Johannes Kleske, ehemaliger Podcast-Mitstreiter und einer der sehr wenigen Menschen, die sich Zukunftsforscher nennen ohne unter dem Label Bullshit am Fließband zu produzieren, hat vor längerer Zeit Berlin Valley ein Interview gegeben, das jetzt auch online erschienen ist:
Es geht vor allem darum Orientierungs- und Entscheidungswissen zu generieren. Dabei macht gute Zukunftsforschung aus, nicht die eine Zukunft zu definieren, sondern eine Vielfalt aufzumachen, also Alternativen zu zeigen und einen Diskurs darüber zu erzeugen. Deswegen benutzen wir zum Beispiel auch die Mehrzahl: „Zukünfte“. [...]
Bilder prägen uns stark. Verdanken wir Tablets vielleicht nur dem Zufall, dass bei Star Trek irgendjemand gesagt hat: „Hey, so ein ‚Device‘ macht Sinn!”? Die Kraft eines Zukunftsbildes sehen wir an Elon Musk, der sehr gut darin ist, sein Narrativ zu propagieren. Dieses Narrativ, nämlich, dass die Menschheit einen Backup-Plan braucht, bildet den Kern all seiner Innovationen bei SpaceX. Es bringt uns also nicht weit, wenn wir uns nur einzelne Technologien anschauen und überlegen, wo diese hinführen, stattdessen müssen wir auf die Visionen hinter den Technologien blicken und das damit verbundene Ökosystem verstehen. Also, statt sich nur auf Tesla zu konzentrieren, müssen wir schauen, welches Bild Musk von der Zukunft der Mobilität malt. Was mich hier jedoch stört, ist, dass Musks Bild aktuell sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und es wenige Alternativen dazu gibt. Wir als Gesellschaft, aber auch die einzelnen Unternehmen, müssen endlich anfangen, eigene Bilder zu bauen, und ein Innovationsparadigma definieren. Das ist das, wo wir uns in Deutschland noch ein bisschen schwertun, sowohl auf der Unternehmens- als auch auf der politischen Ebene. Wir rennen immer noch zu viel hinterher, als endlich eigene Wege zu gehen. Was wäre denn so ein Ding, was noch kein anderer auf dem Schirm hat? Welche eigene Herangehensweise wollen wir gemeinsam etablieren?
(Hervorhebung von mir)
Das ist die entscheidende Frage, besonders im Blick auf die aktuellen internationalen Entwicklungen.
Zwei Branchen, die sehr unterschiedlich sind, kann man hier anschaulich gegenüberstellen:
- Im Mediensektor etwa könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits mit einem kleinen Bruchteil seiner finanziellen Mittel einen großen Unterschied auf allen(!) Ebenen der Arbeitsteilung in den Medien leisten. Voraussetzung dafür wär aber, dass Politik und die öffentlich-rechtlichen Anstalten aufhören würden, die Aufgabe hier darin zu sehen, lediglich anders finanzierte, aber ansonsten von der Gestalt her gleiche Medien zu produzieren wie die privatwirtschaftlichen Medienunternehmen.
- Im Mobilitätssektor kann der öffentliche Personennahverkehr eine entscheidende, proaktive Rolle bei der Zukunft der Mobility spielen. Das ist in den USA zum Beispiel dank maroder Infrastruktur in dem Bereich undenkbar. Hierzulande geht es in Hamburg und in Berlin (in Berlin mit Jelbi) bereits los und setzt alle Zeichen auf einen Gamechanger in diesem Markt. Allen Unkenrufen zum Trotz als Uber seinerzeit anfing, deutet heute die erste Entwicklung in Berlin etwa darauf hin, dass der deutsche ÖPNV dank integrierter, digitaler Services stärker und zentraler in der Bedeutung für die Menschen werden kann als jemals zuvor.
Beide Beispiele zeigen, dass es an erster Stelle zuerst um das Selbstverständnis geht, aus dem sich dann Vision, Strategie und Taktik speisen.
Auch politisch liesen sich hier relativ leicht positive Akzente setzen, da die Messlatte hierzulande diesbezüglich niedrig hängt.