Goldfisch: „Facebook nicht mehr spannend“
Shinyshinyshiny.
Das Einzige, was in der Gunst von Techbloggern ebenso hoch steht wie ein Scoop ist a shiny new thing zum Drüberbloggen.
2006 war die Hochzeit für diese aufregenden neuen Dinge, neue Konzepte an jeder Ecke. Wortwörtlich an jedem Tag fand man auf Techcrunch das Review eines Webdienstes, der neu und aufregend anders war (Die Älteren mögen sich erinnern: Es war die Zeit als Arrington TC noch allein betrieb und es tatsächlich um Webstartups ging und nicht um Microsoft-Deals und dergleichen). Es war die Zeit, in der Dienste wie Techmeme, netvibes, digg, del.icio.us und unzählige andere entweder starteten oder groß wurden.
Wenn ich jetzt lese, dass facebook ein bisschen langweilig geworden ist, kann ich dem nicht widersprechen. facebook hat 2007 mit der Öffnung seiner Plattform das Thema des Jahres bestimmt. Und allen gezeigt, wo die Reise hingehen wird.
Jetzt machen sie kleine(re) Schritte. Weniger aufregend, weniger spannend.
Aber ist das wichtig? Es macht mehr Spass, über spannende Dinge zu schreiben. Aber sind die ‚unspannenderen‘ Dinge plötzlich nicht mehr signifikant?
Die Relevanz liegt oft nicht mehr so offensichtlich an der Oberfläche zum Greifen bereit. Und alles klingt weniger spannend. Man muss schon etwas genauer hinschauen bisweilen.
Ein Beispiel?
Facebooks Friend Connect in Verbindung mit der iPhone-Plattform . Wie langweilig. Oh rly? In ein, zwei Jahren kann das zu einer Explosion an location based Services führen, weil die Hemmschwelle so weit wie möglich damit abgesenkt wird: Ein auf die mobile Nutzung des Webs zugeschnittenes Gerät in Verbindung mit einer Plattform für Applikationen und einem Instant-Social-Graph vom der Welt größten Social Network. Local Web ick hör dir trapsen.
Noch etwas, das mir zunehmend auf den Keks geht: Niemand in der Techblogosphäre scheint sich mehr darum zu kümmern, welche technischen Leistungen im Hintergrund erbracht werden. Twitterbashing zum Beispiel ist leicht, wenn man keinen Gedanken mehr an die technischen Herausforderungen verschwendet.
Und Facebook etwa hat im Hintergrund etwas Beachtliches geschaffen. Sie haben eine Plattform für unzählige Millionen von Nutzern geschaffen, welche von Drittanbietern auf eine tiefgreifende Weise in Anspruch genommen werden kann. Und das alles ohne signifikante Ausfälle oder Instabilität. Etwas, das selbst Google(!) bis heute nicht hinbekommen hat. OpenSocial ist nach wie vor mehr ein Witz als alles andere. Nur um das nochmal zu wiederholen: Ein Startup hat etwas geschaffen, was der Elefant Google selbst nach bald einem Jahr nicht auf die Reihe bekommt. Und sie entwickeln sich weiter -> Das größte Social Network der Welt. Die am weitesten entwickelte Plattform. Und jetzt Friend Connect.
Nicht spannend my ass.
Lesenswert:
und on related news:
Goldfisch: „Das muss sofort krachen, muss das!“
Die Leute, die sich am Launchtag(!) eine neue Suchmaschine (siehe Artikel auf netzwertig.com als nüchternes Beispiel) anschauen, und wie 14-jährige „Fail!“ rufen, weil noch nicht alles so klappt, wie man das vom Marktführer gewöhnt ist, haben bei ihrem ersten Besuch auf Google wahrscheinlich auch höhnisch gelacht und sich wieder altavista zugewandt, nicht aber bevor sie nicht jedem erzählt haben, was für’n Scheiß diese neue Suchseite mit dem komischen Namen doch ist.
Ob Cuil in naher Zukunft schon wieder vergessen ist oder ob es in einem Jahr anfängt, für Kopfschmerzen bei den Leuten im Googleplex zu sorgen? Who knows.
Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich: Man wird bestimmt keine Erkenntnis darüber am Launchtag mit einer Handvoll Searchqueries erlangen.
Nach dem eigenen Namen suchen, nichts finden, FAIL rufen und bloggen „guckt mal! was für’n scheiß!“, ist, sorry, das typische deutsche Blogosphärenkindergartengehabe für das man sich nur fremdschämen kann.
Ich empfehle stattdessen allen Beteiligten folgende Lektüre: Can Cuil, Built for the Long-Term, Win the „Instant Analysis“ Battle?
Was ich eigentlich sagen wollte:
Mir geht diese oberflächliche Attentionspan-like-a-Goldfish-Mentalität gehörig auf den Keks.
Jeriko says
Sicher könnte ich es auch differenzierter ausdrücken: Beispielsweise, dass die Anzahl der erfassten Seiten völlig uninteressant ist, schließlich weiss ich nicht, wieviele Linkfarmen, Spamseiten etc. damit ebenfalls erfasst wurden, um am Ende kommt es trotzdem nur auf die Qualität der Suchergebnisse an.
Ich könnte auch damit anfangen, dass die Ergebnisseite vom Aufbau suboptimal ist, erschwert sie durch die mehrspaltige Ansicht doch massiv das Scannen. Was bei einer Bildersuche noch gut funktonieren mag, kann bei reinem Text auch mal in die Hose gehen.
