7. Feb. 2007 Lesezeit: 3 Min.

Steve Jobs und seine 'thoughts on music' und DRM - Ein Kommentar

Wie mittlerweile allseits bekannt sein dürfte, äußerte sich Jobs gestern zu DRM. Und sorgte wieder mal für einen Clusterfuck in der Blogosphäre. Schön u.a. auf dem englischsprachigen Blogtracker Techmeme anzusehen.

Zusammengefasst lautet seine Aussage: Lieber heute als morgen würde Apple gern itunes DRM-frei machen, aber die Musikindustrie lässt sie nicht. Und um das trotzdem zu erreichen, appelliert man an die Kunden, die großen Majorlabels zu bearbeiten. (yeah, wann war denn das letzte Mal, dass die Musikindustrie ihre Kunden überhaupt noch wahrgenommen hat, geschweige denn ihnen zuhörte?)

Man liest jetzt vieler orts die Begeisterung ob dieser Aktion von Jobs heraus. Jobs hat in der Tat etwas Gutes und Wichtiges damit getan. Seine Beweggründe und der Hintergrund hinterlassen hier aber einen bitteren Beigeschmack. Ich werde das kurz ausführen:

Apple und DRM

DRM im Appleuniversum bedeutet eine enge Verzahnung von Itunes und Ipod. Wer bei Itunes einkauft, der kann seine Musik nur mit Itunes und Ipod abspielen. Im Gegensatz zu Microsofts PlaysForSure-DRM hat Apple sein FairPlay-DRM nie an andere Unternehmen lizenziert. Dieses Silosystem hat dazu geführt, dass Apple Leute die einmal Ipod und Itunestracks besitzen, besser an sich binden konnte als es ohne möglich gewesen wäre. Denn ohne Ipod ist die bei Itunes erworbene Musik mehr oder weniger nutzlos. Apple hat nicht mit Itunes sondern mit Ipods seine großen Gewinne erzielt.

Jetzt verkündet Jobs, Apple würde DRM lieber heute als morgen abschaffen und nur die großen Majorlabels hindern sie daran. Unschönes Detail bei dieser Argumentation: Selbst wenn Labels oder Musiker ihre Musik auf Itunes DRM-frei verkaufen wollen, geht das nicht. Das heißt, Apple könnte DRM-freie Musik auf Itunes neben DRM-Musik verkaufen, macht es aber nicht. Warum nicht? Wie könnte man mehr Aufmerksamkeit schaffen für die für Jobs und Apple angeblich so wichtige DRM-Thematik als den Kunden zu zeigen, dass es auch anders geht? Und, dass es nicht an Apple liegt sondern an den Labels, die über ihre Lizenzen selbst entscheiden. Nach Jobs aktueller Argumentation würde Apple von DRM-freier Musik im Itunesstore profitieren, man würde mehr verkaufen. Das heißt, selbst wenn man im short term Kunden mit dieser vielleicht verwirrenden neuen Tatsache, dass es DRM-freie und DRM-verseuchte Songs nebeneinander zu kaufen gibt, verstören und verscheuchen würde, würde Apple doch nach Jobs im mid term, spätestens im long term, auch ökonomisch davon profitieren.
Folgt man Jobs Argumentation, spricht also nichts gegen DRM-freie Tracks in Itunes. Und zwar heute. Trotzdem findet man sie da nicht. Warum?

Steve Jobs, der Stratege

Weil Apple im Grunde DRM mag. So wie man bei Apple generell in Zäune verliebt ist. Jobs hat seine Position zu DRM nur um 180% gedreht, weil er, Stratege wie er ist, erkannt hat wie sich die Windrichtung geändert hat. Apple drohen Klagen in einigen europäischen Ländern wegen ihrer DRM-Politik. Das heißt, die DRM-Thematik wird demnächst höchstwahrscheinlich nicht mehr nur von Geeks diskutiert sondern auch in einer interessierten, breiteren Öffentlichkeit. Wenn dann aufgezeigt wird, wie es um Apple und DRM bestellt ist, dann kratzt das an Apples wichtigster Ressource: ihrem Image (R&D kommt erst an zweiter Stelle).
Das kann und darf Jobs nicht zulassen.

Und aus diesem Grund geht Apple in die Offensive und spielt den schwarzen Peter PR-wirksam den großen Majorlabels zu. Die ihn zweifelsohne auch verdient haben. Nur verschwiegen wird hier, dass zumindest die Hälfte der Schuld an der aktuellen Situation auch Apple, den Quasimonopolist im Onlinemp3-Geschäft trifft.

Man sollte auch nicht verschweigen, dass ein weiterer Grund die Ankündigung sein könnte, dass Amazon einen drm-freien MP3-Shop plant. Das Ende von DRM naht und Apple hat keine andere Wahl, als sich an die Spitze dieser Entwicklung zu setzen. Selbst wenn man es nicht will und die eigenen Aktionen den Worten diametral entgegenstehen. Es geht hier um Apples Image als Führer in Technologie und Kundenfreundlichkeit, das aufrechterhalten werden muss.

Fazit

Die Zeit von DRM neigt sich dem Ende zu. Man merkt es daran, dass die größten und gewieftesten Ratten das Schiff verlassen (wollen/ oder es zumindest verkünden). Insofern eine gute Nachricht. Und ein Artikel von Jobs gegen DRM, was auch immer die Gründe dahinter sein mögen, ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Ob man es mag oder nicht, die Diskussion rund um DRM gewinnt dadurch enorm an Fahrt.

Jobs hat also etwas Richtiges getan hat. Auch wenn der Hintergrund einen bitteren Beigeschmack hinterlässt.

weiteres Lesefutter u.a. auf BoingBoing und (fast jedem) anderen Blog Ihres Vertrauens.

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Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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