22. Sep. 2007 Lesezeit: 2 Min.

FAZ verbreitet Halbwahrheiten über Facebook

Als ich die ersten Zeilen dieses äußerst fragwürdigen, heute in der faz erscheinenden Artikels las, wollte ich erst 'Lügen' in der Überschrift meines Posts schreiben. Denn im zweiten Absatz steht ein leicht verzweifelt anmutender Versuch einen kleinen Skandal herbeizuschreiben:

Und jetzt kommt es: „Facebook“ gibt seine neununddreißig Millionen Nutzer mit ganzem Profil für Google und andere Suchmaschinen frei.

Das ist natürlich maßlos übertrieben. Und das weiß Kilian Trotier auch. Denn nachdem er den aufgeschreckten FAZ-Abonnenten zum Verschütten des Morgenkaffees gebracht hat, liest dieser mit den Dritten klappernd und voller Sorgen über seine studierenden Enkel und deren Privatsphäre schließlich Folgendes:

Wer bei „Facebook“ Mitglied ist, bekommt dieser Tage eine kurze Mitteilung, die verrät, dass nun die Schleusen für die Suchmaschinen offen sind. Persönlichkeitsrechte beeinträchtige das nicht, heißt es da, schließlich können sich jeder dem Zugriff der Suchmaschinen durch eine Änderung seiner Einstellungen entziehen.

Eine niedliche Abschwächung, die mit dem vorherigen Statement nur noch so halb zusammenpasst. Und auch hier steckt wieder eine (bewusste?) Halbwahrheit drin. So hätte Trotier beim faz(!)-blog 'Netzökonom' Folgendes am 5. September (damals, Sie wissen schon, als die anstehende Facebooköffnung in Richtung Google&co News war) nachlesen können:

Nach Angaben von Facebook zeigen die sogenannten Public Search Listings nur den Namen und das Foto des Facebook-Nutzers, aber sonst keine weiteren Angaben. [..]
Suchmaschinen finden die Profile nur, wenn die Nutzer in ihren privaten Einstellungen die Option angeklickt haben, dass das Profil für alle sichtbar sein soll. Profile von Nutzern, die jünger als 18 Jahre sind, werden nicht angezeigt.

Na ei, da schau an. Das klingt aber auf einmal ganz anders, oder?

Herr Trotier sieht hier aber Methode:

Datenschutz erscheint da als Relikt aus vergangenen Zeiten, weshalb die Grundeinstellungen, die man als Nutzer vorfindet, zunächst immer auf vollständige Offenheit getrimmt sind. Wer seinen Bekanntheitsgrad einschränken will, muss die Einstellungen aktiv ändern.

Das ist schlicht falsch. In Facebook ist keineswegs alles per default auf 'kann jeder sehen' gestellt. Im Gegensatz zu Studivz und den meisten anderen SocialNetworks kann man in Facebook außerdem nicht nur sehr detailliert festlegen, was man an Informationen für das Network oder Freunde freigibt. Man kann gar für einen Teil seiner Freunde nur ein begrenztes Profil freigeben und so nochmal zwischen Bekannten und engeren Freunden unterscheiden.

Ach, das ist alles so kompliziert und ausdifferenziert, das verwässert das ganze Schwarz/Weiß-Bild, das man zeichnen wollte, gell Herr Trotier?

Okay. Schauen wir uns jetzt mal den vielerorts (zu recht) hochgelobten Newsfeed von Facebook an:

Die Startseite von Facebook zeichnet die Aktivitäten der Mitglieder für alle Freunde der jeweiligen Person minutiös nach. Sekundengenau erfahren wir, wann wer wem was geschrieben hat. Auch Unbeteiligte lesen mit.

Auch Unbeteiligte lesen mit. Das ist sogar die Zwischenüberschrift. Mal davon abgesehen, dass diese Aussage (am Ende gar bewußt?) suggeriert, dass Fremde diese Aktivitäten mitverfolgen könnten. Was falsch ist. Denn nur wen man zu seinen Freunden hinzufügt, dem gibt man damit einen Zugang zu den eigenen per Newsfeed publizierten Aktivitäten.

Also abgesehen davon wird hier außerdem ein weiterers Mal verschwiegen, dass auch die Arten der eigenen Aktivitäten, die auf der Startseite/im Newsfeed wiedergegeben werden, ebenfalls wieder einzeln an- oder abgewählt werden können. Man kann sogar einzelne Vorkommnisse löschen, wenn man das will. Das ist eine ziemlich ausdifferenzierte, weitreichende Kontrolle der Privatsphäre. In letzter Instanz kann man damit den eigenen Newsfeed auch quasi abschalten.

Und ach ja, private Nachrichten -"wann wer wem was geschrieben hat"-, die finden natürlich nie im Newsfeed statt. Und wer auf einer Wall in einem Profil was schreibt, der rechnet auch damit, dass das von Anderen gelesen wird.

In Amerika ist die Entwicklung derart fortgeschritten, dass in Sudentenkreisen nur eine auf Facebook bestätigte Beziehung auch als ernstzunehmende gilt.

(Rechtschreibfehler vom Original übernommen)
Alter Falter. Der Untergang des Abendlandes! Aber ernsthaft: are you kidding me? In welchen Dumpfbackenkreisen erfährt man denn solche hanebüchenen Details?

Yeah, Qualitätsjournalismus wie wir ihn lieben.

Und die altbekannte Moral von der Geschicht, wenn's ums Internet geht, trau den Printmedien nicht.

[tags]facebook, faz[/tags]

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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