Leander Wattig, Berater in der Buchbranche, spricht einen wichtigen Punkt an, wenn er darauf hinweist, dass der digitale Buchmarkt sich anders entwickeln wird als zum Beispiel die digitale Musikbranche:
Dabei wird der Buchmarkt gern mit dem Musikmarkt verglichen und auch ich nutze diesen Vergleich öfter. Ich glaube aber, wir müssen in der Buchbereich stärker differenzieren als im Musikbereich. Der Musikmarkt der Zukunft zerfasert viel weniger als der Buchmarkt der Zukunft. Bei Musik geht es am Ende doch meist um Audio-Clips von ein paar Minuten Länge. Das Buch von morgen hat 1.000 unterschiedlich Ausprägungsformen und die Entwicklungen in der Belletristik sind wesentlich andere als die im Bereich der Fachinformation. In der Belletristik geht es um die Erzeugung von Erlebnissen und im Fachmarkt um die konkrete Problemlösung. Zudem verschwimmen die Grenzen zunehmend u.a. hin zur Software-/Games-Branche.
Bei allen vergleichbaren Entwicklungen, und da gibt es einige:
Buchbranche, Musikbranche, Presse und Film, diese Bereiche, die von der Digitalisierung teilweise heftig getroffen werden, werden sich in Folge ihrer Transformation in ihren Prozessen und Branchenstrukturen weiter von einander entfernen als sie sich in der industriellen Gesellschaft von einander unterschieden.
Der Grund liegt in der Loslösung der immateriellen Güter von ihren physischen Trägern (Papier, CD, DVD, etc.). Das beendet das Bewegen von Containern und öffnet Wege, die in der Regel eher abseits der Simulation des Analogen liegen. Und diese Wege sehen für jede Branche ein Stück weit anders aus.
In der Buchbranche geht es zum Beispiel um Text. Text ist weitaus stärker entbündelbar und als Form/Gefäss veränderbar als die kleinste handelbare Einheit in der Musik. Und das wird auch dazu führen, dass die Wege der Belletristik in andere Richtungen gehen werden als die Wege für den Fachbuchbereich. In ein paar Jahrzehnten könnten die Unterschiede groß genug geworden sein, so dass man eigentlich gar nicht mehr von der gleichen Branche sprechen wird.
Nur eine Gemeinsamkeit aus der Vergangenheit bleibt die gleiche: Man kann nur knappe Güter verkaufen.
Leander Wattig says
Der Börsenverein würde offiziell jetzt einwenden, dass es nicht nur um Text, sondern um das „Prinzip Buch“ geht ;))
Ein Begriff, bei dem viele in der Branche aufstöhnen. Ich zumindest, weil es die Zukunft mit Orientierung auf die Vergangenheit zu beschreiben versucht.
Steffen & Lars Popp says
ui, als ich meine 2cent dazu schrieb, hatte ich diesen beitrag noch nicht gesehen. geht in etwa in die gleiche richtung. dass form/gefäss im textbereich eben viel veränderbar wäre, böte eben jetzt auch die chance, den wandel auch von autorenseite ästhetisch wie inhaltlich mit voranzutreiben. damit das nicht immer nur allein an der frage hängen bleibt, wie die macht über die „container“ sich neu verteilt.
Freue mich auf Reaktionen zu „Das UNsoziale Buch – Ein Einwurf zur E-Book-Kontroverse“: http://www.popp-art.com/node/2…
Steffen & Lars Popp says
ach so und: das „prinzip buch“ als warnung des bevorstehenden untergangs des abendlandes herhalten muss (damit also alles beim alten bleiben kann), ist natürlich quatsch. „text“ allein ist mir aber wieder viel zu wertneutral. das ist dann wieder einfach nur „content“. der ist aber auch in der digitalen zeit nicht völlig unabhängig von seinem container. darum kann es nicht schaden, sich zumindest nicht vorschnell und ohne vorbehalte von prinzipen loszusagen, die auch noch einen anderen mehrwert haben als nur value for money
TheEconomicScribbler says
Das ist richtig. Allerdings sind Bücher bzw. Texte durchaus knappe Güter, auch wenn sie nicht-rivalisierend konsumierbar sind. Entscheidend für die Frage nach der „Knappheit“ ist immer, ob die Güter einfach „da sind“, oder erst (unter einem Aufwand größer Null) produziert werden müssen. Ich denke letzteres gilt für Texte.