Hi,
am Freitag erscheint keine Ausgabe. Wir lesen uns nächsten Dienstag wieder.
Marcel
Im Fokus dieser Ausgabe:
- NVIDIA versucht durch Investitionen in Software den Graben zu vergrößern.
- Die EU sollte eine einheitliche Rechtsform für Unternehmen (EU Inc) einführen und Englischunterricht ab der frühesten Schulklasse anbieten, um Europa flexibler und stärker zusammenwachsen zu lassen.
- Infineon sollte angesichts der KI-Welle stärker in KI-Themen investieren.
- Google schlug Apple 2005 eine Umsatzbeteiligung vor, um Apple einen Anreiz zu geben, an Google festzuhalten.
- und mehr
Inhaltsverzeichnis
Themen der vorherigen Ausgabe
- Zitat der Woche
- All-In statt Diversifizierung: Lara Sophie Bothur vs. LinkedIn
- 🤖 KI
- 📱💸 Big Tech
- 🛒 Onlinehandel
- 📺 Medienwandel und vernetzte Öffentlichkeit
- 🖇️ Krypto
- ✴️ Mehr Wissenswertes
Die riesige KI-Welle, die NVIDIAs Geschäftsmodellgraben überschwemmt
In Nexus 202 hatte ich über den immensen Erfolg der LinkedIn-Influencerin Lara Sophie Bothur geschrieben.
Anschließend an den OMR-Satz „Wenn sie den Tränen nahe ist, als sie von der Sorge berichtet, ihren Account zu verlieren.“ schrieb ich über den Nachteil, wenn man sich zu 100% auf eine Plattform konzentriert.
Eine der ersten Sachen, die wir im ersten Semester BWL, wahrscheinlich war es die Vorlesung „Einführung in die BWL“, gelernt haben, war, sich niemals auf nur einen oder wenige Lieferanten oder Kunden zu verlassen. Beide Seiten müssen als Portfolio möglichst gut verteilt sein. So dass man einen Ausfall verschmerzen kann.
Das ist natürlich schwer, wenn ein Player besonders attraktiv ist.
Aber nicht trotzdem sondern gerade deswegen: Alle TikTok-Creators bitten ihre Zuschauer:innen konstant, ihnen auf Instagram oder YouTube zu folgen.
Das ist das kleine 1×1 der Betriebswirtschaftslehre: Mache dich von keinem Partner abhängig, egal wie attraktiv er für dich ist.
Was Bothur als Einzelperson für Deloitte macht, würde die Strategieberatung von Deloitte keinem Kunden empfehlen (hoffe ich).
Im Rahmen dessen kann man eine strukturell ähnliche Situation am Beispiel von NVIDIA und eine sinnvolle Reaktion des Unternehmens beobachten.
NVIDIA erlebt gerade einen beispiellosen Boom, weil ihre GPUs die besten Chips am Markt für Training und Inferenz sind. NVIDIA kommt mit der Produktion nicht nach. NVIDIA hat aber auch ein Problem.
Die größten NVIDIA-Kunden:
- Microsoft (ca. 15% der NVIDIA-Umsätze)
- Meta (ca. 13% der NVIDIA-Umsätze)
- Amazon (ca. 6,2%)
- Alphabet (ca. 5,8%)
(Siehe u.a. Globe and Mail)
40% der Umsätze von Nvidia kommen von den 4 Big-Tech-Konzernen.
Warum ist das ein Problem?
Jedes dieser Unternehmen hat einen Anreiz und die Ressourcen, eigene Chips zu entwickeln und Startups zu finanzieren, die günstigere Alternativen zu NVIDIA entwickeln.
Genau das passiert. Überall aktuell. Ich hatte im März in der FAZ über die Entwicklungen bei den Chips geschrieben.
Für NVIDIA ist das ein riesiges Problem.
Bem Thompson hatte im März auf Stratechery dafür ein schönes Bild gefunden.
Der KI-Boom und die davon ausgelöste GPU-Nachfrage, sind wie eine große Wasserwelle, die höher ist als der Geschäftsmodellgraben von NVIDIA. NVIDIA wird in jeder Hinsicht überrannt.
NVIDIAs Antwort: Vor diesem Hintergrund sind die Tätigkeiten von NVIDIA zu lesen. Das Chip-Unternehmen arbeitet überall an Software, an Frameworks und Plattformen, wie Gr00t für Robotik. Es ist der Versuch einen größeren Graben zu ziehen, mehr Bindung zu schaffen, die man mit Software+Hardware erreichen kann statt „nur“ mit guter Hardware.
Was sollen sie auch sonst machen? Größere, sprich bessere Kunden finden sie nicht.
