Blendle ist ein bald in Deutschland startendes Angebot, in dem man publikationsübergreifend (ZEIT, Süddeutsche, Spiegel, FAZ, etc.) auf die Archive der letzten Monate zugreifen und einzelne Artikel kaufen und lesen kann. Zu Blendle zählt unter anderem auch eine Filter-/Discover-/Kurationsfunktion. Blendle kann man sich als eine Art Digitalkiosk vorstellen. Es ist quasi der wahrgewordene Wunsch des "iTunes für Zeitungsartikel", der seit Jahren von Journalisten auf Panels zum Thema Medienwandel geäußert wird.
Felix Schwenzel über blendle.de:
dem offenen, freien netz, der linkkultur, dem offenen austausch tut ein solches angebot natürlich nicht gut, wie man an den blendle-links, die ich oben gesetzt habe sieht; 99% meiner leser schicke ich mit den links gegen eine undurchdringbare wand, weil blendle noch nicht offen ist und die wenigsten zugriff auf blendle haben. aber selbst wenn blendle endlich für jeden zugänglich sein sollte, steht vor dem lesen eine kurze anmeldeprozedur und ein geschlossenes ökosystem. exemplarisch ist dafür ein ganz ordentlich recherchierter artikel von philipp sickmann im tagesspiegel (den ich zuerst auf blendle, dank der empfehlungsfunktion, gefunden habe). sickmann fasst darin die bedenken einiger früher internetnutzer zusammen, die vor den gesellschaftlichen folgen warnen, die entstehen könnten, „wenn die Sicht auf die Welt von wenigen Diensten bestimmt wird.“ sickmann zitiert den iranischen blogger hossein derakhshan:
In seinem Beitrag „The Web We Have To Save“, erschienen auf Medium.com, kritisiert er die Entwicklungen unserer Zeit: Die vorherrschenden sozialen Netzwerke würden den Hyperlink entwerten, der allgegenwärtige Stream sei nun die dominante Form, um Informationen zu organisieren.
das schreibt er auf tagesspiegel.de, ganz ironiefrei, ohne einen einzigen link. ok, der text enthält zwei hyperlinks auf andere tagesspiegel-texte. auf blendle findet sich im text kein einziger link.
Für manche Vielleser ist Blendle sicher interessant.
Wer aber glaubt -wie sicherlich viele in der deutschen Pressebranche-, dass ein Angebot, bei dem artikelbasiert bezahlt wird, die digitale Erlös-Nadel bei klassischen Massenmedien bewegen wird, ist schief gewickelt.
Selbst wenn wir Produkte und Kostenstrukturen der klassischen Massenmedien einmal beiseite lassen (beides kaum überlebensfähig in der Zukunft), müsste eine Bezahl-Lösung für Publikumsmedien eher wie Netflix aussehen: Bündel-Abos, Flatrates. Und selbst das würde nur auf einem Niveau funktionieren, das die aktuellen Strukturen nicht tragen könnte; was uns zurück zum Anfang dieses Absatz bringt: man kann dieses Aspekte nicht beiseite lassen.
In der Schweiz sind die Presseverlage weitaus weniger interessiert als in Deutschland. Einen Unterschied wird es so oder so nicht machen.