Ich könnte auch, wobei das pikiert wäre, die nicht vorhandenen Einstellungsmöglichkeiten sowie die zur Zeit fast ausschließliche Begrenzung auf den englischsprachigen Raum (was die These, dass in deren Index haufenweise Schrott ist, nur stützt) anmerken, allerdings kann man das auch wirklich auf das Alter von Cuil beziehen.
Das Alleinstellungsmerkmal von Cuil ist im Moment der Datenschutz, abgesehen davon ist es nur eine weitere Suchmaschine, die, und das ist einfach mal meine Annahme, Google keine allzu große Sorgen machen dürfte – heute nicht, und in einem Jahr auch nicht.
Ja, all das hätte ich schreiben können. Da ich aber schon lange kein wirklicher Techblogger im „klassischen“ Sinne mehr bin und es im Gegenteil eher kritisch sehe, wenn bereits am Launchday irgendwas in den Himmel gejubelt wird, hats für mich auch ein einfaches „Fail“ getan. Danke, dass du mir trotzdem so viel Relevanz zusprichst, als das diese Aussage Gewicht hätte, und weiterhin viel Spaß beim Schämen.
marcel weiss says
Das sind fast alles Argumente, die ich so auch unterschreiben würde. Das wäre ein guter Blogartikel gewesen. :)
Cuil wurde, soweit ich das überblicke, nicht gerade mit Jubel überhäuft. Es wurde im Gegenteil hier in Dtl und in den USA recht heftig kritisiert. Dass Cuil so viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt mehr am Team dahinter (Ex-Google, Suchmaschinenexperten).
Was mich störte und mir vermehrt auffällt, ist eine oberflächliche Kakophonie in Blogs hier wie drüben. Ich bin nicht der Meinung, dass es irgendein Erkenntnisgewinn ist, wenn man schreibt „findet xy nicht!elf fail!zwölf“. Das sagt über Cuil und dessen Zukunft genau gar nichts aus (siehe hierzu auch Wikia-Launch). Dass ich Dich und Rene rausgepickt habe, war mehr Zufall als gezielte Beleidigung oder Relevanzzuspruch. :)
Nils Hitze says
Ich unterschreib dir das. Deinen Beitrag und deine Meinung zu cuil. Hab's auch angewählt und angeekelt gedacht: Geht nicht, suckt, fertig. Aber ging dann später doch ganz gut und die Oberfläche ist halt mal was anderes. Ist halt einfach kein Google. Ich bin jedenfalls gespannt wo die Reise hingeht.
malte says
vlt ist das altes denken, aber sollte ein produkt, wenn es auf den markt kommt, nicht ansatzweise funktionieren? reicht es denn, wenn porsche ein neues auto hinstellt und sagt, der tank habe eine größere reichweite als ein jumbo – nur fahren kann man blöderweise noch nicht? dazu kommt doch: ich weiß, dass es jetzt nicht funktioniert. soll ich also so lange alle paar wochen mal reinschauen, bis ich überraschenderweise etwas finde?
marcel weiss says
Cuil hat beim Launch eine Menge Mist vorgelegt, klar. Dass Cuil nicht ansatzweise funktionieren würde, ist aber übertrieben. Die Bilderzuordnung ist Unsinn, davon sollte man sich aber nicht allein leiten lassen. Und wenn eine Suchmaschine mit zunächst dem Schwerpunkt auf englischsprachigen Seiten startet, ist es wenig verwunderlich, wenn Deutsche bei ihrer Egosearch nichts oder wenig finden.
Ich will Cuil nicht verteidigen, es gehört kritisiert. Aber was mir aufstösst, ist das völlige Fehlen von Reflektion und Relativierung. Cuil – und jede andere alternative Suchmaschine – kann zum Launch nicht dort sein, wo Google nach 10 Jahren jetzt ist. Warum kann man als Blogger nicht sagen „Ja, gut, das war jetzt kein Homerun. Aber das kann ja noch werden. Rom, nicht an einem Tag, usw.“. „FAILelf“ knallt mehr, klar. Reflektion würde mir trotzem bisschen mehr gefallen. Und eine gesunde Einschätzung der eigenen Erwartungshaltung. Nicht das beste Beispiel, aber trotzdem: Würde wikipedia heute bei null starten, würden auch alle „fail“ rufen.
Sollst Du jetzt alle paar Wochen reinschauen, ob's besser geworden ist? Nur wenn es Dein Job ist, über solche Sachen zu schreiben. :)
(on a sidenote: ich suche jeden Werktag für netzwertig.com für die linkwertig-Serie nach lesenswerten, verlinkbaren Texten. Es hat einen Grund, warum ich oft gezwungen bin, auf englische Texte zu verweisen, obwohl ich eigentlich Texte auf deutsch vorziehen würde.)
Liebesgedichte says
Cuil ist halt auch einfach gelöst wie Google. Eine leere Seite mit nem Search-Balken, aber das Problem bei dieser Suchmaschine wird sein, dass sie halt total schwer eine Etablierung bewirken kann. Google ist die größte Metasuchmaschine, die es gibt, ist genau genommen ein Standard im Search Engine Bereich und fest am Markt positioniert. Ich denke, dass es Cuil sehr schwer haben wird, Erfolg zu erwirtschaften. Jeder heutzutage verlässt sich auf Google und jeder verwendet Google. Google ist und bleibt die Nummer 1. Der einzige Pluspunkt, den Cuil gegenüber Google hat ist jener, dass man mit Cuil aufgrund des schwarzen Hintergrunds, gaaaaanz viel Strom sparen kann. *ggggggggggg*