Oder: Warum führende Marktplatzanbieter die Logistik dominieren werden
Im K5-Blog habe ich eine längere Analyse über Amazon und seine gigantischen Logistikambitionen geschrieben; Instapaper geht von einer Lesedauer von 16 Minuten aus.
Die Hauptthese, die gerade von Amazon wie von keinem anderen aggressiv vorangetrieben/unterstrichen wird: Dank des Kundenzugangs kann ein (großer!) Marktplatzanbieter in die Logistik einsteigen und da etwas signifikant bewegen. Da die aktuelle Logistik den wachsenden Onlinehandel nur bedingt gut bedient, gibt es dank dieser Marktentwicklung auch eine große Marktchance. (Die heutige Zustellerbranche kommt einfach aus dem Katalogversanddenken nicht heraus. Was natürlich auch an den hohen Kosten bei allem in der Logistik liegt.)
Besonders im Logistikbereich sorgen hohe, fixe Anfangskosten und Skaleneffekte dafür, dass Marktplatzbetreiber wie Amazon und Zalando natürlich ganz andere Strukturen aufsetzen können, als der Nischenonlinehändler oder -hersteller, der auf diese Marktplätze setzt. Im Detail ergeben sich dann natürlich wachsende Machtasymmetrien, wenn ein Marktplatz, wie aktuell der Amazon Marktplatz, zunehmend an Reichweite gewinnt und so Konditionen diktieren kann.
Gleichzeitig bieten sich bei dieser Arbeitsteilung riesige Marktchancen für alle Beteiligten. Arbeitshypothese: Der Logistiksektor wird künftig von den Logistikarmen der Marktplatzanbieter dominiert werden.
Vor diesem Hintergrund werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Aktivitäten von Amazon an der Logistikfront, um ein Gespür dafür zu bekommen, wo die Reise hingeht und wie weit Amazon bereits vorangekommen ist.
Auf Bloomberg wurde vor kurzem über Amazon Flex berichtet, ein Programm, das wohl bald in den USA ausgerollt werden soll, und das ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Puzzlestück von Amazons Marktplatz-Logistik ist:
Mit Seller Flex übernimmt Amazon die Frage, welcher Dienstleister die Pakete vom Warenlager zum Kunden bringt. Das kann UPS und FedEx und hierzlande DHL sein, aber auch einer der Amazon-Dienste. Der Verkäufer übergibt diese Entscheidung Amazon. Gleichzeitig bekommen die (Amazon-Marktplatz)-Kunden mehr Produkte, die per kostenfreier Zwei-Tage-Zustellung bei ihnen ankommen.
Denn Seller Flex stellt die Organisationsebene dar, die alle internen Logistikdienste und externen Dienstleister vereint für Marktplatzverkäufer zugänglich macht:
Das kommende Seller Flex ist ein wichtiges Puzzlestück, weil es die Verbindung zwischen allen Amazon-Lieferdiensten und den externen Diensten darstellt. Amazon braucht diese Organisationsebene, die alles einbezieht (und miteinander konkurrieren lässt), um das effizienteste Logistik-Gesamtprogramm bieten zu können.
Die Logistik lernt hier Micro Services auf Marktseite kennen. Die Nachteile oder zumindest die Herausforderungen für den Logistikbereich sind offensichtlich:
Im Verbund mit Flex und co. wird damit auch die Gefahr für DHL, die durch Seller Flex entsteht, deutlich: Mit dieser automatisierten Organisationsebene atomisiert Amazon die Wahl des Zulieferers. DHL und co. haben künftig Vereinbarungen mit Amazon Seller Flex, nicht mehr mit Marktplatzhändler XY. Zuschläge bekommen sie nur, wenn sie die aktuell beste Option darstellen. Da die Marktplatzhändler von Amazon in der Masse für einen signifikanten Paketumsatz sorgen, werden sich auch die größten Logistikdienstleister kaum lange dagegen verwehren können. Die Logistiker werden also unter einen noch stärkeren Preis-/Leistungsdruck geraten.
Ein Vergleich:
Zur Verdeutlichung: Amazon baut das Google News, für das DHL, Hermes und co. die Medien sind.
Ebenfalls interessant sind die Amazon Hubs, vergleichbar mit den Paketkästen von DHL. Für einen auf Service-Seite vertikal integrierten Marktplatzanbieter wie Amazon bieten sich bei Paketkästen mehr Möglichkeiten als für Logistikdienstleister wie DHL:
Langfristig könnten die Hubs zu einem zweischneidigen Schwert für den Onlinehandel werden. Schlichte Lieferungen mögen für alle offen sein und bleiben. Aber was Amazon zusätzlich an Services auf eine große Verbreitung der Hubs aufsetzen kann, wird dann Amazon und seinen Marktplatz-Händlern vorbehalten bleiben. Die Hubs können für Retouren genutzt werden. Mit Hubs fällt die Notwendigkeit der Paketverpackung weg (stattdessen kann der vertikal integrierte Marktplatz/Logistik-Handelsdienstleister mit wiederverwertbaren Behältern arbeiten, das spart Kosten bei Amazon und (viel wichtiger) Nerven beim Kunden). Auch gekühlte Einschub-Einheiten für Amazon Fresh sind eine naheliegende Weiterentwicklung.
Theoretisch könnte das auch von DHL angeboten werden. Aber um solche komplexen (und am Anfang kostenintensiven) Programme zu etablieren, hilft es, wenn alle Beteiligten auf allen Ebenen an einem Strang ziehen. Das kann bei DHL, egal wie gut man sich mit Launch-Partnern versteht, per definition nicht so gut sein wie bei Amazon.
(Amazon ist immer der erste und beste Kunde der neuen Dienste, ob AWS oder Logistik. Sobald es rund läuft, wird es für Externe geöffnet.)
Fazit:
Amazon verfolgt alle Wege und Mittel, mit welchen die gesamte Logistik des Onlinehandels besser umgesetzt werden kann. Das Paket muss zum Kunden, Punkt. Auch die Stoßrichtung wird deutlich: Nimmt man alles zusammen, erscheint es nicht nur als wahrscheinlich sondern als unausweichlich, dass Amazon in wenigen Jahren eine Logistikmacht darstellen wird.
Zweitens, die Logistikanstrengungen dürfen nicht losgelöst vom Rest von Amazon betrachtet werden. Amazon ist kein ‚gewöhnlicher‘ Onlinehändler, der begonnen hat, immer mehr in der Logistik selbst zu übernehmen. Amazon hat mit dem Marktplatz und mit Amazon Prime zwei sehr große, und größer werdende, Hebel, um Logistikdienste voranzutreiben.
Wer sich für das Thema interessiert, bekommt einiges an Denkanstössen in der Analyse geliefert.
Denn wenn große Marktplatzanbieter unausweichlich zu führenden Logistik-Organisatoren werden, dann betrifft das nicht nur Amazon, sondern auch zum Beispiel Zalando und Alibaba.