Plattformen können auf anderen Plattformen wachsen. Wir sehen das seit vielen Jahren an Internet-Plattformen wie Facebook oder Uber, die auf Softwareplattformen -den mobilen Betriebssystemen iOS und Android- wachsen. Die Macht nach "unten" lässt sich nur ausweiten, wenn Funktionalität und Reichweite überwältigend sind, wie bei WeChat in China, das mobile Betriebssysteme dort deswegen austauschbar macht.
Ist das nicht der Fall, können im Zweifel die Plattformen "unten" nach "oben" expandieren. Etwas, das die mobilen Betriebssysteme von Anfang an machten, weil sie im Gegensatz zu den Desktop-Betriebssystemen im Internet-Zeitalter gestartet sind und nur durch und mit dem Internet populär wurden. Natürlich stehen Internetdienste dann auch bei den OS-Anbietern strategisch im Zentrum.
Die Macht der Betriebssysteme reißt also auch im Internet-Zeitalter nicht ab. Man könnte auch sagen, ein Facebook (oder Twitter) kann zwar im Stack "oben" neue Funktionen (wie User-Authentifizierung für andere Anbieter zB) einführen und etablieren, aber am Ende des Tages laufen die Apps auf einem Gerät, auf dem ein anderer Plattformprovider das Sagen hat.
Das bis dato Wichtigste, Folgenreichste von der aktuell stattfindenden WWDC-Entwicklerkonferenz von Apple ist die Einführung von "Sign In with Apple ID" mit der nächsten Version von iOS. Das neue Login-System kann Email-Adressen zur Anmeldung mit Wegwerf-Adressen ersetzen und macht so anonymes Anmelden möglich.
Das wird bereits ein harter Schlag für die Werbebranche, die, trotz DSGVO, über Anmeldedaten (Email) Nutzer app-übergreifend in Kohorten packt.
Aber der wahrer Kracher ist die Regel, dass alle Apps, die einen Third-Party-Login anbieten, verpflichtet sind, ebenfalls Apple-Sign-In als Alternative anzubieten.
Im Klartext: Jede App, bei der man sich über Facebook anmelden kann, muss künftig auf iOS zwingend auch das Registrieren und Anmelden direkt über Apple anbieten.
Ryan Christoffel auf MacStories:
Sign In with Apple ID. Like the popular buttons on the web to authenticate by signing in with Facebook or Google, Apple now offers its own secure method of authentication via your Apple ID. In supported apps and websites, tapping the ‘Sign In with Apple’ button will result in your device authenticating with Face ID or Touch ID, then you’ll be all set, no other logins required. Interestingly, developer documentation indicates this option will be mandatory for apps that use other third-party sign-in options.
Wow. Apple sign-in support is mandatory? https://t.co/qen34RLGOW pic.twitter.com/gBhStE6HVN
— Ben Sandofsky (@sandofsky) June 3, 2019
Dieser Zwang in Verbindung mit der bequemen, reibungslosen Anmeldung über FaceID und TouchID wird zu einem rasanten Nutzungswachstum des Apple-Logins auf iOS führen.
Bedenkt man die Verbreitung von iOS (oberes Ende des Marktes überall, ungefähr 50% des Marktes in den USA), ist das ein harter Schlag gegen Facebook. Facebook war bis dato der bequemste Weg für die meisten Menschen sich in einer neuen App mal eben schnell einzuloggen. Das brachte Facebook unter anderem enorme Einblicke in den Markt.
Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Apple nicht scheut, die Macht, die durch die Kontrolle über iOS kommt, auszuspielen und damit proaktiv Branchen umzugestalten.
Und es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man die zentrale Bedeutung der mobilen Betriebssysteme nicht unterschätzen sollte.