Der Referentenentwurf lässt damit nur eine Erkenntnis zu: Jeder, der zu gewerblichen Zwecken eine Überschrift oder einen Satz aus einer Verlagspublikation öffentlich zugänglich macht, also etwa in einem Pressespiegel, Blog, einer Twitter-Nachricht oder einem Facebook-Post, braucht zukünftig eine Erlaubnis vom jeweiligen Presseverleger.
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Das Leistungsschutzrecht würde in dieser Form auch zum großen Problem für die Betreiber von Plattformen wie Facebook oder Betreiber von Diensten wie Twitter werden. Denn wie gesagt erfasst die jetzige Ausgestaltung auch die Kommunikation dort, soweit zu gewerblichen Zwecken Snippets verwendet werden.
Verletzen Nutzer das Leistungsschutzrecht, weil sie die erforderlichen Rechte nicht eingeholt haben, können die Betreiber der Dienste und Plattformen als „Störer“ zur Verantwortung gezogen werden. Das Prinzip der Störerhaftung ist angesichts der vielen Rechtsstreitigkeiten zum Beispiel um die Haftung von Youtube oder Forenbetreibern (für Kommentare der Nutzer) hinlänglich bekannt. Das Leistungsschutzrecht kann zum Beispiel dazu führen, dass Plattformen wie Facebook bei Verstößen ihrer Nutzer abgemahnt und verpflichtet werden können, diese fortan zu unterbinden (pro-aktive Prüfungspflichten). Wie sich am Urteil des Landgerichts Hamburg zur Haftung von Youtube zeigt, kann das für den Anbieter erhebliche Auswirkungen haben.
Auch hier wieder der Verweis, dass nicht nur die großen Presseverlage 'verlagstypisch' arbeiten:
Wenn ich zukünftig als freier Journalist weiterhin über meine Themen in herkömmlicher Manier bloggen will, müsste ich vorher (!) nicht nur mit hunderten von Verlagen, sondern auch mit Spreeblick, Netzpolitik.org und zahllosen anderen Netzpublikationen Lizenzverträge schließen. Auf diesem Weg würden übrigens auch die ARD und ZDF (über tagesschau.de, zdf.de) zu „Presseverlegern“ werden und könnten Rechte aus dem LSR geltend machen.
Damit etwa Rivva weiter Blogartikel unter einem Presseleistungsschutzrecht aggregieren könnte und Plattformen wie Twitter und Facebook die Links auf deutsche Blogs erlauben, müsste wohl ein neuer Standard eingeführt werden, der machinenlesbar einen Verzicht auf Wahrnehmung des Leistungsschutzrechtes bekanntgibt.
Das ist auch ein Problem solcher automatisch vergebener Exklusivrechte: Akteure, die kein Interesse an diesen Rechten haben, weil die Wahrnehmung ihnen schadet, müssen aktiv darauf verzichten.
Der Aufwand liegt erst einmal im Verzicht, nicht in der Wahrnehmung. Für den Wahrnehmenden kommen die Kosten erst, wenn die Durchsetzung erzwungen werden muss.
Gesamtgesellschaftlich werden auf diese Weise Rahmenbedingungen geformt, ohne dass es den meisten auffällt. (Man stelle sich etwa vor, bei jeder Werksart wären Urheberrecht und verwandte Leistungsschutzrechte Opt-In statt Opt-Out. Unsere Gesellschaft würde sich mit einem Schlag anders organisieren.)
Der Verzicht auf eine gesetzlich vorgeschriebene Verwertungsgesellschaft würde ein volkswirtschaftliches Transaktionskostendesaster bedeuten:
Gibt es keine Pflicht, die Ansprüche aus dem LSR von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machen, bedeutet das Folgendes: Es müssen Lizenzverträge mit jedem einzelnen Rechteinhaber geschlossen werden. Die Rechteinhaber unterliegen keinem „Kontrahierungszwang“, können also die Nutzung beliebig verbieten oder erlauben. Es gibt keine einheitlichen Tarife – jeder Rechteinhaber kann also nicht nur seine eigenen Preise machen, sondern zudem von jedem Nutzer unterschiedliche Preise verlangen. Je nach Definition des Presseverlegers sind es also hunderte oder tausende Einzelverträge, die zumindest all diejenigen Nutzer schließen müssen, die auch zukünftig unabhängig von der Quelle Nachrichten aggregieren oder auf interessante Inhalte unter Verwendung von Snippets verweisen wollen.
Unbedingt die komplette Analyse von Till Kreutzer lesen.
Ebenfalls lesenswert ist auch die Analyse des Referentenentwurfs auf Telemedicus von Adrian Schneider. Etwa zur Definition von "Presseerzeugnis":
Ob das auf reine Online-Publikationen zutrifft, ist fraglich. Webseiten zeichnet es aus, dass sie gerade nicht periodisch – also in festen Zeitabständen –erscheinen, sondern ständig verfügbar sind und bei Bedarf ergänzt werden. Und auf „Trägern” werden Webseiten auch nicht veröffentlicht. Zwar liegt eine Webseite natürlich auch auf der Festplatte eines Servers, die Veröffentlichung – also der Transfer zum Leser – findet eben nicht auf einem Datenträger statt.
Die Begründung des Gesetzesentwurfes stellt aber ausdrücklich klar, dass das Leistungsschutzrecht auch für reine Online-Veröffentlichungen gelten soll. Die Tatbestandsmerkmale der „Veröffentlichung auf einem beliebigen Träger” und der „periodischen Veröffentlichung” sollen in diesem Fall also schlicht unter den Tisch fallen – handwerklich keine sonderlich elegante Lösung.
Vielleicht war ursprünglich geplant, das Leistungsschutzrecht auf Presseerzeugnisse zu beschränken, die nicht nur im Web sondern auch auf Papier erscheinen. Das würde viele Probleme für Presseverlage lösen, würde aber die unrühmliche Entstehungsgeschichte des Rechts noch deutlicher machen.