Dinge, welche die EU angehen sollte, Pt. 2
Vielleicht eine neue Reihe, nachdem wir in Nexus 201 über Europa gesprochen hatten. Der Angel-Investor Andreas Klinger hat zwei konkrete Vorschläge, die der europäischen Wirtschaft und der Gesellschaft helfen würden.
1. Wir brauchen dringend eine EU-weite Rechtsform für Unternehmen (EU Inc).
Ähnlich wie US-Unternehmen standardmäßig in Delaware gegründet werden, sollte es eine einheitliche, einfache Rechtsform für Startups in der EU geben. Dies würde viel Reibung und Komplexität für Gründer und Investoren beseitigen, die derzeit mit den unterschiedlichen Rechtssystemen der einzelnen Länder konfrontiert sind. Eine EU-weite Standardrechtsform wäre die Basis, auf der weitere Standardisierungen und Vereinfachungen aufgebaut werden könnten.
2. Englisch sollte ab der frühesten Schulklasse unterrichtet werden.
Viele Europäer sprechen auch im Erwachsenenalter nur unzureichend Englisch, was u.a. Jobchancen einschränkt. Englischunterricht von klein auf würde den Austausch innerhalb Europas fördern und europaweite Medien und Netzwerke ermöglichen. Gründer:innen könnten leichter aus allen Teilen Europas Schwung für ihre Startups gewinnen, ähnlich wie in den USA.
Das sind zwei pragmatische, realistische und unterstützenswerte Forderungen.
Europa muss flexibler werden und in jeder Hinsicht stärker zusammenwachsen.
Chips, aber die falschen: Infineon schwächelt
Chip-Nachfrage bei Infineon schwächelt, weil die Nachfrage bei den Autoherstellern nicht so hoch ist wie erwartet. (Bloomberg)
Problematisch ist diese Tatsache:
Die Gesamtmarge des Segmentergebnisses wird nach Angaben von Infineon im dritten Geschäftsquartal voraussichtlich im hohen Zehnerprozentbereich liegen. Das steht im Vergleich zu den Analystenschätzungen von 20,9%. Ist also niedriger. Aber immer noch hoch.
Angesichts der oben angesprochenen KI-Welle stellt sich die Frage, warum Infineon nicht viel stärker in KI-Themen investiert. (Aktuell eher überschaubar, siehe u.a. Marketscreener) Neben R&D sollten auch Investitionen in Chip-Startups und M&A ganz vorn stehen. Die Gewinnmarge sollte also weiter sinken zugunsten zukünftiger Geschäftsfelder.
Infineon hat diverse Vorteile; in der aktuellen regulatorischen Umgebung unter anderem den Vorteil des „Underdogs“, dem keine Regulierungsbehörde in die Quere kommen dürfte.
🤖 KI
Wachsende Investitionsausgaben bei Hyperscalern
Diese Grafik zeigt die wachsenden Investitionen in Rechenzentren bei den großen Hyperscalern (und bei Meta).
KI in der Praxis
Bei der FAZ habe ich darüber geschrieben wie Moderna, „Newsweek“ und funk KI heute einsetzen.
Eine besonders kreative Maßnahme war ein interner „AI Prompt“-Wettbewerb mit dem eigentlichen Ziel, die Top-100-Power-User von KI im Unternehmen zu identifizieren. Diese Mitarbeiter wurden dann in eine interne Kohorte namens „Generative AI Champions“ eingeordnet. Mit solchen Mitarbeiterkohorten lässt sich eine Basistechnologie wie KI besser im Unternehmen angeleitet einführen. Denn KI kann praktisch jede digital durchgeführte Arbeit unterstützen.
Die Verbreitung von KI im Alltagseinsatz der Unternehmen geschieht erstaunlich schnell.
Enterprise-Versionen von Perplexity und co.
Ebenfalls für die FAZ habe ich darüber geschrieben, was Perplexity Enterprise Pro im Vergleich zu anderen Firmendiensten leistet. Hauptkonkurrenten sind aktuell OpenAI Enterprise und Microsofts Copilot-Familie.
Um KI in das eigene Unternehmen zu integrieren, gibt es grob vier verschiedene Ansätze mit jeweils unterschiedlich starkem Ressourcenaufwand in der Umsetzung.
- Der aufwendigste Schritt ist ein eigenes Werkzeug, das auf einem eigens trainierten Modell basiert. Gemessen an der aktuell rasanten Entwicklung der öffentlich verfügbaren KI-Modelle ergibt dieser Schritt in der Regel kaum Sinn. Er sollte aufgrund des Aufwands nur gewählt werden, wenn es sehr gute Gründe dafür gibt.
