Hajo Schumacher auf Spiegel Online:
Warum regen wir uns über fragwürdige Beschäftigungsverhältnisse von thüringischen Friseurinnen auf, übersehen aber die Lagerarbeit bei Foxconn?
Jeder Smartphonehersteller darf Foxconn als Zulieferer zählen. Foxconn steht aufgrund seiner auch für chinesische Verhältnisse enormen Größe seit langem unter kritischer Beobachtung auch ausländischer Medien. Chinesen stehen übrigens Schlange, wenn Foxconn neue Jobs ausschreibt. Vielleicht ist Foxconn im Kontext doch nicht der Teufel, auch wenn es so schön in die Narration passen würde.
Warum bilden wir uns verbissen ein, Apple habe etwas mit kalifornischer Freiheit zu tun, obgleich das System auf Abhängigkeit und Drangsalierung angelegt ist?
Apples iPhone war auch erfolgreich, weil der Appstore etwas geschafft hat, was Nokia und Co. vorher nicht auf die Reihe bekommen haben: Es hat ein Angebot geschaffen, dass es Entwicklern sehr einfach macht, ihre Applikationen an den Smartphonebesitzer zu bringen. Wer vorher mobile Apps verbreiten wollte, musste je nach Betriebssystem die jeweiligen Gatekeeper der Mobilfunkbetreiber bestechen oder darauf hoffen, dass die Nutzer umständliche Installationsprozeduren über sich ergehen lassen.
Nein, es passt nicht in die Narration von der einengenden Apple-Diktatur, aber der Erfolg von iOS basiert auch darauf, dass mehr Freiheiten für ein potentielles Ökosystem geschaffen wurden, als vorher im Markt existierten.
(Und ja, dass die erste Iteration von iOS ohne native Apps auf den Markt kam und Steve Jobs erst vom Appstore-Konzept überzeugt werden musste, darf im Nachhinein schmunzelnd wahrgenommen werden.)
Warum regen wir uns über ein paar Cent Energiekosten auf, löhnen aber bereitwillig Mondpreise für den Elektroschrott von morgen?
Marktwirtschaft, Preissensitivität.
Und wie kann man sich über Beschiss eines x-beliebigen Strukturvertriebs für Immobilienfonds empören, wenn man einmal Apples Stecker-Tricksereien kapiert hat?
Was meint er? Dass Apple 2012 seine Stecker für iPods und die iOS-Produktlinie zum ersten Mal seit 2003(!) erneuert hat, weil die veralteten Stecker verhindert haben, das iPhone schmaler zu machen?
Hajo Schumacher bezeichnet seine Kritiker präventiv als Apple-Jünger und vergleicht sie präventiv mit Mullahs. Wer seine Leser so emotional beschimpft, sollte sich nicht über die Reaktion wundern. Die Reaktion wird dann wieder als Beweis dafür herhalten, wie emotional Apple-Nutzer doch sind, wenn die SPON-Redaktion in naher Zukunft wieder Herrn Schuhmacher losschickt, um möglichst viele Pageviews aus Applebashing herauszupressen.
Es sind Artikel wie jener auf SPON, die niemanden klüger machen. Sie sind leider allzu üblich hierzulande.
Apple selbst, das nicht nur das an der Börse wertvollste Unternehmen der Welt ist, hat eine kritische Begleitung verdient. Nicht zuletzt weil Apples Produktion laut Analyst Horace Dediu sich mittlerweile in den Dimensionen eines Flugzeuträgers pro Quartal bewegt. Gemeinsam mit Samsung, das noch weniger Beachtung erhält, ist Apple gerade dabei, die Grundlage für die Zukunft unserer Zivilisation zu legen.
Die deutsche Presse versagt (auch) bei diesem Thema weitestgehend.
Wer tatsächlich an Apple und dessen wirtschaftlicher Entwicklung interessiert ist, muss wie immer in's Englische wechseln. Die beste Anlaufstelle ist seit längerem Horace Dediu auf asymco.