Auf einer Pressekonferenz haben die Gründer das im Februar angekündigte Institut für Internet und Gesellschaft heute näher vorgestellt. Trotz regelmäßiger Nachfragen der Reporter diesbezüglich änderte sich nichts an der Aussage, die Eric Schmidt am Anfang via Videobotschaft bereits klar zu machen versuchte: Trotz Google als ersten und vorerst einzigen Finanzgeber wird das Institut für Internet und Gesellschaft eine komplett eigenständige und unabhängige Forschungseinrichtung sein.
1,5 Millionen € zahlt Google pro Jahr drei Jahre lang. Diese 4,5 Mio. € sollen eine Art Anschubfinanzierung für das Institut darstellen. Google-PR-Sprecher Max Senges verglich es mit einer ersten Finanzierung eines Startups. In diesen drei Jahren muss das Institut weitere Geldgeber finden. Google schließt zwar eine Beteiligung über die ersten drei Jahre hinaus nicht aus, aber man lässt das noch offen.
Meine Einschätzung: Angesichts der ausgeprägten Skepsis bezüglich der Unabhängigkeit hätte Google lieber heute als morgen weitere Geldgeber an Bord und würde lieber nach den drei Jahren keine weiteren Verpflichtungen eingehen. Nicht weil man sich das nicht leisten könnte (auch die anfänglichen 1,5 Mio. € pro Jahr sind eher Peanuts für Google), sondern weil man will, dass die Ergebnisse des Instituts auch in Deutschland anerkannt werden - und das werden sie nicht, wenn sie vom "Google-Institut" kommen. (Die Diskreditierung des Instituts geht bereits los, bevor es angefangen hat, wie man etwa an dieser Überschrift eines dpa-Stückes auf sueddeutsche.de sehen kann.)
Warum will Google ein unabhängiges Institut zu Internet-Themen in Deutschland etablieren? Why, Street View, anyone? Damit der (wichtige) deutsche Internet-Markt nicht den Lobbyisten bedrohter Unternehmen zum Opfer fällt (Stichwort Presseleistungsschutzrecht), braucht es respektierte Instanzen, die dem öffentlichen Diskurs etwas beifügen können, das nicht Hysterie ist. (Für letzteres haben wir die deutschen Massenmedien.)
Das Institut für Internet und Gesellschaft wird denn auch etwas für die deutsche akademische Welt leider eher Ungewöhnliches machen: Das Institut wird, so ist es zumindest angekündigt worden, bewusst mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten und sich nicht allein auf die akademische Welt und die Forschung beschränken. Unter anderem sollen Workshops und öffentliche Seminare angeboten werden. Auch über das Einbeziehen der Schwarmintelligenz, der Weisheit der Massen, wird nachgedacht.
Das Institut wird sich in eine gemeinnützige Forschungs-GmbH und eine für die Förderung zuständige Förder-GmbH aufteilen. Verhandlungen werden öffentlich im Senat durchgeführt, es wird keine Geheimverträge geben, wie HU-Präsident Prof. Jan-Hendrik Olbertz ausführte.
Das Institut wird interdisziplinär arbeiten. Gesellschafter sind die Universität der Künste Berlin (UdK), das Wissenschaftszentrum Berlin (WzB) und die Humboldt Universität (HU), in deren Räumen das Institut auch sitzen wird. Ebenfalls beteiligt ist das Hans-Bredow-Institut aus Hamburg.
Die Eröffnung des Instituts wird mit einer wissenschaftlichen Tagung vom 25. bis 28. Oktober begangen. Auf dieser sollen die aktuellen Fragen in der internationalen Forschung quasi verortet werden, um so feststellen zu können, wo man anknüpfen kann und sollte.
Was mir persönlich auffiel, war der Schwerpunkt der ersten Statements der Gründungsdirektoren auf rechtliche und regulatorische Fragen. Das scheint mir trotz interdisziplinärem Ansatz zumindest vorerst der überwiegende Schwerpunkt des Instituts zu werden. Golem zu Personalien und weiteren Schwerpunkten:
Ingolf Pernice von der HU will beispielsweise der Frage nachgehen, wie sich die Wirkung des Rechts und das Verständnis des Staates durch das Internet verändern. Zudem will er untersuchen, ob das Internet ein Schlüssel für globale Verfassung sein kann.
Jeanette Hoffmann will sich den Regeln und Institutionen des Internets widmen, beispielsweise technische Standards, Normen und Werte sowie privatwirtschaftliche Verträge. Konkrete Projekte umfassen Themen wie Datenschutz im Zusammenhang mit Cloud Computing und wie dabei eine informationelle Selbstbestimmung umgesetzt werden kann. Hinzu kommen Themen wie Georeferenzierung und die Weiterentwicklung des Internets. Zudem soll ein Nachrichtenangebot zum Thema "Regulation Watch" entstehen.
Prof. Thomas Schildhauer von der UdK, einer der Gründungsdirektoren, sprach außerdem von "Open Science": Man wolle möglichst viele Wissenschaftler aus aller Welt mitarbeiten lassen. Senges von Google wies darauf hin, dass alle Ergebnisse des Instituts unter Open Access veröffentlicht werden.
Warum braucht es Google, damit so ein Institut gegründet wird? Dr. Jeanette Hofmann vom WzB wies zu recht unter anderem darauf hin, dass das große Vorbild Berkman Center For Internet & Cociety an der Harvard Universität ebenfalls mit privaten Geldern finanziert ist.
Insgesamt bleibt es aber bezeichnend, dass erst ein US-Unternehmen kommen muss, damit sich die deutsche Forschung interdisziplinär dem Thema Internet widmen kann. Die durchaus überschaubaren Gelder von Google hätten in den letzten Jahren auch von der deutschen Wirtschaft kommen können. Kamen sie aber nicht. Mehr Beweis für die Notwendigkeit des Instituts gerade hier in Deutschland braucht es eigentlich nicht.