11. Dez. 2012 Lesezeit: 2 Min.

Medientransformation verläuft nicht linear

Thomas Koch auf Carta zum Medienwandel allgemein:

Geben Sie's zu: Das haben Sie auch gedacht. Und? Denken Sie das noch immer?

[..]

Tina Beuchler sieht das Drama an ihren Zahlen. Sie ist Head of Media Communication beim Werbe-Riesen Nestlé. Sie beklagt den zu geringen und inzwischen sogar einen sinkenden Return On Media Investment. Sie meint damit TV. Das ehemals überlegene, unverzichtbare und stets zuverlässige Leitmedium der großen Werbemarken gerät in die Bredouille. Es zerfasert in unendlich viele, digitale, mikro-kosmische Einzelfragmente. Die Zeiten hoher TV-Reichweiten und höchster Aufmerksamkeit vor dem Bildschirm sind bald vorbei. Das nenne ich mal Transformation pur.


Egal, ob Print, TV oder Hörfunk: Strukturwandel verläuft nicht linear. Das sollte man bei all diesen Beobachtungen immer im Hinterkopf behalten.

Die Medientransformation wird nicht, sie kann gar nicht, linear verlaufen. Sie ist keine vorhersehbare Straße. Sie ist ein Riss in einem Staudamm, der immer größer wird. Die wichtigste Frage lautet, wann aus dem Riss ein Dammbruch wird. Denn das ist der Punkt, an dem die Wertschöpfungsnetzwerke wegbrechen.

Mittlerweile weiß jeder, dass die Werbebudgets noch dem Konsumverhalten hinterherhinken. Es wird im Verhältnis noch immer sehr viel für Print und TV ausgegeben, obwohl die Reichweiten zurückgehen respektive stagnieren, während dort, wo die Leute heute sind, die Werbeflächen im Überfluß und günstig sind.

An dem Punkt, an dem Print und TV ihre Sonderpositionen qua Tradition verlieren, werden die Branchen mit Entsetzen auf einbrechende Dämme schauen.

Es beginnt mit Zahlen, die belegen, dass die Verteilung der Werbebudgets nicht mehr mit der Konsumverteilung vertretbar korreliert. Es beginnt mit ersten Anekdoten aus Konzernen, in denen Entscheider an der Sinnhaftigkeit von Werbung in Print und TV beginnen zu zweifeln.

Wenn dann die ersten großen Unternehmen beginnen, ihre Budgets immer weiter zu verschieben, dann folgt der Rest schnell, eben ganz die Herde. Die Werbeagenturen, die an dieser Verschiebung aus verschiedenen Gründen kein Interesse haben, können diese Entwicklung verlangsamen, aber nicht aufhalten. (Und die Verlangsamung macht den unvermeidbaren Wegbruch der Werbeeinnahmen perfiderweise noch abrupter, weil sie das graduelle Absinken behindert hat.)

Das Problem ist natürlich auch, dass die Budgets maximal zu einem kleinen Teil in Richtung Bannerwerbung auf den Onlineablegern der Presseverlage wandern. (Der weitaus größere Teil geht mittelfristig in Richtung Facebook-Fanpages, Corporate Medien, YouTube und AdSense und Co.)

Werbekunden sind ein Teil, ein sehr wichtiger Teil, des Wertschöpfungsnetzwerkes von Massenmedien. Und langsam aber sicher stellt dieser Teil fest, dass sich etwas ganz grundlegend verändert.

Egal, wie bitter 2012 für den Journalismus und die etablierten Medien in Deutschland bereits ist, wir haben gerade erst angefangen, kollektiv die Existenz des Risses zu akzeptieren, weil wir nun erstmals auch in Deutschland genügend große Indizien vor uns liegen haben, die wir nicht mehr ignorieren können.

Das ist keine gute Ausgangslage.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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