Hi,
dies ist die letzte öffentliche Ausgabe des Briefings vor der Sommerpause. Die nächste öffentliche Ausgabe erscheint Ende August. Nächste Woche erscheint kein Briefing. Danach geht es wöchentlich weiter mit Mitglieder-Briefings am Freitag. Bis wir Ende August in den Regelbetrieb zurückwechseln. Klingt kompliziert, ist aber so.
Happy Summer,
Marcel
Im Fokus dieser Ausgabe:
- Ich war in Podcasts.
- Meta legt ein offenes KI-Modell vor, das so gut wie die besten proprietären Modelle ist. Das ist ein enormer Boost für das Ökosystem und die Forschung rund um KI. Zumindest außerhalb Europas..
- Ein paar einordnende Worte zur US-Politik und Tech.
- und mehr
Zitat des Tages
The ethos of tech that I know is one of increasing freedom, human potential, and connection. It's of lifting people of all walks of life up and bringing them together. Donald Trump and today's GOP are anathema to that. I cannot fathom how anyone in technology can support them.
Podcasts
Exchanges #355: Die 10 größten Versäumnisse des Onlinehandels
Exchanges #355: Die 10 größten Versäumnisse des Onlinehandels:
Wie kommt der Onlinehandel aus der Sackgasse heraus? Das fragen sich Jochen Krisch und Marcel Weiß in den neuen Exchanges und nehmen sich in einer zweiteiligen Reihe die 10 größten Versäumnisse des Onlinehandels vor.
In Teil 1 der Reihe geht es um die unnötigen Abhängigkeiten:
Dazu passende Lektüre: Nexus 205: Google – das Ende der ersten unsichtbaren Plattform (Mitglieder)
MikroGespräch035 Marcel Weiss zur Auflösung der EU-Defizite bei künstlicher Intelligenz
Ich war bei den Mikroökonom:innen: (Premium)MikroGespräch035 Marcel Weiss zur Auflösung der EU-Defizite bei künstlicher Intelligenz - Mikroökonomen (für Mitglieder des Podcasts)
Ich habe vor allem darüber gesprochen, was in Europa in Sachen KI passieren muss. Es wurde eine hervorragende Zusammenfassung meiner jüngsten Gedanken und Überlegungen dazu. Nicht alles aber Vieles davon kann man hier nachlesen: Was Unternehmen in Europa von Apple Intelligence lernen müssen (Nexus 214)
Abundance Mindset, Werkzeuge schärfen, KI-Transparenz - AI und jetzt - Podcast
Marcel Weiß – Abundance Mindset, Werkzeuge schärfen, KI-Transparenz - AI und jetzt - Podcast:
Marcel Weiß, Analyst, Berater und Journalist für die digitale Wirtschaft, gibt Einblicke in seinen KI-gestützten Arbeitsalltag. Wie verändert generative KI seine Arbeit? Welche Tools nutzt Marcel und wie integriert er sie in seinen Workflow? Sollten wir transparent machen, wenn wir KI-Tools einsetzen? Wie finden wir die richtige Balance zwischen Effizienz und Authentizität? Und was bedeutet das alles für die Zukunft der Medienproduktion und -konsumption? In dieser Folge erkunden wir, wie KI unsere Art zu denken, zu recherchieren und zu kommunizieren verändert.
Manchmal (immer) ist es gut, wenn man die Dinge die man macht und denkt, auch einmal ausspricht.
Die Sortierung der eigenen Gedanken führt immer zu einer Art von Reflektion. Deshalb ist Schreiben so wichtig. In diesem Podcastgespräch-Fall ist mir aufgefallen, dass ich mehr an den KI-gestützten Prozessen in meinem Arbeitsalltag feilen sollte.
Kevin Kelly wies neulich darauf hin, dass diejenigen erfolgreich sind, die mehr auf den Prozess als das Ergebnis des Prozesses achten. 15 Minuten jeden Tag auf die Verbesserung der eigenen Prozesse anwenden, bringe sehr viel. Es summiert sich.
