Kurt Imhof, " Journalismusqualitäts-Forscher", im Interview mit Carta, mit Anmerkungen von mir:
Nötig ist eine Neuverteilung der bisherigen Gebührenmittel – möglichst ergänzt durch zivilgesellschaftliche Gelder aus Stiftungen – primär für den professionellen Informationsjournalismus nach journalistischen Qualitätskriterien und zwar unbesehen vom Anbieter. Allerdings kommen Mischanbieter von Gratis- und Bezahlmedien hierfür nicht in Frage.
Solche Forderungen klingen immer gut. Sie klingen zumindest so lang gut, bis man anfängt, darüber nachzudenken, welche Instanz entscheiden soll, welches journalistische Produkt dem Ideal des "professionellen Informationsjournalismus nach journalistischen Qualitätskriterien" entspricht und somit Gelder erhält, die andere nicht erhalten sollen.
Der “Gratismarkt” via Online, Print, Radio und TV produziert andere Aufmerksamkeitslandschaften auf der Basis eines ressourcenschwachen Journalismus.
Das was Imhof "Gratismarkt" nennt, ist ein werbefinanzierter Markt. Nahezu jedes Printpresseprodukt ist werbefinanziert; eine Praxis seit mehr oder weniger 180 Jahren. Beim "Gratismarkt" ist der Anteil 'lediglich' höher. (Dass einem Journalismusqualitäts-Forscher dieser Umstand nicht klar ist, oder er ihn zumindest so weit ignoriert, so dass er eine mehr oder weniger willkürliche Unterscheidung vornehmen kann, ist zumindest bemerkenswert.)
Was Imhof gefördert wissen will:
General-Interest-Medien mit ausgebauten und in Ressorts strukturierten Redaktionen. Die Förderungskriterien müssen sich – neben strukturellen Indikatoren wie Ausbildungsmöglichkeiten, Ressourcen, Redaktionsstatute, Ressortstrukturen etc. – an den Qualitätskriterien des professionellen Journalismus orientierten, also Universalität bzw. Vielfalt, Relevanz, Aktualität und Professionalität.
Imhof hält das, was in der industriellen Printpresse als Angebot gewachsen ist, auch in der vernetzten Informationsgesellschaft für den einzig gangbaren Weg. Das ist ein Irrglaube, weil er die Produktionsprozesse und ihre Rahmenbedingungen ausblendet.
Seine Begründung:
Themenzentrierte Blogs und Special-Interest-Publikationen können diese Koorientierung nicht leisten, sie erfüllen weder die demokratienotwenige Forums- noch die Kritik- und Kontrollfunktion und schon gar nicht die Integrationsfunktion. Die Blogs und Special-Interest-Publikationen haben einen ergänzenden und vertiefenden Charakter, sie bilden keine öffentliche Arena wechselseitiger Beobachtung.
[..]
Nicht finanzierbare themenzentrierte Netzangebote mit ihren fluiden Kleinpublika sind schlicht nicht in der Lage den Ordnungsproblemen der nationalen und transnationalen Gesellschaft diejenigen Arenen zu verschaffen, auf denen sie um Definitionsmacht kandidieren können. Das entwertet die tausenden von blühenden Blumen nicht – sie dienen auch der Meinungsbildung – aber es verortet sie als kleine Schleusen im komplexen Netz aller Kommunikationsflüsse, die in den Arenen der öffentlichen Kommunikation zusammenfließen müssen, um Relevanz zu erzeugen.
Imhofs Irrglaube: Er vermutet, dass eine agendastiftende Entität immer nur über große hierarchische Gebilde mit General-Interest-Ausrichtung entstehen kann (weil das immer schon so war). Was er vergisst, ist die Vernetzung und die sich aus ihr ergebenden Möglichkeiten.
Die neuen "Arenen der öffentlichen Kommunikation": GoogleNews, Rivva und Techmeme als erste Beispiele können als Aggregatoren der online aufblühenden Special-Interest-Publikationen die Lücke füllen, so sie denn gefüllt werden muss.
Besser sogar: Liefern die Aggregatoren doch ein gesellschaftsnäheres Bild ab, weil sie die Themen marktlich anhand der Diskurse der Experten gewichten, statt anhand der gering gesamtgesellschaftlich repräsentativen Diskurse zwischen wenigen Personen mit viel Macht innerhalb einer Hierarchie (vulgo: Redakteur).