Als ich die ersten Zeilen dieses äußerst fragwürdigen, heute in der faz erscheinenden Artikels las, wollte ich erst ‚Lügen‘ in der Überschrift meines Posts schreiben. Denn im zweiten Absatz steht ein leicht verzweifelt anmutender Versuch einen kleinen Skandal herbeizuschreiben:
Und jetzt kommt es: „Facebook“ gibt seine neununddreißig Millionen Nutzer mit ganzem Profil für Google und andere Suchmaschinen frei.
Das ist natürlich maßlos übertrieben. Und das weiß Kilian Trotier auch. Denn nachdem er den aufgeschreckten FAZ-Abonnenten zum Verschütten des Morgenkaffees gebracht hat, liest dieser mit den Dritten klappernd und voller Sorgen über seine studierenden Enkel und deren Privatsphäre schließlich Folgendes:
Wer bei „Facebook“ Mitglied ist, bekommt dieser Tage eine kurze Mitteilung, die verrät, dass nun die Schleusen für die Suchmaschinen offen sind. Persönlichkeitsrechte beeinträchtige das nicht, heißt es da, schließlich können sich jeder dem Zugriff der Suchmaschinen durch eine Änderung seiner Einstellungen entziehen.
Eine niedliche Abschwächung, die mit dem vorherigen Statement nur noch so halb zusammenpasst. Und auch hier steckt wieder eine (bewusste?) Halbwahrheit drin. So hätte Trotier beim faz(!)-blog ‚Netzökonom‘ Folgendes am 5. September (damals, Sie wissen schon, als die anstehende Facebooköffnung in Richtung Google&co News war) nachlesen können:
Nach Angaben von Facebook zeigen die sogenannten Public Search Listings nur den Namen und das Foto des Facebook-Nutzers, aber sonst keine weiteren Angaben. [..]
Suchmaschinen finden die Profile nur, wenn die Nutzer in ihren privaten Einstellungen die Option angeklickt haben, dass das Profil für alle sichtbar sein soll. Profile von Nutzern, die jünger als 18 Jahre sind, werden nicht angezeigt.
Na ei, da schau an. Das klingt aber auf einmal ganz anders, oder?
Herr Trotier sieht hier aber Methode:
Datenschutz erscheint da als Relikt aus vergangenen Zeiten, weshalb die Grundeinstellungen, die man als Nutzer vorfindet, zunächst immer auf vollständige Offenheit getrimmt sind. Wer seinen Bekanntheitsgrad einschränken will, muss die Einstellungen aktiv ändern.
Das ist schlicht falsch. In Facebook ist keineswegs alles per default auf ‚kann jeder sehen‘ gestellt. Im Gegensatz zu Studivz und den meisten anderen SocialNetworks kann man in Facebook außerdem nicht nur sehr detailliert festlegen, was man an Informationen für das Network oder Freunde freigibt. Man kann gar für einen Teil seiner Freunde nur ein begrenztes Profil freigeben und so nochmal zwischen Bekannten und engeren Freunden unterscheiden.
Ach, das ist alles so kompliziert und ausdifferenziert, das verwässert das ganze Schwarz/Weiß-Bild, das man zeichnen wollte, gell Herr Trotier?
Okay. Schauen wir uns jetzt mal den vielerorts (zu recht) hochgelobten Newsfeed von Facebook an:
Die Startseite von Facebook zeichnet die Aktivitäten der Mitglieder für alle Freunde der jeweiligen Person minutiös nach. Sekundengenau erfahren wir, wann wer wem was geschrieben hat. Auch Unbeteiligte lesen mit.
Auch Unbeteiligte lesen mit. Das ist sogar die Zwischenüberschrift. Mal davon abgesehen, dass diese Aussage (am Ende gar bewußt?) suggeriert, dass Fremde diese Aktivitäten mitverfolgen könnten. Was falsch ist. Denn nur wen man zu seinen Freunden hinzufügt, dem gibt man damit einen Zugang zu den eigenen per Newsfeed publizierten Aktivitäten.
Also abgesehen davon wird hier außerdem ein weiterers Mal verschwiegen, dass auch die Arten der eigenen Aktivitäten, die auf der Startseite/im Newsfeed wiedergegeben werden, ebenfalls wieder einzeln an- oder abgewählt werden können. Man kann sogar einzelne Vorkommnisse löschen, wenn man das will. Das ist eine ziemlich ausdifferenzierte, weitreichende Kontrolle der Privatsphäre. In letzter Instanz kann man damit den eigenen Newsfeed auch quasi abschalten.
Und ach ja, private Nachrichten -„wann wer wem was geschrieben hat“-, die finden natürlich nie im Newsfeed statt. Und wer auf einer Wall in einem Profil was schreibt, der rechnet auch damit, dass das von Anderen gelesen wird.
In Amerika ist die Entwicklung derart fortgeschritten, dass in Sudentenkreisen nur eine auf Facebook bestätigte Beziehung auch als ernstzunehmende gilt.