Themen der vorherigen Ausgaben
- Zitat des Tages
- 🤖 KI
- 📱💸 Big Tech
- 🚌 Transportsektor
- 📺 Medienwandel und vernetzte Öffentlichkeit
- 🌐Der globale Blick
🤖 KI
Meta Llama 3.1 405B: Das Linux für KI
Das Wichtigste:
- Metas neues Modell Llama 3.1-405B ist groß. (405 Milliarden Parameter)
- Es ist bei vielen (nicht allen) Benchmarks gleichauf mit GPT-4o und Claude 3.5 Sonnet, den besten geschlossenen Modellen.
- Es ist damit das erste offene Modell, das qualitativ ganz vorn ist.
- Offen: Open Weights und eine vergleichsweise freie Lizenz. Das Modell kann von allen benutzt werden, die weniger als 700 Millionen Nutzer:innen haben. Finegetunete und abgeleitete Modelle müssen Llama im Namen tragen.
- Kontextfenster mit 128k Token ebenfalls ausreichend groß.
- Aufgrund der Größe recht teuer, als SaaS-API wird es wohl ungefähr so viel kosten wie GPT-4o. Dafür lohnt es sich also nicht wirklich.
- Im Training auf bessere Mehrsprachigkeit getrimmt: Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Hindi, Spanisch und Thai.
Mehr auf Hugging Face.
Konsequenzen:
- Das ist ein enormer Boost für Open Source KI. Llama 3.1 wird die Basis für viele abgeleitete, spezialisierte Modelle werden. Aufgrund der Qualität wird es viele Investitionen rechtfertigen, die bis dato nicht gemacht wurden.
- Open Weights bedeutet auch, dass irgendwann Varianten ohne Guard Rails zirkulieren werden.
- Meta etabliert sich im Zentrum dieses wachsenden Ökosystems. Dort stehen sie neben Hugging Face und Nvidia. Meta hat ganz offensichtlich die größten Ressourcen und sehr gute Expertise für Open Source KI.
- Und als einziger Tech-Konzern ohne Cloud Computing können sie die Modellebene weiter kommodifizieren, weil sie hier kein API-Geschäft haben.
Stellt sich allerdings die Frage, wo selbst für Meta die Grenze bei den Investitionen liegen wird. Größere Modelle sind automatisch teuer. Und langsam reden wir hier von richtigem Geld.
Wichtig für Europa: Llama 3.1 405B ist laut AI Act groß genug, um ein systemisches Risiko darzustellen. (via)
Das bedeutet, theoretisch darf noch kein:e EU-Bürger:in das Modell einfach runterladen und nutzen. Erst muss Meta die EU-Kommission informieren und sich erklären.
Fun Fact: Llama 3.1 405B übersteigt die von der EU für das Training festgelegte Computinggrenze, ab wann es systemisch risky werde, bereits um das 3,8fache.
Und jetzt?
Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
US-Politik und Tech
Vance
Zwei lesenswerte Texte zum VP-Pick von Trump:
- Casey Newton in Platformer: The e/accs inch closer to the White House
- Christian Stöcker auf Spiegel: Effective Accelerationism: Die neue Silicon-Valley-Ideologie ist dunkel und kalt - Kolumne
Vance ist nicht nur Hardcore-MAGA, er dürfte für Trump vor allem eine Melkkuh darstellen. Den Thiel-Zögling Vance zum VP-Pick zu machen, hat Musk und wohl auch Andreessen und andere als Donors gesichert. ('Nimm Vance und du bekommst von uns Geld' ist Trumps Sprache.)
Die Tech-Giganten (die btw. nicht "Tech" als Ganzes repräsentieren) scheinen hier einen direkten, beeinflussbaren Weg in das US-Machtzentrum zu erhoffen. Alles Gute kann den Milliardären helfen, alles Schlechte wird nicht bis zu ihnen durchdringen.
Interessant ist/war das Timing. Musk versprach laut WSJ 45 Millionen $ pro Monat an Trump und Andreessen und Horowitz bekannten sich zu Trump-Unterstützern bevor Biden aus dem Rennen ausschied. Nach Bidens Austritt dementierte Musk (Zeit).
Das ist insofern interessant, als das es hier erscheint, dass die VCs auf den vermeintlich offensichtlichen Gewinner setzen wollten.
a16z
Das Erstaunlichste hier ist vielleicht, wie strategisch unklug a16z hier vorgehen.
Let me explain.
Es mag sein, dass die Republikaner eher pro-Business sind, eher für geringe Steuern etc. pp., und dass die Demokraten unter Biden nicht sehr Tech-freundlich (und nicht sehr Crypto-freundlich) sind/waren.
