Der Unternehmer und Risikokapitalgeber Chris Dixon schreibt über das Finanzsystem aus Sicht der Internetwirtschaft und wie die Finanzbranche die Entwicklung der Internetwirtschaft zurückhält:
The payment industry is a $500 billion industry (or larger, depending on how you measure it). That means banks and payment companies charge $500B per year in fees to provide a service that mostly involves moving bits around the Internet. There are other services they provide like credit, security, and dispute resolution, but in any reasonable analysis these services should cost dramatically less than they currently do. The payment industry should be at least an order of magnitude smaller than it is today.
Another thing that informed my view was seeing what a huge headache payments were for startups I was involved with. Let’s say you sell electronics online. Profit margins in those businesses are usually under 5%, which means the 2.5% payment fees consume half the margin. That’s money that could be reinvested in the business, passed back to consumers, or taxed by the government. Of all of those choices, handing 2.5% to banks to move bits around the Internet is the worst possible choice. The other main challenge startups have with payments is accepting international payments. If you are wondering why your favorite technology service isn’t available in your country, the answer is often payments.
Das Payment-Problem ist auch groß etwa für US-Startups, die nach Deutschland kommen wollen. Deutschland mit seiner Weigerung, Kreditkarten weitläufig anzunehmen, und das stattdessen auf andere Transaktionsarten setzt, unterscheidet sich diametral vom Kreditkartenland USA und erscheint vielen von außen wie ein Buch mit sieben Siegeln.
Ich stimme aus unter anderem diesem Grund und den von Dixon aufgezählten Gründen zu, dass ein Protokoll, beziehungsweise eine Infrastruktur, die Transaktionen effizienter im Web macht, notwendig ist.
Es steckt enorm viel Potenzial in Micro-Payments:
The world recently ran its first large-scale micropayments experiment – so called in-app payments on iOS and Android – and despite some serious design flaws (centralized control, 30% fees), it was a smashing success. I think Bitcoin could enable a micropayment system for the open web, and thereby provide a business model beyond banner ads for many important services such as journalism.
Und natürlich ist der Vorteil von Bitcoin gerade, dass es nicht an das bestehende Finanzsystem gekoppelt ist:
I believe the only way the technology industry can offer meaningfully improved financial services is by building new services that don’t depend on incumbent companies. Bitcoin is a serious proposal for dramatically improving the payments industry. There are plenty of open questions but I think it’s an experiment worth running.
Aber da hören die Vorteile auch bereits auf.
Bitcoin ist von der Architektur so konzipiert, dass es auf eine festgelegte Geldmenge beschränkt ist, die über die Zeit sogar geringer werden wird. (kaputte Festplatten mit Bitcoins) Bitcoin hat also leider Deflation direkt eingebaut.
Das lässt sich auch nicht mit auf Bitcoin aufsetzenden Zusatzfunktionen aushebeln, weil es sich aus dem Wert der Währung gegenüber anderen Währungen selbst ergibt; dem Wechselkurs also. Kein Unternehmen, das neue Exchange-Modelle auf Bitcoin basierend testet, kommt an der Deflation vorbei.
Langfristige Deflation ist systeminhärent bei Bitcoin.
Weil Deflation einen Spar-Anreiz schafft, also Transaktionen unattraktiver macht, ist sie zum Beispiel weitaus ‚gefährlicher‘ für einen Wirtschaftsraum als ihr Gegenteil: Inflation. (Inflation auf niedrigem Niveau ist weitaus weniger problematisch, als es in den öffentlichen Debatten in der Regel dargestellt wird. Vom selten bis nie debattierten Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosenquote ganz zu schweigen.)
Deshalb ist Bitcoin ungeeignet als Paymentprotokoll.
Die aktuell beobachtbare Volatilität von Bitcoin dürfte unter anderem auch eine Folge des Wissens vieler darüber sein, dass Bitcoin langfristig Deflation, also konstantem Wertzuwachs, unterliegt. Das begünstigt in diesem frühen Stadium, befeuert von den hohen Erwartungen von vielen Seiten in Bitcoin, Spekulationen.
