Hi,
heute gibt es unter anderem noch ein paar mehr Gedanken zu den jetzt und auf absehbare Zeit auf den Markt kommenden KI-Consumergadgets. Ich möchte aber explizit darauf hinweisen, dass der weitaus größere gesellschaftliche Impact von generativer KI in den nächsten Jahren im Robotik/Maschinenbau geschehen wird.
Marcel
Im Fokus dieser Ausgabe:
- Exchanges: TikTok Shop hat als Entertainment-Plattform mit nahtloser E-Commerce-Integration aktuell die besten Chancen, das nächste Amazon zu werden.
- KI-Wearables sollten sich auf eine Kernaufgabe fokussieren, die in das Gesamtangebot des Unternehmens eingebettet ist, anstatt Smartphones ersetzen zu wollen.
- Adobe integriert KI-Features und Schnittstellen zu externen Modellen in seine Produkte und macht sich so relativ disruptionssicher.
- DMA wirkt: Apple erlaubt Videospielkonsolen-Emulatoren im App Store, um präventiv potenziell attraktive App-Plattformen in den Appstore zulassen.
- Immer mehr junge Nutzer:innen beginnen ihre Online-Suche auf TikTok statt Google, was auch Such-Konkurrenten wie Amazon oder Perplexity hilft.
- und mehr
Podcast: Exchanges über die Bedeutung von TikTok Shop
Exchanges #348: TikTok Shop vor dem Deutschandstart – Exciting Commerce:
TikTok Shop-Talk in den Exchanges. Vor dem Deutschlandstart sprechen Jochen Krisch und Marcel Weiß nochmal ausführlich über TikTok Shop und warum es als Entertainment-Plattform mit seinem Modell (Bewegtbild + Stories + nahtlose E-Commerce-Integration) aktuell die besten Karten hat, das nächste Amazon zu werden.
TikTok sorgt bereits für Verkäufe in branchenveränderndem Ausmaß, man denke etwa an Booktok.
Jetzt wird das auf der Plattform selbst umsetzbar. Wenn die Transaktionen direkt auf die Plattform wandern, werden sie reibungsfreier, was zu noch mehr Impact (sprich noch mehr ausgelöstem Umsatz) führen sollte.
Ich hatte in Nexus 174 OMR zitiert und das hier über Booktok geschrieben:
Auch hierzulande hat Booktok mittlerweile spürbare Auswirkungen auf die Branche, so wie in den USA seit Jahren:
Booktok funktioniert natürlich am besten bei Fiktion, da wiederum bei Genres wie Fantasy etc.
Das ist eine direkte Folge der emotionsgetriebenen Communities und der Tatsache, dass wir hier vor allem von Souvenieren sprechen.
Ein weiteres Beispiel aus den USA via Publishers Weekly:
Libby McGuire, senior v-p and publisher of Atria, first noticed a sales bump in November 2020. By the summer of 2021, the bump became a surge: since the start of June, weekly sales have averaged about 17,000. McGuire said Atria has gone back to press 24 times since November to keep up with demand. “We are printing as quickly as we can,” she said, “and expect to go back several times through the fall.” The novel has sold more than 308,000 copies since the start of 2021—with sales peaking at just over 29,000 copies in the week ended August 14—and just shy of 450,000 since its 2016 release, according to BookScan.
It Ends with Us has become what Atria’s senior associate director of publicity, Ariele Fredman, called “the book of the summer”—despite the fact that it was published five summers ago.
An Booktok sieht man auch, worüber wir in den Exchanges etwas allgemeiner sprechen: TikTok Shop ist erstmals in großem Stil ein impulsgetriebener, emotionalerer Verkaufskanal und das hat natürlich Auswirkungen darauf, was wie viel dort Anklang findet. Das trifft auf alle Produkte zu, die auf TikTok Shop stattfinden (werden).
In Nexus 81 hatte ich 2021 über Booktok und die interne Arbeitsweise der TikTok-Plattform nachgedacht:
Es gibt natürlich Leserattencommunities auf Facebook, YouTube oder Instagram (und es gibt Goodreads). Keine erzeugt Bestseller in dieser Größenordnung.
Was unterscheidet TikTok von diesen? Meine These: Der algorithmische Ansatz sorgt dafür, dass Inhalte, wenn richtig aufbereitet, sehr viel stärker über ihre Kernzielgruppe hinaus wandern können.
Ein Beispiel: Ich kann auf Instagram Buchautorinnen folgen und ich kann Buch-Hashtags folgen. Mache ich beides nicht, bekomme ich wenig Buchempfehlungsinhalte auf Instagram angezeigt. Interessiert mich auch vielleicht nicht.
Ich muss also bereits bevor mir Instagram Buchinhalte algorithmisch präsentiert, mich aktiv für Buchinhalte entschieden haben. Auf TikTok dagegen gibt es unzählige Parameter über die algorithmisch ein Inhalt mir zugeordnet werden kann und dann in meiner FYP landet. Das kann Buch-Interesse sein, das kann aber auch etwas anderes sein, das hier zusammenfindet.