Das alles spielt aber keine Rolle aus einem einfachen Grund: 6. Januar 2021. Jede Mutmaßung, was eine 2. Trump-Administration für die US-Demokratie bedeuten würde, ist mit den Vorgängen von diesem Tag alles andere als theoretisch. Eindeutig, greifbar. Da gibt es nichts zu deuten, und nichts zu rütteln.
Es gibt zwei mögliche Wahlausgänge im November:
- Trump gewinnt: a16z und co. haben auf den Gewinner gesetzt. Und dabei geholfen, die US-Demokratie zu beenden. Alle US-Gründer:innen wissen das.
- Trump verliert: a16z und co. haben auf den Verlierer gesetzt. Und fast dabei geholfen, die US-Demokratie zu beenden. Alle US-Gründer:innen wissen das.
Für Hinterzimmer-Strippenzieher-VCs wie Peter Thiel mag das kaum Auswirkungen haben. a16z ist sehr viel öffentlicher unterwegs und verfolgt eine klare eigene Medienstrategie. Dieser offizielle, offensive Schwank Richtung Trump mit eigener Verkündung in einem Podcast der zwei Gründer wird das Unternehmen noch lang verfolgen.
Der Bürgerkrieg der US-Eliten
Eine gute Einordnung gibt es bei The Verge: The moral bankruptcy of Marc Andreessen and Ben Horowitz - The Verge.
Man könnte diese Passage als selbstüberschätzend einordnen:
The pair’s complaints about Gary Gensler, the current head of the Securities and Exchange Commission, are striking. They are particularly annoyed that he won’t pay attention to them. “We’re the largest crypto investors or largest blockchain investors in the world, and we’ve requested meetings with him at least a half a dozen times,” Horowitz says. Gensler has not met with them. Neither, they say, has Senator Elizabeth Warren or Biden himself.
Aber wenn wir alle persönlichen Bewertungen einmal außen vor lassen, und diese Aussage nüchtern betrachten, dann muss man festhalten, dass es mindestens ungewöhnlich ist, den größten Stakeholder im Land, wenn nicht der Welt, bei einem Thema, das reguliert wird, nicht einmal mit Meetings, selbst als Ritual, zu bedenken. So arbeiten westliche Regierungen nicht, ob man das mag oder nicht.
Dass sich dieses Regulierungsverhalten bei KI fortsetzt, ist nicht völlig abwegig:
Andreessen says in his newsletter-cum-manifesto, “The Little Tech Agenda,” that he is worried that AI will face similar scrutiny to crypto.
Es ist vor allem deshalb nicht völlig abwegig, weil es bei KI einen noch größeren Gegner als Krypto (da ist es das Bankensystem) geben könnte: White Collar.
Ich sage das, weil Andreessens andere öffentliche Äußerungen sehr deutlich machen, dass es hier einen sichtbaren Bürgerkrieg unter den Eliten der USA gibt. Man mag darüber lachen, dass der Milliardär Andreessen sich nicht als Establishment sieht. Aber tatsächlich sind es zwei Gruppen mit unterschiedlichen Sichtweisen, die sich schwer bis gar nicht in links/rechts einordnen lassen.
Ein Beispiel:
Ich möchte deshalb nochmal eindringlich diesen Text von vor einem Jahr allen ans Herz legen: Silicon Valley’s Civil War - Tablet Magazine
The Davos cohort eventually learned how to embed itself within every cultural sector. The counterelite, by contrast--who cannot muster the courage to call themselves elites--remains reluctant to don a suit and emerge from their reclusive hiding place behind a screen. [...]
"Tech people didn't participate in government," Mike Solana, who writes Pirate Wires, the technology newsletter, once said in an interview. "They abdicated that responsibility and in its place came horrific policy that crippled the entire region."
For the counterelite to live up to its own loftiest visions of individualism, progress, and the unfettered pursuit of opportunity, they will need to be judged by what they build that is of lasting benefit--not just for themselves, but for the entire country.
Zum Establishment-Thema passt auch Semafor: Wall Street money machine whirs back to life for Kamala Harris
Mir scheint, zumindest Horowitz und Andreessen sind jetzt bereit, von hinter ihren Screens hervor und in die Machtzentren direkt zu gehen und direkter mitzumischen.
