Noch ein Wort zum umstrittenen Facebook-Beacon-Adsystem :
- Es muss per default ausgeschalten sein. Alles andere ist schlicht evil.
- Wo ist der Nutzen für den User?
Etwas ausführlicher:
In den USA nimmt der Widerstand gegen Beacon ja zu (ich spare mir mal die Links, it's all over the place). Ich finde, zu recht.
Zu 1. Vielerorts wird der Aufruhr bezüglich Beacon mit dem Widerstand zum Newsfeed (der jetzt von Myspace nachgeahmt wird, kluge, vorhersehbare Reaktion, der Newsfeed ist sehr groß) verglichen. Das ist aber etwas oberflächlich: Der Newsfeed erfasst Aktivitäten von Facebook auf Facebook auf einer aggregierten Seite. Der Las-Vegas-Spruch stimmte damals noch: Was auf Facebook passierte, blieb auf Facebook.
Und jetzt? Wenn aus der abstrakten Gefahr etwas Handfestes wird, sagen wir, ein User kauft oder leiht Porno eigenwillige DVDs auf einer Facebookpartnerseite aus und übersieht das kleine Popup unten rechts, das besagt, dass diese Aktion auf Facebook verbreitet wird und stellt dann wenig später fest, dass sein gesamter auf Facebook vorhandener Bekanntenkreis davon erfahren hat, nun, dann ist Rom offen. Es kann schlicht nicht sein, dass per default etwas so Weitreichendes wie Facebook Beacon eingeschaltet ist.
Noch etwas. Was, wenn man auf den Partnerseiten gar nicht erfährt, dass die Aktion auf Facebook verbreitet wird? Man lese diesen Artikel :
Charlene Li, a Principal Analyst at Forrester Research who specializing in social software trends and marketing, writes in her blog post Close encounter with Facebook Beacon :
I put a lot of trust in sites like Facebook to do the right thing when it comes to privacy. After all, the only stuff that gets out into the public is the stuff that I actually put in. Until now.
Earlier this week, I bought a coffee table on Overstock.com. When I next logged into Facebook and saw this at the top of my newsfeed:
I was pretty surprised to see this, because I received no notification while I was on Overstock.com that they had the Facebook Beacon installed on the site. If they had, I would have turned it off.
I used my personal email address to buy the coffee table, so I was puzzled why and how this "personal" activity was being associated with my "public" Facebook profile.
und
David Treadwell, a corporate vice president of Windows Live, writes in his blog post entitled Blockbuster, you're fired:
[..]
I am not normally uptight about privacy issues, but you guys really crossed the line on this one:
* I had never told either Blockbuster or Facebook that you should share my movie selections with friends.
* Neither of you asked me if you could take this action. You just went ahead and did it, assuming that I would not mind.
* This sharing of information about me without my informed consent about the mechanism of sharing is absolutely unacceptable to me.
Muss ich nun als Facebook-Nutzer permanent fürchten, dass meine Surf-Aktionen im Facebookfeed auftauchen, wenn ich nicht im Browser Vorkehrungen treffe ? Oder wird nicht einmal das helfen, wenn eine Identifizierung per Email stattfindet?
Bitte, das kann es doch nicht sein. Beacon ist ein so weitreichender Eingriff in die Privatsphäre, dass es schlicht per default ausgeschaltet sein muss. Und zwar komplett. Nur wer weiß, was er da tut und was das bedeutet, soll sich darauf einlassen können.
Zu 2. Was uns zu Punkt Zwei bringt: Was hat der User davon? Nochmal zurück zum Newsfeed: Die höhere Sichtbarkeit von Aktivitäten war neu, aber man gewöhnte sich daran. Und schließlich hat der Newsfeed für Facebook und User einen hohen Nutzen. Erstere erhöhen ihre Stickyness und zweitere sind sehr viel mehr in the loop mit ihren Freunden.
Beacon hat nur einen Nutzen für Facebook und seine Werbepartner, nicht aber für die Nutzer. Es gibt also keinen Grund, hier auf Opt-In zu gehen.
Ich fasse das mal in andere Worte: Etwas, dass auch viele deutsche Dienste, die auf User Generated Content setzen, nicht zu verstehen scheinen, ist Folgendes: User Generated Content funktioniert nur wenn er auf Mikro- und Makroebene Nutzen stiftet .
Beispiel Onlinebookmarkingdienst del.icio.us' Tagging: Ich tagge meine gespeicherten Seiten, so dass ich sie wiederfinde. Ich könnte natürlich irgendwelche Spasstags verwenden, aber nach 1000 oder 2000 gespeicherten Bookmarks würde ich nix mehr wiederfinden, wenn ich nicht vollkommen durchgeknallt bin. Also verwende ich möglichst deskriptive Tags (Mikroebene). Da Andere zu den gleichen Schlüssen kommen und ebenfalls deskriptiv taggen, entsteht, ohne dass der Einzelne das beabsichtigte, eine Ordnung, da die passendsten deskriptiven Tags von Vielen verwendet werden. Eine Ordnung, die die Seite auch für Aussenstehende nutzbar macht (Makroebene).
Was das mit Beacon zu tun hat: Meine an den Feed übertragenen Aktionen sind UGC. Was aber hab ich als Nutzer davon? Facebook-Freunde, die genervt sind oder sich über mich amüsieren weil sie etwas erfahren, dass nicht für ihre Augen bestimmt war. Ich hab nicht nur keine Vorteile davon, sondern auch noch Nachteile.
Eine mögliche Lösung
Facebook gibt den Nutzern die Möglichkeit des OptIn in Beacon, wenn sie das möchten. Dafür erhalten sie eine wie auch immer geartete Gegenleistung. Denkbar wäre eine komplett werbefreie Facebookseite. Oder eine Provision für über den Feed zustande gekommene Transaktionen. Ein Facebookaffiliateprogramm quasi.
Eine andere Idee: Das Protokollieren von Tätigkeiten ist vielleicht nicht die beste Idee. Interessanter wäre die Richtung umzudrehen: Gib mir die Möglichkeit, ausgewählte Aktivitäten mit meinen Freunden zu teilen .
Wie auch immer: So wie es jetzt ist, ist Facebooks Beacon schlicht broken und grenzt an eine Frechheit. Das Facebook-Team scheint vergessen zu haben, dass seine Kunden nicht die Werbenden sondern die Nutzer sind. Bleibt Beacon wie es ist, laufen die bald hordenweise weg (und deshalb wird es nicht so bleiben).