(Rechtschreibfehler vom Original übernommen)
Alter Falter. Der Untergang des Abendlandes! Aber ernsthaft: are you kidding me? In welchen Dumpfbackenkreisen erfährt man denn solche hanebüchenen Details?
Yeah, Qualitätsjournalismus wie wir ihn lieben.
Und die altbekannte Moral von der Geschicht, wenn’s ums Internet geht, trau den Printmedien nicht.
[tags]facebook, faz[/tags]
Marcel Weiß says
Lustig auch, wenn dem Autor völlig die Ironie entgeht, wenn er die Facebookplattform, die zweifellos die wichtigste und weitreichendste Entwicklung 2007 im Internet gewesen sein wird, mit den Neuerungen bei Studivz vergleicht und nicht sieht auf welch unterschiedlichen Leveln die Tätigkeiten sich mittlerweile abspielen:
Ja, quantitativ kommt man da nicht mit. Qualitativ..
(Bin ich eigentlich der Einzige, der bei diesem Vergleich unweigerlich anfängt, das studivz-Team auszulachen? yahoo-suche? IM? Jungs, übernehmt Euch nicht.)
Man müsste ein Watchblog starten, in dem man regelmäßig die Artikel zum Internet in faz, sz und co auseinandernimmt. Was dort permanent an Stuß verbreitet wird, ist ja nicht mehr lustig. Finden die niemanden, der sich damit auskennt?
(musste nur mal noch raus)
Matthias says
Du sprichst, äh schreibst mir aus der Seele!
Heute nachmittag habe ich nämlich die FAZ gelesen (was ich bisweilen Samstags tue, und zwar ein Printexemplar) und mich doch sehr gewundert ob des Artikels über Facebook und StudiVZ (und Google).
Entlarvend und peinlich, mehr lässt sich dazu nicht sagen. Wenn diese Zeitung so weiter macht, wird sie bald nur noch von Rentnern (ohne Internet-Anschluss) gelesen…
Hendrik says
Es mag sein, dass wir „alten Internethasen“ kein Problem haben, die Einstellungen bei Facebook richtig zu bedienen. Aber glaubt mir, es gibt viele treu-naive Leutchen in unserem Alter, die dazu nicht in der Lage sind. Wenn ich dann mal sage „du weißt schon, dass den Wall jeder lesen kann?“ – „Was?“ – Und dass „Real-Life-Beziehungen“ eine starke Facebook-Komponente bekommen haben, ist auch richtig. Also, wenn auch nur ein Opa seiner Enkeltochter mal ein wenig Facebook-Skepsis einimpft, dann ist schon etwas gewonnen ;-) Nein, also irreführende Artikeleinleitungen sind natürlich Käse. Aber das von Dir verworfene Schlagwort „Lügen“ wäre maßlos übertrieben gewesen.
Marcel Weiß says
Matthias: ist das mit den Rentnern nicht jetzt schon zum großen Teil so? ;)
Hendrik: Der Artikel ist von Halbwissen und Halbwahrheiten einfach nur so gespickt, und im Großen einfach nur ärgerlich. Was ich gern gelesen hätte beispielsweise: „Man kann in Facebook zwar die Einstellungen zur Privatsphäre sehr detailliert vornehmen, leider sind diese teils unintuitiv und kompliziert zu bedienen.“ Das wäre zwar unspannend aber wahr gewesen.
Lügen-deswegen hab ich’s ja auch wieder verworfen. :)
Franz Patzig says
Das stimmt mit dem Rechtschreibfehler: Eigentlich soll es Sudetenkreise heissen :)
Ich habe den Artikel auch gelesen und warte jetzt auf die Post von Facebook. Ich bin tatsächlich gespannt, ob es sich letztendlich darstellt, wie es im Artikel zu lesen war:
Ich habe mir die Privacy Einstellungen noch mal angesehen und auch das öffentliche Profil. Das neue soll ja auch erst kommen. Mal abwarten.
paulinepauline says
ist das so? bei der einführung des newsfeeds kam es doch zu den krassen protesten, weil die leute ziemlich planlos jeden auf ihre freundesliste aufgenommen hatten, der ihnen mal irgendwo auch noch so belanglos übern weg gelaufen war. und sie konnten sich meist schon gar nicht mehr erinnern, wen sie alles in ihrer freundesliste hatten.
Darian says
Dass die Suchfunktion fehlt wird wohl daran liegen, dass man bei dem User eine allzu hohe Erwartungshaltung bzgl. der Auswahl an Titeln verhindern möchte. Zu dem hat die Auswahl an Interpreten den Vorteil, dass der Betreiber zumindest, wenn auch pi mal daumen, die Bandbreite abschätzen kann.
paulinepauline says
ist das so? bei der einführung des newsfeeds kam es doch zu den krassen protesten, weil die leute ziemlich planlos jeden auf ihre freundesliste aufgenommen hatten, der ihnen mal irgendwo auch noch so belanglos übern weg gelaufen war. und sie konnten sich meist schon gar nicht mehr erinnern, wen sie alles in ihrer freundesliste hatten.