten fürs gedruckte Buch sind (z.B. bei einer 2000er-Auflage Hardcover für je 18,90 Ladenpreis) nur ca. 2,50 Euro, bei höheren Auflagen entsprechend weniger. Damit sind die Druckkosten gemeint, und das schon für sehr hochwertige Hardcover, mit Lesebändchen, Prägung, teurem Papier und allem. „Lagerhallen und Speditionen“ fallen eh nicht an, wenn man eine Auslieferung hat, dafür allerdings kassiert diese im Schnitt 10% vom Umsatz, aber da bei diesem ja schon die Handelsrabatte abgezogen sind, ist das vielleicht maximal nochmal 1 Euro pro Buch. Andere Kosten fürs „physische“ Objekt fallen nicht an. Lagerkosten bewegen sich im einstelligen Cent-Bereich, wenn überhaupt – die wirklichen Kostenpunkte setzen sich einfach woanders zusammen. Das mit dem „Drittel des Ladenpreises“ kann ich daher leider gar nicht nachvollziehen. Zumal beim E-Book auch 19% Umsatzsteuer anfallen, die man ja auch nicht vergessen darf. Und, ein nicht unwichtiger Punkt: Die Autoren werden ja in „Prozent vom Ladenpreis“ am Verkauf beteiligt, und je niedriger der Ladenpreis ist, desto niedriger das Autorenhonorar, was ja auch nicht wirklich Sinn der Sache ist.
Wie auch immer: Oben hat Marcel ja schon ganz richtig geschrieben: „Geschäftsmodelle müssen anders aussehen.“ Da kann ich nur zustimmen.
Marcel Weiss says
19% Mehrwertsteuer auf E-Books ist auch eine recht eigenwillige Angelegenheit, solang Papierbücher geringer besteuert werden. Aber das Fass müssen wir hier jetzt nicht aufmachen. :)
Martin Raißle says
Nicht nur zusätzliche Vorteile, sondern vllt. auch erstmal die Beseitigung der Nachteile ggü. dem gedruckten Buch. Ich denke, dass die hohen Preise mit DRM (in der aktuellen Form) unvereinbar sind. Wenn ich für ein elektronisches Exemplar (fast) soviel bezahle wie ein gedrucktes, dann will ich es auch verleihen können – und das geht eben nicht (und nein, die 1x 14 Tage, die Amazon in den Staaten anbietet, sind nicht genug).
Weg mit dem DRM und wir können neu über die Preise reden.
Martin Raißle says
Wenn ich bei der eigentlichen Produktion des Buches (im weitesten Sinne, also inkl. Schreiben, Lektorieren, Gestalten, Drucken, etc.) 2,50€ spare, weil ich es nicht mehr drucken muss, dann kann der Endpreis des Buches um 5€ sinken, wenn man von einer festen Handelsspanne von 50% des Endpreises ausgeht, weil ich ja auf meine Kosten (inkl. Gewinn) einfach 100% aufschlagen muss, für den Endpreis.
Wenn ich natürlich erst den Endpreis festsetze, dann in den Kosten die 2,50€ Ersparnis abziehe, dann steigt entweder die Handelsspanne oder aber der Gewinn des Verlags.
René Kohl says
Der Preis ist nur ein Teil des eBook-Marketings. Da es zu letzterem bei den allermeisten Verlagen (und den allerallermeisten Buchhandlung) bislang keinerlei wirklichen Plan gibt, dazu keine Kundenerfahrungen, keine kalkulierbare Perspektive, keine vernünftigen Herstellungskalkulationen, gibt es keine Preise, die jemand wirklich begründen kann. Es gibt den guten verlagspolitischen Willen, sich anders als beim Zeitschriftengeschäft den Preis nicht kaputtmachen zu lassen, es gibt keine anderen Geschäftsmodelle als den reinen Contentverkauf (kein Mix aus Contentverkauf + Anzeigen, keine nachhaltigen Abo-Konzepte usw.).
Aus all dem kann zur Zeit kein eBook-Preis entstehen, der richtig ist, oder andersherum: Jeder Preis ist irgendwie richtig.
Am richtigsten ist wohl der Preis, bei dem die überwiegende Zahl der Interessenten nicht mehr das Gefühl hat, dass er zu hoch ist. Und der liegt in Deutschland im Schnitt unter den jetzigen Preisen.
Ich habe das Thema etwas differenzierter in einem Blog-beitrag aufbereitet:
http://www.kohlibri-blog.de/20…
ckrone says
Du hast doch keine Ahnung vom Buchmarkt, insbesondere von deren Kosten.
Alles umsonst, das ist Eure Antwort.
Profitieren werden nur die Filesharing Seiten, die kriminell viel Geld verdienen und Piraten und Co sind deren Lobbyisten