25. Okt. 2007 Lesezeit: 3 Min.

Die fehlerhafte Berichterstattung der Medien im Fall OiNK

Fassen wir noch einmal zusammen: Gestern wurde der BitTorrent-Tracker OiNK geschlossen und der Admin verhaftet. In der Berichterstattung kam es ausnahmslos (so weit ich das überblicken kann) zu fehlerhaften Agenturmeldungen von AP (u.A. auf NZZ), AFP (u.A. auf SZ) und Reuters und höchstwahrscheinlich weiteren.

In allen Agenturmeldungen wurde fälschlicherweise behauptet, OiNK sei eine Seite gewesen, zu der man nur gegen Bezahlung Zugang erhielt.

Nun könnte man die Verbreitung dieser falschen Tatsache als zwar ärgerlich aber nicht schwerwiegend abtun. Es stimmt zwar (gelinde ausgedrückt) bedenklich, dass Nachrichtenagenturen offensichtlich das Zweiquellenprinzip bei einigen Meldungen ignorieren und willentlich einer vorbelasteten Seite blind vertrauen. Auch bleibt man etwas grübelnd zurück, was die Agenturmitarbeiter von einer fünfminütigen Googlesuche abgehalten hat, um die Informationen, die man wohl von der IFPI-Pressemitteilung übernahm, gegenzuchecken. Denn es hätten sich schnell unzählige Beweise für das Gegenteil gefunden.

Nun, wie gesagt, bedenklich, das Ganze, aber damit ist diese Thematik auch durch, oder?

Nicht ganz.

Denn es scheint, genau diese (man könnte fast denken, bewusst so verbreitete) Fehlinformation scheint es erst ermöglicht zu haben, dass die Musikindustrievereinigungen IFPI und BPI in Zusammenarbeit mit verschiedenen Polizeidiensten die Seite schließen und den Admin verhaften konnten (er wurde mittlerweile freigelassen).
Torrentfreak:

The FIOD-ECD - Fiscal Investigation Unit of the Dutch Police is a worrying inclusion to the list of people involved in the closure of OiNK. FIOD-ECD is a Dutch government agency dedicated to chasing down people alleged to be involved in fiscal, financial and economic fraud - usually major criminals. With these people involved, getting access to records from hosts wouldn’t have proven too difficult - FIOD-ECD are not just another BREIN, they have some serious powers.

(Hervorhebung von mir)

Demnach scheint eine Polizei-Einheit involviert gewesen zu sein, die auf schwerwiegende Wirtschaftsverbrechen und dergleichen spezialisiert ist. Warum? Weil behauptet wird, der OiNK-Betreiber habe mit der Seite "Hundreds of Thousands of Pounds" gemacht (siehe BBC-Bericht). Und womit hat er das Geld gemacht? Mit den Zahlungen für den Zugang! Herrjeh. Und das nach angeblich 2 Jahren Ermittlung. Und niemand scheint sich zu fragen, warum jemand, der angeblich Hunderttausende von britischen Pfund verdient, nebenbei noch seinem Tagesjob nachgeht.

Diese falsche Prämisse erklärt auch das unverhältnismäßig harte Vorgehen gegen OiNK. Mir erscheint es so, als wenn dieser Vorfall im Großen und Ganzen ein erstaunlicher Publicitystunt seitens der Industrievereinigungen war. Bevor der OiNK-Admin verhaftet wurde, informierten die Musikindustrievereinigungen IFPI und BPI die Presse, für Bilder und Video live von der Verhaftung (Can you say Witchhunt?). Die Presse folgte dem gern und gerierte sich als kritikloser Erfüllungsgehilfe der Verwertungsindustrie.

Man schaue sich nur diesen absurd einseitigen Bericht von der BBC auf youtube an.

Einen weiteren interessanten Punkt sprechen Piratebay-Admin Brokep und auch Torrentfreak an:

They [The British and Dutch Pirate Parties] also condemn the police forces for allowing the presumption of innocence to be discarded, in that the domain of the website, has been effectively hijacked, and replaced by a page insinuating guilt on the part of the site owner. The ‘Presumption of Innocence’, better known as “innocent until proven guilty” is a cornerstone of law both in the Netherlands and UK. Surely, if anyone should have put a temporary website under the Oink domain, then it should have been the Cleveland police, or the Dutch police, not the record label owners union.

In der Tat, 'unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils' scheint bei Filesharing nicht mehr zu gelten.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass bei der hier beobachtbaren Mischung aus polizeilicher Inkompetenz, einem Verhalten von Lobbyvereinigungen, das sie als über den Gesetz stehend wähnend entlarvt, und einer blind der Industrie vertrauenden Presse ein sehr fahler Beigeschmack zurückbleibt.

--

Bonuslink: Dj Rupture, selbst Musiker, nagelt das Thema OiNK:

In many cases, I believe that downloading an album from Oink would be both faster (more on this in a bit) and give you more information about the CD than sites like iTunes. [..]

Think about that… a free website, which gives fast downloads of music at equivalent or higher quality than the paid music sites. And this free site has an incredibly deep collection of both new and old releases, usually in a variety of file formats and bit-rates. It’s overwhelming! [..]

My library metaphor for Oink makes more sense than economic analogies: for digital music & data, there’s lots of demand but no scarcity at all, which either requires that we rebuild an economic model not based on supply & demand, or start embracing commons analogies. I like living from my music but I also like libraries, the ideas behind of libraries… [..]

Oink didn’t offer solutions; it highlighted the problems of over-priced, over-controlled music elsewhere. Oink was an online paradise for music fans.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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