4. Sep. 2019 Lesezeit: 2 Min.

DHL zeigt dem Onlinehandel, dass man kein verlässlicher Partner ist

Peer Schader schreibt im Supermarktblog über DHL:

Von kleineren Online-Shop-Betreibern hat sich die „LZ“ sagen lassen (Abo), dass DHL „Preiserhöhungen von bis zu 100 Prozent“ für die Lieferung frischer Lebensmittel in Aussicht gestellt oder „gleich die sukzessive Einstellung der Kurierfahrten für frische Lebensmittel angekündigt“ habe. Die Konsequenz: Zahlreiche Anbieter, die DHL in den vergangenen Jahren für seinen FoodDelivery-Service angeworben hat, müssen sich neue (in der Regel regionale Lieferpartner) suchen, um ihre Angebote aufrecht erhalten zu können. Das spielt großen Händlern in die Hände, die darauf dank eigener Logistik nicht angewiesen sind. Und wirft den Markt, den DHL selbst wesentlich mitentwickeln wollte, massiv zurück.

Die DHL-Einschätzung, das Lebensmittel-Liefergeschäft bleibe „weit hinter den Erwartungen zurück“, wird damit quasi zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Und das Unternehmen sägt sich eine der Kernkompetenzen ab, die man für die Zukunft gut hätte gebrauchen können – während im Hauptgeschäft, der Lieferung schnöder Pakete, bislang kaum Verbesserungen wahrnehmbar sind. Im Gegenteil.

Die eigentliche Botschaft, die DHL mit seinem strategischen Rückwärtsgang an seine Geschäftskund:innen aussendet, ist aber: Verlasst euch besser nicht auf uns – vielleicht überlegen wir uns morgen alles nochmal ganz anders. Was für ein Armutszeugnis.

​Ich habe die entscheidende Folge dieses Verhaltens, die Schader anspricht, hier noch einmal hervorgehoben. Es knirscht seit längerem. DHL optimiert ein System, das nicht für die Welt des heutigen oder gar des künftigen Onlinehandels gebaut wurde. Das funktioniert nicht. Neue Ansätze werden entweder nicht getestet oder nur langsam ausgebaut (Packstationen).

​Es ist erstaunlich, und ehrlich gesagt auch ein Armutszeugnis des Onlinehandels, dass die Branche das mit sich machen lässt und nicht bereits aus Angst, was in den nächsten Jahren passieren wird, manisch an Alternativen bastelt.

Wie dem auch sei. Die eigentliche Botschaft von DHL, dass man im Zweifel kein verlässlicher Partner ist, dürfte den Knoten jetzt endgültig zum platzen bringen. Mit DHL als Partner kann man kein neues Onlinegeschäft aufbauen. Das sollte mittlerweile klar sein.

Aber einer bestimmten Größenordnung braucht heute jeder Onlinehändler eine Logistiksstrategie, die weit über eigene Lagerhäuser hinausgeht. Alle anderen brauchen eine Logistikstrategie, die weit über DHL und Hermes hinausgeht. Alles andere ist mittlerweile geschäftsseitig grob fahrlässig.

Wie sehr DHL auch bereits in der klassischen Großkundenfalle sitzt, konnte man die Tage ebenfalls nachlesen. Golem.de

Wegen hoher Zustellmengen und fehlender Fahrer kommen in einigen Regionen Deutschlands DHL-Pakete derzeit verspätet an, nur Amazon ist davon nicht betroffen. Nach Informationen der Welt haben die Onlinekäufe von Amazon Priorität. DHL wolle den wichtigen Großkunden nicht verärgern.

Mit dieser Ausgangslage kann Amazon bequem seine eigene Logistik ausbauen und Kapazitäten zwischen In-house und Partner hin und her schieben, wie es gerade benötigt wird. Amazon wird also bevorzugt von DHL behandelt und kann gleichzeitig eine neue Logistik aufbauen, die Onlinehandel noch bequemer machen wird.

Der Rest sitzt wartend in der zweiten Riege und schaut zunehmend blöd aus der Wäsche.

Oder er wird halt aktiv.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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