Dieser Umstand plus das kurze virale Format von TikTok sorgen für eine qualitativ hochwertige Zirkulation der Inhalte über die Kerncommunities hinaus.
Themen der vorherigen Ausgabe
- Zitat der Woche
- 2 Podcastempfehlungen der Woche
- 🤖 KI
- 🛒 Onlinehandel
- 📺 Medienwandel und vernetzte Öffentlichkeit
- ✴️ Mehr Wissenswertes
🤖 KI
Gadgets vs. Smartphones: AI Pin, Limitless, was heute geht, was nicht
Zu viel auf einmal
In Nexus 196 habe ich über die Reviews des Humane AI Pins geschrieben und abschließend u.a. das hier angemerkt:
Hinzu kommt ein, wie ich finde, signifikanter Fehler des Unternehmens. Öffentliche Informationen finden und aufbereiten sollte entweder nur eine Funktion am Rande sein oder gar nicht Teil des Geräts. Ganz offensichtlich kann es das heute noch nicht gut genug.
Die Gefahr hier: Der Alexa/Siri-Effekt, bei dem sich in der Öffentlichkeit etabliert, dass das Versprechen einfach nicht gehalten werden kann.
"Wir ersetzen die Smartphones" ist eine der schwersten aller Aufgaben, die man seinem Consumergadget aufladen kann. Es sind die populärsten und vielseitigsten Computer, die wir besitzen. Computer, die nebenbei von den zwei mächtigsten Softwareplattformen aller Zeiten angetrieben werden.
Limitless: der richtige KI-Wearables-Ansatz
Den sinnvolleren Ansatz habe ich diese Tage bei Limitless gesehen:
- Limitless hieß vorher Rewind und ist ein KI-basierter Dienst, der alles, was man gesagt oder gehört hat, aufzeichnet, transkribiert und analysiert, um ein personalisiertes digitales Gedächtnis zu erstellen und zugänglich zu machen.
- Ursprünglich katalogisierten sie dafür "nur" alles, was auf dem Rechner gemacht wird.
- Für diesen Zweck haben sie ein Wearable angekündigt (Pendant), das als permanentes Mikrofon dienen soll.
Lassen wir die üblichen deutschen Bedenken einmal außen vor und schauen nur auf das, was die Aufgabe des KI-Wearables sein wird:
- Das Wearable unterstützt den Dienst dahinter. Es macht die Nutzung des Dienstes besser weil reibungsfreier. Es hat eine Aufgabe.
- Und diese Aufgabe ist eingebettet in das Gesamtangebot des Unternehmens.
- Das Gesamtangebot des Unternehmens ist Gedächtnis, nicht 'quasi alles was mobile Apps können'.
Ich weiß nicht, wie gut die Erfolgsaussichten von Limitless sind. Nur eins ist sicher: Dieser servicegetriebene Hardware-Ansatz wird die Grundlage für erfolgreiche KI-Consumergadgets sein.
Weitere Gadgets werden kommen
Gerüchteküche brodelt weiter: Ex-Apple-Designer Jony Ive diskutiert weiter mit Sam Altman über ein KI-Gerät. Tan Tang, Apples scheidender Vizepräsident für iPhone- und Watch-Produktdesign, ist diesem Projekt beigetreten. (Business Today,
The Verge)
Prognose: Hardware, und der damit verbundene direkte Zugang zu Nutzer:innen und die reibungslose Verwendung, sind zu wichtig, um hier nicht direkt aktiv zu sein. OpenAI ist in Rekordzeit zu einer weltweit bekannten Marke geworden. Natürlich wird OpenAI/Altman hier etwas versuchen.
Und natürlich wird Microsoft das erste KI-Gadget-Startup übernehmen, das sich als vielversprechend heraussschält.
(Im morgigen FAZ-Deconomy-Newsletter schreibe ich über Googles Circle to Search und Apples erste Signale Richtung generative KI in iOS als auch über das angekündigte KI-Phone der Telekom.)
Disruptionssicher: Adobes vorbildhafte KI-Integrationen
Adobe integriert KI-Features in Premiere Pro, wie vielerorts bereits berichtet wurde.
Das Entscheidende: Generative KI ist eine umfassende Basistechnologie, die Disruptionen ermöglichen kann aber ebenso bestehende Produkte großer Unternehmen besser machen kann. Adobe ist das Vorzeigebeispiel für letzteres.
Neben Integrationen direkt in die UI und proprietären eigenen Modellen arbeitet Adobe auch daran, eine Schnittstelle zu schaffen, die externe Modelle von OpenAI, Runway, und Pika Labs integrieren kann.
Vor allem Letzteres macht Adobe relativ disruptionssicher:
- Adobe hat die Nutzerschaft.
- Die Startups haben im Zweifel die bessere Technologie.
