Ben Thompson analysiert knallhart die Situation der Presseverlage:
newspapers are paying the price for having long ago divorced the cost of their content from the value readers place upon it. To put it another way, it’s not that “the Internet has unbundled advertising from content creation,” it’s that advertisers (rightly) don’t give a damn about journalistic ideals. It is incredibly tiring to hear newspaper defenders talk as if advertising dollars are their god-given right, and that Google and Facebook are somehow stealing from them, when in reality Google and Facebook are winning in the fairest way possible: providing better value for the advertiser’s dollar.
Betrachtet man die Diskussion hierzulande, kann man regelmäßig zu dem Schluß kommen, dass sowohl die Presseverleger als auch diejenigen, die meinen, ihnen gute Ratschläge zu ihrem Geschäft geben zu können, vollkommen verkennen, wie schwierig bis aussichtslos die Lage für fast alle Presseverlage sein wird.
Das Problem, das Dilemma hinter dem Buzzwort 'Disruption', liegt in der Unfairness der neuen Situation. Die Konkurrenz wird bestenfalls ignoriert weil sie nicht als Konkurrenz wahrgenommen wird:
You may consider the comparison unfair – an entire newsroom putting out a daily edition as compared to a solo blogger posting one article – but the unfairness is the point. No one shared my article because it was from Stratechery, but then again, no one shares an article today just because it’s from the New York Times; all that matters is the individual article and its worth to the reader and potential sharer. As a writer, this is amazing. When it comes to reader attention, I am competing on an equal footing with The New York Freaking Times! Unfortunately for The New York Times, when it comes to making money they’re competing with Google and Facebook. Most distressingly, though, when it comes to costs, they’re competing with the last 150 years. Everything from printing presses to sales and marketing is deadweight if advertising is not a sustainable model.
Die Chancen für Autoren1 sind enorm. In Deutschland könnten wir allerdings vor einer dunklen Zeit stehen, weil von den freiwerdenden Journalisten bisher kaum auch nur ein zartes Interesse daran zu erkennen war, die neuen Möglichkeiten beim Schopfe zu packen.2 Im Gegensatz, wie so oft bei diesen Themen, zu den USA natürlich.
Es ist vielleicht an der Zeit, die Bezeichnung 'Journalist' nicht mehr konstant zu benutzen, weil das damit verbundene mentale Bild Scheuklappen mit sich bringt. “Wie kann Journalismus überleben?” ist zum Beispiel bereits eine Frage, die dank ihrer irreführenden Prämissen nie zu der Antwort führen wird, die man eigentlich sucht. ↩
Stattdessen könnte man den Eindruck bekommen, dass jede Entlassungswelle im Printsektor dazu führt, dass die Betroffenen geschlossen in den PR-Bereich wechseln. Dieser Schritt ist nachvollziehbar, lässt aber auch Hunger auf Neues in der journalistischen Branche vermissen. Nebeneffekt: Die deutsche PR-Branche war noch nie so gut mit Kontakten zu den (noch) bestehenden Redaktionen ausgestattet. ↩
Johannes Kleske says
Was sagt das eigentlich über den deutschen „Qualitätsjournalismus“, wenn arbeitslos gewordene Journalisten reihenweise in die Unternehmenskommunikation wechseln, statt sich auf die Suche nach dem nächsten Ansatz für Journalismus zu machen? Wenn sie lieber das Gehalt beziehen als auf Risiko zu gehen für das „Überleben des Journalismus“?
HumanMind says
Nun ja, es sagt eigentlich nur, dass das Menschen sind, die ein GEHALT benötigen und nicht von Flattr, GoogleAds, freiwilligen Spenden und „Advertorials“ leben können.
Johannes Kleske says
Um Marcel zu zitieren: „Dieser Schritt ist nachvollziehbar, lässt aber auch Hunger auf Neues in der journalistischen Branche vermissen.“
Marcel Weiss says
Es sagt letztlich das Gleiche aus wie die Tatsache, dass es keinen einzigen festangestellten Journalisten gab, der/die während der massiven Lügenkampagne zum Presseleistungsschutzrecht über unhaltbare Vorgänge in der eigenen Redaktion in einem anonymen Blog zum Beispiel oder als anonyme Quelle für irights/netzpolitik.org etc. berichtet hat.
Das ist ein Symptom für etwas erschreckendes, wenn man durchdenkt, was für eine Art von Presselandschaft solche Menschen gestalten.
Den Kommentar von „HumanMind“ könnte man fast als Karikatur lesen. Er ist auf jeden Fall exemplarisch für die Rechtfertigung gegenüber einem selbst. Eine tiefe, emotionale Abneigung gegen „das Internet“, befeuert von der journalistischen Filterbubble (siehe alle Titelstories zu digitalen Themen im Spiegel, Stern, etc., Bonustrack: FAZ-Feuilleton), macht den Rest.
speedracr says
Was für ein guter Artikel von Ben Thompson. Mir fiel auf, dass die Situation der Verlagshäuser in DE auch deswegen rosig erscheint, weil sie in den Hochtagen des Printjournalismus kräftig auf ihre Marke eingezahlt haben. Mittlerweile sind die Investitionen in die Marke lange abgeschrieben und würden das Printbusiness hochprofitabel machen, wenn denn nicht die Jungspunde wie Google und Facebook, siehe Thompson, die Anzeigenkunden zu sich zögen.
Dazu: Kann es sein, dass sich die Branche in DE auch deswegen im Weg steht, weil alle wichtigen Akteure so simultan in ihrer Historie sind: Alle gegründet 1947-49; nach wilden, unternehmerisch geprägten Anfangsjahren (Ha! Das waren noch Zeiten…) dann in die profitable Phase umgeschwungen; mittlerweile praktisch alle, fast klischeehaft, geprägt von ihren Grandseigneur-artigen Journalisten/Geschäftsführern?