Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Email eines Startups, in der keine weiteren Angaben zum eigenen Webservice stand:
Als Experte im Bereich
> Internet und Web 2.0 ist uns Ihre Meinung zu dieser Plattform wichtig.
>
> Vielleicht haben Sie Lust, Nutzerfreundlichkeit, Funktionalität und Design
> zu testen und uns zu sagen, was Sie von diesem neuen Angebot halten?
>
> Bitte signalisieren Sie mir kurz, ob Sie Interesse haben. Falls ja, sende
> ich Ihnen ausführliche Informationen und einen Link zum Produkt.
Woraufhin ich antwortete:
sehr gern schau ich mir mehr Material zu Ihrer Seite an. Ob ich aber
darüber schreiben werde oder Ihnen Feedback geben kann, kann ich vorher
nicht sagen. Meine Zeit ist leider eng bemessen.
Mit dieser Vorabselektion glaubte man wohl, an die „Richtigen“ zu kommen.
Denn daraufhin bekam ich eine Email, bei deren Lektüre mir meine Kinnlade fast das Parkett zerstört hätte:
Wenn Sie Ihren Beitrag zu [Dienst xy] mit einem entsprechenden Link gleich in
Ihrem Blog veröffentlichen, leisten Sie einen wichtigen Beitrag, um
Vertrauen bei potenziellen Interessenten zu schaffen.Bitte teilen Sie mir mit, wie viele unique visitors/Besucher Ihr Blog am
Tag, pro Woche bzw. pro Monat hat.
So weit, so unangebracht.
Der wahre Hammer folgt aber erst noch:
In diesem Zusammenhang möchte ich anfragen, ob Ihr Blog bereits ein Google
Analytics Tool hat. Sollte dies der Fall sein, würde ich gerne wissen, ob es
möglich wäre, wenn Sie einen eingeschränkten Zugang für uns einrichten
könnten.Sobald Sie Ihre Meinung in Ihrem Blog veröffentlicht und uns einen
entsprechenden Link zugesendet haben, erhalten Sie von uns ein kleines
Dankeschön. Wählen Sie einfach eines der folgenden Präsente aus: iPOD
shuffle, USB-Stick 2 GB oder Trekkingrucksack.
(Hervorhebung von mir)
Unfassbar.
Wen glaubt der Herr eigentlich vor sich zu haben? Ich schreibe hier doch nicht über Webseiten als Gegenleistung für Bestechungsgeschenke!
Und warum soll ich unterwürfig Daten meines Blogs weitergeben? Und gleich einen eingschränkten GoogleAnalytics-Zugang für einen dahergelaufenen Gründer, mit dem ich eine kurze Mail getauscht habe? Herrimhimmel.
Diese zweite Email war vor allem eins: Eine Beleidigung.
Ich schreibe über Webseiten, zu denen ich etwas zu sagen habe. Startups sind explizit eingeladen, sich bei mir zu melden (marcel at neunetz.com). Je besser ihr Produkt, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Artikels dazu -should go without saying-.
Solche schmierigen Aktionen funktionieren hier nicht. Im Gegenteil.
Gleich noch eine Lektüre für’s Leben frei Haus: Solche Dinge mögen früher funktioniert haben, kommen heute aber fast immer ans Tageslicht.
Anmerkung: Da ich nicht weiß, wie das rechtlich ausschaut, habe ich den Namen des Webdienstes weggelassen.
Nur noch so viel zum Abschluss, Freunde der leichten Unterhaltung: Jedes Blog, das die nächsten Tage über die auf diese Weise an mich herangetragene Seite ein vermeintlich unabhängiges Review verfasst, fliegt hochkant aus meinem Feedreader.
Matthias says
Na so was! Mich haben sie auch angeschrieben und die gleiche Auswahl an Geschenken angeboten. Ich habe heute über Google versucht herauszufinden, welches Portal man denn da besprechen sollte, habe aber nix eindeutig Passendes gefunden. Weißt Du für wen die Agentur unterwegs ist?
Marcel Weiß says
Ja, in der zweiten Mail befand sich ein Link zur Seite und weitere Infos.
Carsten Pötter says
Mensch Marcel, Du bist aber kleinlich! Ist doch nur der Google Analytics Account und die haben doch wirklich nett gefragt. Ich bin mir sicher, dass das nicht alle Blogger so eng sehen wie Du. ;)
Martin says
Haben die Mail auch bekommen. Unglaublich, wie tölpelhaft manche sich anstellen.
paulinepauline says
ich hoffe mal nicht, dass ich unwissentlich über diese seite bloggen werde ;)
das ist ja wirklich schier unglaublich! und ich reg mich schon über pressemeldungen „mit der bitte um veröffentlichung“ auf! *kopfschüttel*
Tobias says
muss ich jetzt beleidigt sein, dass die mich NICHT angeschrieben haben? ;-)
Marcel Weiß says
Danke Euch allen. :)
paulinepauline: Keine Sorge, das ist eher unwahrscheinlich. Glaub mir.
Tobias: Also ich hätte auf die Mail verzichten können. ;)
Bleibt die Frage, wie solche Menschen Blogs im Allgemeinen wahrnehmen und wie sie dazu überhaupt gekommen sind. Man würde doch keinem Journalisten, den man gar nicht einschätzen kann weil man noch nie Kontakt vorher zu ihm hatte, so ein Angebot vor die Füsse klatschen. Die Gefahr der öffentlichen Bloßstellung muss doch bewusst sein.
Das verzerrte Bild, dass sich mir in der zweiten Mail offenbarte, lies mich die letzten zwei Tage ganz schön grübeln.
Daniel Thomaser says
Ach du solltest da nicht so lange drüber nachgrübeln.
Das ist kein Phänomen, das sich auf Blogs beschrenkt, sondern schlicht und ergreifend Dummheit/Naivität/Grobheit einzelner Personen. Die gibt es in allen Teilbereichen des (Geschäfts-)Lebens.
Ich denke da kann jeder eine unendlich lange Leidensliste vortragen ;o)
paulinepauline says
ich hoffe mal nicht, dass ich unwissentlich über diese seite bloggen werde ;)
das ist ja wirklich schier unglaublich! und ich reg mich schon über pressemeldungen „mit der bitte um veröffentlichung“ auf! *kopfschüttel*