In der TAZ ist gestern ein eigenwilliger Artikel (via) erschienen, in dem es um den Abgesang auf die Digitale Bohème gehen soll. Bereits in der Überschrift, in der von einer Blase die Rede ist, zeigt sich, dass der Autor sich mit Fakten und Zusammenhängen schwer zu tun scheint. Denn eine Blase im wirtschaftlichen Kontext ist eine spekulative Überbewertung des Marktes. Davon kann im Zusammenhang mit der Digitalen Bohème wohl kaum die Rede sein.
Sebastian Ingenhoff lässt in seinem Text auch die übrigen Buzzwörter nicht aus, die gern von Leuten verwendet werden, die sich mit dem Verständnis der Internetwirtschaft schwer tun: Gratismentalität, Informationsüberflutung. Das Übliche.
Schließlich bezieht er sich auf den auf Werbefahrt für sein Buch befindlichen Jaron Lanier und dessen Aussagen in der FAZ. Ingenhoff zitiert dann einen Artikel von mir auf netzwertig.com, in dem ich mich mit Laniers Aussagen ausführlich auseinandergesetzt hatte:
In der Blogosphäre wurde Lanier nach seinem Vorstoß schon als "neuer Konservativer" kritisiert, der lediglich alte Grabenkämpfe ausfocht und die Seiten gewechselt habe: "Wir", die echten Kreativen, die echten Journalisten, welche Inhalte, Werte schafften, gegen "die Anderen", die Internetideologen, die jene entmachteten und alles umsonst wollten, lautete die Replik des Netzwertig.com-Blogs. Doch so einfach ist es wohl nicht.
So einfach ist es tatsächlich nicht. Denn ich habe den hier beschriebenen Dualismus nicht heraufbeschworen sondern als rhetorischen Taschenspielertrick bezeichnet:
Es geht um das Konstruieren eines “Wir” (die Kreativen, die Journalisten, kurz: die, die Inhalte, Werte schaffen) gegen “die Anderen” (die Internetideologen, die uns entmachten und alles umsonst wollen).
An der Realität geht das alles freilich völlig vorbei.
Ich meinte das Konstruieren eines künstlichen Dualismus. Diesen mir dann in die Schuhe schieben zu wollen, ist bemerkenswert.
Hier noch ein Zitat aus dem Artikel von mir, nachdem ich versucht hatte, die seinerzeit von Lanier angesprochenen Themen nüchtern einzuordnen:
Das sind Erkenntnisse, die man von Lanier nicht erhalten wird. Stattdessen spricht er von einer vermeintlichen Ideologie und die FAZ freut sich darüber, dass da einer von der gegnerischen Seite ist, der endlich das Licht sieht. Unsinn. Es geht nicht um gegnerische Bevölkerungsschichten, um “die gegen uns”, auch wenn es einige deutsche Blogger mit überzogenem Bedarf nach Aufmerksamkeit in den letzten Jahren gern so dargestellt haben (und auch wenn nicht wenige deutsche Journalisten in der Angst um Job oder Deutungshoheit das Gleiche getan haben und noch tun).
Es ist intellektuell ausgesprochen faul, seinem Gegenüber einfach Ideologien zu unterstellen, ohne die tatsächlich gemachten Argumente selbst zu überprüfen.
Solche billigen Tricks, wie man es hier in der TAZ sieht, lassen es zunehmend schwer fallen, die jeweiligen Medien noch ernst zu nehmen. Denn leider ist das kein Einzelfall. Eher im Gegenteil.