8. Mai 2009 Lesezeit: 2 Min.

Die Veränderung des Kuchens

Es folgt ein Kommentar, den ich in den Kommentaren zu meinem aktuellen Artikel "Der Kampf der Geschäftsmodelle" auf netzwertig.com abgegeben habe:

Ich sehe mich nicht als Friedman-Jünger. Ich bin nicht der Ansicht, dass der Markt schon alles richten wird, wenn man ihn nur schön allein lässt. Ich bin auch nicht für ein unreguliertes Internet (das wäre ja dann der "rechtsfreie Raum"). Aber: Das Internet hat die letzten 10 Jahre gezeigt, dass es am besten funktioniert, wenn alle Partizipienten theoretisch die gleiche Ausgangslage haben. Offenheit bedeutet ja letztlich Chancengleichheit. Die Innovationsexplosion - Wikipedia, Google, Blogosphäre etc. - wäre ohne die Offenheit und ihre Chancengleichheit nicht möglich gewesen.

Ich betrachte diese Thematiken immer unter dem Gesichtspunkt, welche Alternative gesamtgesellschaftlich am meisten Sinn ergibt. Das heißt, welche Rahmenbedingungen erzeugen das beste Ergebnis. Das ist in der Regel - zumindest bei digitalen Gütern - ein eher behutsam regulierter Markt. Nicht zuletzt auch, weil die heutzutage angedachten Regulierungen eh nicht funktionieren und Marktteilnehmer nur unnötig kriminalisieren.

Und der "erhebliche Einkommensverlust von Musikern und Journalisten"? Den sehe ich auch nicht unbedingt. Der Kuchen verändert seine Form und die Kuchenstücken werden neu verteilt. Wird der Kuchen dabei automatisch kleiner? Nein. In manchen Bereichen vielleicht ja, das kann man aber nicht a priori in allen Bereichen so annehmen. Für die gesellschaftlich wichtigen Gruppen, also die, die Inhalte erstellen, würde ich sogar eher das Gegenteil annehmen. Denn die Umverteilung geht langfristig in ihre Richtung.

Das Problem ist, dass wir uns aktuell in der Umbruchsphase befinden, in der die neuen Strukturen noch fehlen. Die Reallokation führt aktuell zu suboptimalen Ergebnissen. Auch weil die alten Platzhirsche neue Strukturen unterbinden (siehe etwa Musikindustrie und Online-Musiklizenzen).
Künftig werden etwa weit mehr Musiker weit besser von der Musik leben können als heute. Warum? Bessere Allokation der Ressourcen. Einfacheres Erreichen der Fans. Wegfall des Großteils der Mittelsmänner. Es gibt ja bereits heute Musiker, die mit den neuen Formen recht gut im Geschäft sind. Da sehe ich nichts von geringeren Einnahmen. Man muss die Möglichkeiten nur nutzen, statt sie zu bekämpfen.

Die einzigen, die verlieren, sind die nicht mehr benötigten Mittelsmänner. Und genau die sind es, die aktuell um jeden Preis versuchen, ihren Untergang zu verhindern. Aber das macht das Internet ja schon immer: Mittelsmänner unnötig machen.

Abschließend zwei Beispiele: Craigslist hat in den USA die Kleinanzeigeneinnahmen den Zeitungen abgenommen. Hätten die Verleger den Braten frühzeitig gerochen, hätten sie wahrscheinlich gefordert, Craigslist zu verbieten, zu besteuern, die Verlage zu entschädigen oder ähnlich zu strangulieren. In Dtl. würde das genauso stattfinden, gebe es einen ähnlich erfolgreichen Dienst.

Oder Googles Adsense/Adwordprogramm: Hat mittels Automatisierung den Vermarkter ausgeschlossen und mit den damit verbundenen Kosteneinsparungen völlig neue Märkte für das eigene Werbeprogramm erschlossen, weil damit Publisher und Werbekunden aus dem Long Tail ansprechbar wurden.

Beide, Google und Craigslist, haben damit neue Märkte erschlossen und zumindest im Fall Craigslist nebenbei dabei (unbeabsichtigt) geholfen, eine gesamte Industrie ins Straucheln zu bringen. Frage: Wäre die (US-)Gesellschaft ohne Craigslist und Adsense besser dran? Ich für meinen Teil zumindest würde das stark bezweifeln. Das die, deren Felle wegschwimmen (die überflüssigen Mittelsmänner) anders argumentieren, überrascht nicht. Man sollte ihnen nur nicht auf den Leim gehen. :)

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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