Es ist bezeichnend, dass sie dafür weder politisches Gespür noch Integrität gezeigt haben. Denn: 6. Januar 2021. Unmissverständlich und deutlich.
Tech ist nicht eine Branche
Und Tech ist erst recht nicht nur das Valley oder nur ein paar öffentlich sehr bekannte VCs.
Das sieht man besonders an diesen Zahlen, Benedict Evans:
Apropos of nothing in particular, Silicon Valley voting...
2020 US presidential election:
San Francisco was 85% for Biden
San Mateo (most of Silicon Valley) was 78% for Biden
Santa Cruz (south of SV) 79% Biden
Santa Cara (inland) 73% Biden
Most people in tech build something fairly boring and useful, pay a mortgage (or too much rent), commute to work, barely know who Peter Thiel is, have entirely normal politics, and worry about school boards and traffic.
Oder Wired: Silicon Valley donors bailed on Biden. Kamala Harris is winning them back
Hours after President Joe Biden announced that he would be dropping out of the 2024 presidential race, Democratic megadonors in Silicon Valley were already lining up to support Vice President Kamala Harris at the top of their party’s ticket.
Sollte Trump gewinnen
Niemand weiß, was im November passieren wird. Sollte Trump gewinnen, dürften vor allem zwei Dinge klar sein:
- KI wird weitestgehend unreguliert in den USA weiterentwickelt werden.
- Meta hat ein Problem.
Die indirekten Folgen einer Trump-Präsidentschaft wären für Europa natürlich sehr viel einschneidender. Am deutlichsten beim Thema Russland und die Ukraine.
Wie immer lesenswert dazu Noah Smith: Europe's fate is in Germany's hands now
So oder so: Spätestens nach 4 Jahren Harris wird es sehr wahrscheinlich, dass die Zeit für einen Republikaner im Weißen Haus gekommen sein wird. Wer auch immer das sein wird, es sieht aktuell nicht so aus, als wenn diese Person sich in ihren Ansichten stark von Trump unterscheiden wird. Er wird nur jünger sein.
✴️ Mehr Wissenswertes
Aus der beliebten Abteilung: Es überrascht überhaupt niemanden. Die aktive Nutzung von Bluesky ist rückläufig. Philipp Mutzbauer auf Bluesky:
Insgesamt geht ist die Zahl der aktiven Poster:innen seit Monaten relativ stabil mit leichtem Abwärtstrend. Es findet also kein wirkliches Wachstum unter den Aktiven statt. Gleichzeitig sind viele der bekannteren User:innen zu Threads oder zurück auf X abgewandert.
Das Interessanteste an Bluesky (und zum Teil an Mastodon) ist, wie Manche sich so sehr an das toxische Aneinanderreihen von Aufregern in den Kaffeepausen ihrer langweiligen Bürojobs gewöhnt haben, dass sie auch nach Verlassen von Twitter damit weitermachen. Auf Bluesky, das keinerlei Reichweite hat, ist dieses Verhalten, das vor allem immer andere (Peers, Journalist:innen) triggern soll, dank des nur imaginierten Publikums in erster Linie traurig.
Medienexperte und -Insider Brian Morrison macht keine Gefangenen beim Google-Thema in Twilight of the Hegemon:
Google took on the role of governor of the internet thanks to amassing massive power and a nearly $2.3 trillion market capitalization with its chokehold on distribution and monetization. With all those resources and five years it has arrived to the solution of a pop-up.
I think this will mark the high point of the stranglehold Google has on the open web. It was always a mostly benign hegemon, but this isn’t the same zany Google that out-executed all competitors with the tailwind of its dominant position.
Sehr interessante Ausführungen zu den Herausforderungen der Finanzierung von KI in China. ChinAI #274: After raising 3 billion, who else can large model startups get money from?:
Let’s leave you with this comparison to the U.S. context. Among people I talk to in the AI governance/tech policy/nat sec space, there’s this common misconception that the Chinese government will just throw unlimited funds at building next-generation AI systems. We see from funding trends with large model startups that this is just not the case. In fact, as this article finds, Chinese startups are still searching for the “patient capital” that their Western competitors have been able to attract; moreover, the most likely source of this patient capital is not from government-backed funds[..]
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