29. März 2017 Lesezeit: 1 Min.

"Netzwerkdurchsetzungsgesetz": Es geht eben immer noch schlimmer

Joerg Heidrich, Fachanwalt für IT-Recht und seit 2001 als Justiziar und Datenschutzbeauftragter bei Heise, schreibt bei Heise über den neuen Entwurf des "Netzwerkdurchsetzungsgesetzes" vom Bundesjustizministerium, ich zitiere die wichtigste Änderung:

Neu ist allerdings, als Betroffener einer Verletzung eines "absolut geschützten Rechts" einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch geltend machen zu können. Praktisch bedeutet dies: Der Anbieter eines Blogs, Forums oder einer Social-Media-Präsenz muss dem Betroffenen ohne gerichtliche Anordnung die höchstpersönlichen Daten des Verfassers mitteilen – der dann anwaltlich abgemahnt und sogar verklagt werden kann.

Zu den "absoluten Rechten" gehören unter anderem das Persönlichkeitsrecht oder die Immaterialgüterrechte. [...]

Zukünftig kann dann also der Zahnarzt einem auf einer Bewertungsseite allzu kritischen Patienten mit teuren Abmahnungen den Zahn ziehen. Wer bei Amazon oder eBay schlecht bewertet und dabei möglicherweise allzu hart Kritik übt, muss mit teuren Anwaltsbriefen rechnen. Auch eine schonungslos offene Auseinandersetzung zwischen ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitern von Unternehmen in einem Forum dürfte nur noch eingeschränkt möglich sein – müssen doch die Teilnehmer stets damit rechnen, dass der Anbieter ihre persönlichen Daten an den Arbeitgeber herausgibt.

​In der deutschen Politik, das kennt man vom Urheberrecht, dominieren bei digitalen Themen Naivität und machiavellischer Overreach, der immer darauf spekuliert, an Brüssel und Aktivisten "Zugeständnisse" machen zu müssen. Weshalb beim ersten Gang nichts rundherum Vernünftiges vorgeschlagen werden kann.

Sicher würde man gern den völligen Verlust von anonymem Auftreten in der Online-Öffentlichkeit herbeiführen. (Auch weil es keinerlei Gespür in der Bundespolitik dafür zu geben scheint, was damit für die Öffentlichkeit verloren gehen würde.) Gleichzeitig dürfte man sich im Justizministerium bewusst sein, dass so etwas nur geringe Aussichten auf Erfolg als Gesetz hat.

Wie immer muss in Deutschland, wenn es um das Internet geht, der gesunde Menschenverstand und regulatorisches Gleichgewicht mit allen, ermüdenden Mitteln verteidigt werden. So kann eine Gesellschaft ihre Zukunft nicht aktiv gestalten.

Angesichts der seit Jahren drängenden Themen eine Farce sondersgleichen.

Und nein, auf diese Weise werden weder "Fake News" noch Hate-speech, noch russische Agenten aufgehalten.

Über den letzten Entwurf des Gesetzes hatten wir in der aktuellen Ausgabe des neunetzcasts gesprochen, die naheliegenderweise den Titel "Eine ordentliche 1984-KI" trägt.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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