- Eine Integrationsoption sorgt im Markt dafür, dass ein Teil der Herausforderer sich lieber für Kooperation entscheiden, weil das früher (risikoärmer) Umsatz bringt.
Was lernen wir daraus?
Christensens Disruptionsbücher lesen und zu Herzen nehmen und jeden Anflug von "not invented here"-Kultur im Keim ersticken.
⚖️ Regulierung
DMA wirkt: Apple erlaubt Emulatoren
Apple hat vor kurzem seine Appstore-Richtlinien aktualisiert, um den Vertrieb von Videospielkonsolen-Emulatoren zuzulassen. Diese Änderung erlaubt es Entwicklern, Spiele-Downloads innerhalb dieser Emulator-Apps anzubieten, so dass die Nutzer eine große Sammlung klassischer Konsolenspiele erkunden können. (Macworld)
Die Aktualisierung der Richtlinien ist zwar, in meinen Augen, das indirekte Ergebnis des DMA, wird aber trotzdem weltweit angewandt.
Bis dato hat Apple solche Dinge, die Plattformen on top der iOS-Plattform darstellen, rigoros abgelehnt.
Jetzt scheint mir das ein relativ risikofreier Präventivschritt zu sein, eine potenziell attraktive Art von App-Plattformen im offiziellen Appstore zu etablieren.
Risikofrei, weil wegen der juristischen Grauzone wohl kaum große Consumerplattformen daraus erwachsen werden. Und davor hat Apple Angst. Weil das das Machtverhältnis umdrehen würde. Siehe etwa WeChat in China, auf das dort keine mobile Plattform verzichten könnte.
📺 Medienwandel und vernetzte Öffentlichkeit
Zahlen der Woche: TikTok als Suche
- Nur noch 46% der 18- bis 24-Jährigen beginnen ihre Online-Suche bei Google
- Im Vergleich dazu sind es 58% der 25- bis 39-Jährigen.
- Bereits 21% der 18- bis 24-Jährigen beginnen mit TikTok, während 5% auf YouTube beginnen.
Dieser Shift hat schon vor Jahren begonnen und wird, neben allem anderen, Google auf absehbare Zeit unter Druck setzen.
Diese Entwicklung hilft auch Amazon oder Startups wie Perplexity. Je weniger sich Google als One-Stop-Shop für Suchen aller Art in den Köpfen hält, desto besser für alle Konkurrenten, groß und klein.
✴️ Mehr Wissenswertes
Die sinkende Halbwertszeit professioneller Fertigkeiten. Faszinierend. - The Half-Life of Your Production Skills Is Probably Less Than Three Years:
During a part of the conversation about why governments have trouble innovating and regulating tech, Bill said “I think professions in the meantime to obsolescence or the half-life of professional training is probably five years now.” Meaning that if you come out of school or training with cutting edge skills in the latest research, technologies, best practices, tools, and ways of working in your field--what you know will be completely outdated in five years. If you don’t refresh those skills, you will be a dinosaur in roughly the time between World Cups.
I came across a Harvard Business Review article that basically says the same thing that Bill said, but also theorized that for tech workers, the half-life for their jobs is as short as 2.5 years. And this was written before the AI boom. Arguably, in AI, an unaugmented skills set could be outdated in a year.
Satelliten-Internet für Entwicklungsländer. Not Boring:
Astranis makes and launches satellites that provide affordable, reliable broadband internet to people in places like Mexico, Argentina, the Philippines, and Thailand. Astranis’ services already provide internet for millions of end users and generates over a billion dollars of revenue for the company. If you’re thinking, isn’t that what Starlink does? You’re not totally wrong, but you’re also not right.
Starlink takes a high-volume low-earth orbit (LEO) approach, while Astranis focuses on a more targeted geostationary orbit (GEO strategy) with smaller, lower-cost satellites than traditional operate that far out to provide affordable internet access to specific regions. Ultimately, this means Starlink serves a bunch of high willingness-to-pay customers and Astranis serves millions of customers in developing regions.
Early this week, Astranis unveiled its next-gen satellite, Omega. Omega is pound-for-pound the most powerful satellite in GEO. It promises to deliver better throughput at lower prices for its customers —50Gbps of internet capacity, from space
(Hervorhebung von mir)
Marqee Brownlees vernichtendes Review des AI Pins macht gerade die Runde, auch weil er über 18 Millionen Abonnent:innen auf YouTube hat. Interessant fand ich in dem Zusammenhang diesen Blick hinter die Kulissen der professionellen Medienproduktion für YouTube:
Brownlee’s team uses a custom-built Notion template to “dial in” every review. As a video gets written, Brownlee and several co-workers are testing the product, comparing notes, and fact-checking the final script.
“Every channel and every video [we create]…has a pre-production and post-production vetting step,” Brownlee told us.
Es gibt nur ein deutsches Massenmedium, das für seine Tests ähnlich rigoros vorgehen dürfte und das ist die Stiftung Warentest.
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