Fernbusse sind eins der unerwarteten populären Phänomene der letzten Jahre. Fernbusse, und besonders Flixbus, sind so populär geworden, dass sie bei ihren Routen nicht nur der Deutschen Bahn sondern auch den alten Mitfahrservices hart zugesetzt haben.
Populäre Fernbusse sind eine unerwartete Folge des Internets und von Smartphones (und erst in zweiter Instanz der Liberalisierung des Marktes). Über das Internet lassen sich leicht Buchungen abschließen. Über das Smartphone können sich die Fahrgäste leicht vor Ort ausweisen und die Fahrer leicht die Kunden einchecken. Es mag banal erscheinen, aber diese kleinen Eliminierungen von Reibung haben Fernbusse erst zu einem lukrativen Markt gemacht. Erst mit Smartphones wurde es bequem genug für Menschen und, direkte Folge, ließen sich mehr und mehr Routen nachhaltig betreiben. Was wiederum durch die Popularität konkurrenzlos niedrige Routenpreise ermöglicht hat.
Der gleiche Effekt wie bei Carsharing und Ridesharing, nur eben für Fernstrecken.
Flixbus, das ist vielen nicht klar, arbeitet mehr als Vermittler denn als 'echtes' Busunternehmen. Lokale, kleine Busunternehmen malen ihre Busse grün an und fahren dann für Flixbus, das über seine App und Website und Marke für die Auslastung sorgt. (Auch wieder vergleichbar mit Uber, nur dass die Auftragnehmer bei Flixbus nicht Einzelpersonen sondern kleinere Unternehmen sind.) Hörenswert hierzu ist die Digital-Kompakt-Podcast-Ausgabe mit Flixbus-Gründer Jochen Engert.
Jetzt steigt Flixbus mit Flixtrain offiziell grün ins Zuggeschäft ein.
t3n:
Flixbus hatte im August 2017 die Flixtrain GmbH gegründet und die Insolvent gegangene Bahn-Alternative Locomore unter seine Fittiche genommen. Seitdem verkehren regelmäßig orangefarbene Züge zwischen Berlin und Stuttgart. Jetzt hat Flixbus angekündigt, die Zusammenarbeit auszubauen und neue Züge als Flixtrain in Flixbus-grün auf die Schiene zu schicken. [...]
Laut Flixbus-Gründer und -Chef André Schwämmlein wolle man „Flixtrain langfristig als Angebot neben dem ICE- und Intercity-Verkehr der Deutschen Bahn etablieren.“
„Wir haben seit August 2017 über 150.000 Passagiere auf der Schiene transportiert und gemerkt, dass die Züge bei den Kunden gut ankommen.“ Schwämmlein erklärte weiter, die Auslastung der Züge sei „höher als bei den Bussen“ – über Weihnachten seien die Züge nahezu ausgebucht gewesen. [...]
In den Aufbau des Flixtrain wolle das Mobilitätsunternehmen nach eigenen Angaben „einen einstelligen Millionenbetrag“ investieren. Ziel für 2018 sei es, eine halbe Million Passagiere zu transportieren.
Flixbus hat sich bereits zum größten Konkurrenten zur Deutschen Bahn entwickelt, weil es die gleichen Routen sehr viel günstiger und kurzfristiger buchbar anbieten kann. Es erfüllt den gleichen Job, nur besser. (Und die Nachteile sind die gleichen: Feste Routen, feste Zeiten.)
Busse sind schön und gut, aber in welche Richtung kann ein solches mit Risikokapital finanziertes Transportunternehmen wachsen? Internationale Expansion ist klar: Flixbus bietet laut eigenen Angaben 250.000 tägliche Verbindungen zu ca. 1.400 Zielen in 27 Ländern an.
Da der Fernbus-Job sehr nahe am Zug-Job ist, ist eine Expansion Richtung Zug ebenfalls naheliegend. Es passt zur Marke. Das Unternehmen hat bereits Einsichten in die Nachfrage von Fernrouten. Das macht die Zugplanung einfacher.
Aber: Es gibt einen Grund, warum die Deutsche Bahn kaum Konkurrenz sieht. (von traurigen, regionalen Kleinstanbietern abgesehen) Es ist der gleiche Grund, warum die Liberalisierung des Schienenverkehrs von Anfang an wenig bis keinen Sinn ergeben hat. Die Struktur des Schienenverkehrs macht es wenig tauglich für Marktansätze. Zu hohe Anfangskosten verhindern, dass ein privates Unternehmen selbst Schienen verlegen würde. Ein bereits existierendes Bahnunternehmen auf einem Schienennetz ist ein noch größerer Platzhirsch als eine Telekom, der es jedem Neuling schlicht schwer machen kann. Jedes kleine Zug-Unternehmen muss auf die eine oder andere Art mit diesem Platzhirsch zusammenarbeiten.
"Markt" und "Wettbewerb" sind keine magischen Dinge, die vom Himmel fallen, nur weil die Regierung aus einer staatlichen Struktur eine privatwirtschaftliche Struktur macht. Sie sind abhängig von Kostenstrukturen, vom Fehlen von Externalitäten usw.
Flixbus hat dank seiner starken Marke, seines großen Kundenstammes und des bereits internationalen Geschäfts Vorteile, die andere Bahn’herausforderer‘ nicht hatten.
Zu behaupten, dass Züge einfach größere Busse wären, ist natürlich trotzdem verniedlichender Unsinn. VentureBeat:
Jochen Engert, FlixBus co-founder and Managing Director. “And ultimately we believe the train is just a larger bus.”
..nicht zuletzt, da Flixbus das Bus-Franchisemodell auch bei Zügen ansetzen will:
The company will follow the same model by partnering with local train operators while hoping to use its FlixBus brand and notoriety to drive customers to the new rail service.
There have been private train companies that tried to compete,” he said. “The struggled because they couldn’t create brand awareness and couldn’t fill the trains.”
Das ist nachvollziehbar: Wer will schon Züge kaufen und warten usw.. Aber wie oben bereits angemerkt: Während es ausreichend viele Busunternehmen gibt, die als potenzielle Partner angesprochen werden können, sieht es im Bahnsektor sehr viel dünner aus. (Deshalb auch die Locomore-Übernahme, die sicher mehr als ein Testballoon war/ist. Brainfart: Flixbus kooperiert mit Locomore, siehe die FAQ von Locomore. Das ändert nichts an der Analyse: Es ist sehr ungewiss, ob Flixbus mit seinem bisherigen Modell auf dem Bahnmarkt genügend Partner finden wird.)
Flixbus wird wohl langfristig beim Zugverkehr vertikal tiefer einsteigen müssen als beim Busverkehr. Das kann durchaus sinnvoll sein. Aber es bedeutet auch höhere Kosten. (Neben dem Hinweis auf die Anschaffungs- und Wartungskosten von Zügen sei noch kurz eingeworfen, dass Busunternehmen nicht direkt die Instandhaltung der von ihnen intensiv genutzten Straßen tragen müssen. Das ist bei Zügen und Schienen ein bisschen anders.)
Interessant ist das Bus+Zug-Modell auch, weil es Flixbus -theoretisch- die Möglichkeit gibt, Routenauslastungen (und -verknüpfungen) zwischen den zwei Transportmodi intern zu optimieren. Und mehr noch: Längere (europaweite) Routen anbieten.
Die große Frage, der sich Flixbus gerade stellt, ist folgende: Sind die Unterschiede eines internetzentralen Ansatzes gegenüber den klassischen Ansätzen groß genug, um die anfänglichen Nachteile eines Zuggeschäfts auszugleichen?