- An zweiter Stelle folgt die Entwicklung eines eigenen Werkzeugs, das auf einem für die eigenen Zwecke angepassten und trainierten Modell basiert. Auch dieser Schritt ist mit vergleichsweise hohem Projektaufwand verbunden. Er ist bei hohen Anforderungen bezüglich der Modellanpassung zu wählen.
- An dritter Stelle folgt der Bau eines Tools, das im Hintergrund per API auf eines der öffentlichen Modelle zugreift, sei es GPT-4 bei Open AI bei Azure, Claude oder Mixtral bei AWS oder Gemini bei Google. Die nutzungsbasierte Abrechnung ermöglicht eine Implementierung von KI im Unternehmen mit geringer Vorabinvestition. Man muss „nur“ wissen, was man für die eigene Belegschaft wie umsetzen will.
- An vierter und letzter Stelle folgt die Plug-and-Play-Lösung für Unternehmenskunden. Die SaaS-Lösung für den Einsatz von KI im Unternehmen. SaaS steht für „Software as a Service“.
Wie gesagt, die Verbreitung von KI im Alltagseinsatz der Unternehmen geschieht erstaunlich schnell. Enterprise-SaaS wird in Rekordgeschwindigkeit ein Milliardenmarkt werden.
Nächste Technologiepanik incoming
Einige jugendliche Nutzer:innen der Chatbots von Character.AI sagen, dass sie die KI-Begleiter hilfreich, unterhaltsam und unterstützend finden, aber sie befürchten, dass sie von den Chatbots abhängig werden könnten (The Verge)
Mark my words: Nach Rock’n’Roll, HipHop, Video Games und Internet/Social Media wird KI-Chatbots + Teenager die nächste Technologiepanik auslösen.
Character.AI ist nebenbei bereits recht populär:
- 4,2 Millionen monatlich aktive Nutzer:innen in den USA.
- Die durchschnittliche Besuchsdauer auf der Website beträgt beeindruckende 22 Minuten.
- Fast 60% der Nutzer:innen von Character.AI sind zwischen 18 und 24 Jahre alt.
(TechCrunch im September 2023, Zahlen dürften jetzt sehr viel höher sein)
📱💸 Big Tech
Apples fehlende Vision beim iPad
Das neue iPad Pro packt unfassbare Power in ein unglaublich dünnes, leichtes und mobiles Design. Verschiebe die Grenzen des Möglichen auf dem iPad mit dem supermobilen 11″ Modell oder dem größeren 13″ Modell — das dünnste Produkt, das Apple je entwickelt hat.
Das ist, was dem iPad gefehlt hat. Ein dünneres Modell. 🙄
Google hatte Apple Revenue Sharing vorgeschlagen
Google suggesting to Apple in 2005 that they pay Apple for revenue generated via Apple devices. Apparently it had „never crossed our [Apple’s] mind“ to ask Google for revenue share.
Das war sehr clever von Google. Ich vermute Hal Varian oder eine:n anderen Google-Ökonom:in dahinter. Die Zahlung von Google an Apple gab Apple einen Anreiz, an Google festzuhalten. Experimente waren damit vom Tisch.
Dieser Schritt allein hat Google die letzten 15 Jahre zementiert.
Googles Zahlungen machen 14-16% der Gewinne von Apple aus. (9to5Mac)
✴️ Mehr Wissenswertes
OS-KI in NRW. Land fördert KI-Sprachmodell für Hochschulen in Nordrhein-Westfalen | Land.NRW:
Das Projekt „Open-Source-KI.nrw“ wird dazu bis Ende 2025 erstmals den Aufbau einer vollständigen Infrastruktur eines Open-Source-Large Language Models (LLM) anhand eines konkreten Anwendungsfalls erproben. Im Fokus steht der Einsatz von Sprachmodellen in der Lehre: Studierende sollen in ausgewählten Kursen im Lernmanagementsystem über einen virtuellen Ansprechpartner („Chatbot“) mit dem Sprachmodell kommunizieren können. Der Chatbot greift für die Formulierung seiner Antworten sowohl auf seine allgemeinen Trainingsdaten zurück als auch auf die konkreten Lerninhalte aus dem Kursus. So sollen seine Antworten möglichst passend und hilfreich für die Lernenden sein. […]
Im Rahmen des Projekts soll außerdem in enger Kooperation mit dem ebenfalls vom Land geförderten KI:edu.nrw ein Kompetenzteam zum Thema Open-Source-Sprachmodelle aufgebaut werden.
Sinnvoll. Es gibt mittlerweile ausreichend viele „offene“ gute LLMs, auch SLMs (small), weshalb ein eigenes Training/Erstellung gar nicht notwendig ist. Evaluierung und Implementierung sind aber auch nicht ohne.
~