***
Exkurs: Das von Dixon postulierte Problem, das hier gelöst werden muss, führt also zur Frage, wie ein funktionierendes Zwischenstadium zwischen dezentraler Kryptowährung mit beschränkter Geldmenge und notenbankkontrollierter Währung aussehen kann. Hinweis: Ein profitorientiertes Unternehmen, das als De-Facto-Notenbank für die eigene Währung agieren würde, wäre keine langfristige Lösung.
Vielleicht liegt die Lösung auch gar nicht in einer separaten Währung.
Mehr zu Bitcoin:
Herbert Braun says
Ich finde, es gibt noch mehr Gründe, gegenüber BitCoin skeptisch zu sein, als die eingebaute Deflation:
http://www.antipope.org/charlie/blog-static/2013/12/why-i-want-bitcoin-to-die-in-a.html
Herbert Braun says
Ich finde, es gibt noch mehr Gründe, gegenüber BitCoin skeptisch zu sein, als die eingebaute Deflation:
http://www.antipope.org/charlie/blog-static/2013/12/why-i-want-bitcoin-to-die-in-a.html
Marcel Weiss says
Die dortigen Argumente kommen mir etwas zu harsch vor. Aber diskutabel sind sie allemal.
Cihan says
Es gibt auch Cryptowährungen mit eingebauter Inflation wie z.B. DogeCoins
Wenn der voll Anzahl der Münzen von 100 Mrd. DogeCoins gemint wurde, werden jedes Jahr 5 Mrd. DogeCoins dazu kommen. Damit wird die Inflations im ersten Jahr fünf Prozent betragen und dann halt jährlich sinken. Auch nicht perfekt, aber immerhin besser als die Deflation von BitCoins.
Marcel Weiss says
Interessant. Wie ist das geregelt? Wie kommen die 5 Mrd. hinzu?
Cihan says
Ganz normal über das Mining. Für jedes geminte Block gibt es genau wie bei Bitcoin einen „Reward“. Bei Bitcoin gibt es ab einem bestimmten Block einfach keine Rewards mehr und die Miner müssen über die Transaktionsgebühren entlohnt werden. Bei Dogecoins wird es halt nachdem 600.000 Block (also nach 100 Mrd. Coins) weiterhin einen Reward von 10.000 Coins pro Block geben, was dann im Jahr ~5 Mrd. zusätzliche Coins macht, da das sogenannte Block Target Time bei einer Minute liegt.
Bei Bitcoin liegt es übrigens bei 10 Minuten, was ich auch als kritisch ansehe. Wenn man im Laden steht, dauert es dann in der Regel mehr als zehn Minuten bis die Transaktion bestätigt wurde. In der Praxis vieeeeeeeeeeeel zu langsam. Daher könnten andere Coins Bitcoins den Rang ablaufen, wenn Geschwindigkeit ein wichtiger Faktor wird.
Marcel Weiss says
Interessant. Programmiertes und damit vorhersehbares Wachstum der Geldmenge. Bin nicht sicher, was die Auswirkungen davon wären.
Thorsten Roggendorf says
Die Eignung von Bitcoin als Zahlungsmittel ist in der Tat höchst
fragwürdig. Doch darum geht es in dem Artikel doch gar nicht. Bitcoin
als Micropayment-Protokoll sollte nicht mit Bitcoin als Zahlungsmittel
verwechselt werden. Ich dazu vor bald zwei Jahren mal was geschrieben:
http://schrotie.de/index.php/2012/02/dezentrales-micropayment/
Teiler Doerden says
stimme nicht zu dass, Bitcoin deflatorisch ist. Die absolute Geldmenge schrumpft nicht (die Verluste durch verlorene Wallest fallen nicht ins Gewicht), sondern ist fix. Was du (wie alle Ökonomen) voraussetzt, ist stetiges und ewiges Wirtschaftswachstum. Das ist aber unmöglich, weil die Ressourcen des Planeten endlich sind.
Marcel Weiss says
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Bitcoins irgendwann fixe und dann langsam sinkende Geldmenge steht im Verhältnis zu anderen Währungen, die zentral geleitet werden und deshalb keinem vorhersehbaren, unumkehrbaren Pfad gehen müssen.
Das hat mit „stetiges und ewiges Wirtschaftswachstum“ direkt nichts zu tun.