Wikio, ein Unternehmen, das diggähnliche Nachrichtenseiten in Italien und Frankreich betreibt, hat heute seinen deutschen Ableger eröffnet gelauncht. Wikio haben nach eigenen Angaben 600.000 User in Frankreich und 100.000 in Italien (laut Techcrunch).
Digg ist eine sogenannte Socialnewsseite. Das heißt, die Benutzer der Seite stellen die Nachrichten selbst ein. Diese eingestellten Nachrichten werden anschließend von den Benutzern als lesenswert oder nicht lesenswert gewertet. Je nach dem dadurch entstehenden Ranking kommen die eingestellten Nachrichten auf die Startseite oder nicht. Im englischsprachigen Raum hat Digg mittlerweile eine solche Tragweite, dass es kleinere Seiten/Blogs, die es auf die Startseite schaffen, durch den Besucheransturm nicht selten lahmlegt. Etwas, das vorher nur Slashdot geschafft hat. Wikio arbeitet grundlegend mit dem selben Prinzip (Unterschiede siehe unten).
Im Markt für usergenerierte/eingereichte Nachrichten wird es jetzt also auch in Deutschland langsam eng. Seit geraumer Zeit gibt es in Deutschland unter anderem yigg, das in dieser Sparte das hierzulande Erfolgreichste ist. Yigg war früher bekannt als digg.de bis es zu einer (unausweichlichen) rechtlichen Auseinandersetzung mit digg.com kam.
Wikio nun geht im Gegensatz zu Seiten wie yigg oder digg (zum Glück muss niemand diesen Text laut vorlesen..) einen leicht anderen Weg: Nachrichten und Blogeinträge werden nicht nur von den Benutzern sondern auch von einer Redaktion eingetragen und gepflegt. Man fährt also zweigleisig.
Obwohl die Aufnahme der Informationen vollautomatisch erfolgt, optimiert ein aus Herausgebern und Dokumentaren gebildetes Team aus Spezialisten die Quellen zuvor, um die Qualität der Seiten zu verbessern und die Anfragen der Internauten zu optimieren.
Die Auswahl der Informationsquellen erfolgt ohne jegliche ideologische oder politische Voreingenommenheit.
kann man in der faq nachlesen. Das mag man sich ernsthaft vornehmen. Hundertprozentig wird das natürlich nicht so aussehen. Die Faq ist schwammig genug gehalten, so dass ein 'Zensurskandal bei Wikio!' in der deutschen Blogwelt nur eine Frage der Zeit ist, einen breiten Erfolg von wikio in Dtl. vorausgesetzt. Was hat man sich unter 'optimieren' vorzustellen? Wird jede eingetragene Nachricht zunächst von der Redaktion 'optimiert'? Wie schnell wird das ablaufen? Erfahre ich, warum meine Nachricht nicht auf wikio erscheint? Fragen über Fragen..
Auch digg hat immer wieder mit seiner Glaubwürdigkeit zu kämpfen. Seine Moderatoren wurden in der englischsprachigen Blogwelt immer wieder (zum Großteil zu Recht) kritisiert. Scheindemokratie, anyone? Wer eine Seite zu einem großen Teil auf usergenerated Content aufbaut, ist besser so transparent wie möglich, sonst fliegt ihm der ganze Mumpitz irgendwann um die Ohren.
Der Name scheint mir ebenfalls ungünstig gewählt. Mit Wikis hat die Seite nicht wirklich etwas zu tun. Aber das nur am Rande.
Auch die Übersetzung scheint größtenteils mit der heißen Nadel gestrickt zu sein. Wer seine Mitglieder als 'Beiträger' bezeichnet, braucht für den Spott nicht zu sorgen..
'Gutes Surfen an Ihnen, die uns heute entdecken.'
Aber das ist verzeihbar und dürfte schnell ausgebügelt sein.
Allerdings frage ich mich, wie die für deutsche Verhältnisse doch recht hohen Bewertungszahlen zustande kommen. Die Seite ist heute online gegangen und eine Nachricht, die seit 15 Minuten im System ist, bekommt 30 Stimmen. Und das ist keine Seltenheit.
Das erscheint mir, selbst nach einer umfangreichen Testphase, mit der man schon einige loyale User gewinnen konnte, etwas eigenartig hoch für deutsche Verhältnisse. Gelinde ausgedrückt. Wie genau diese Votes zustande kommen, wäre interessant zu erfahren.
Jetzt habe ich fast nur Negatives hier aufgezählt. Dabei ist die Seite im Grunde nicht schlecht gemacht. Das Layout ist ansprechend und übersichtlich gestaltet. Ein gelungenes Feature sind auch die Tagtabs auf der rechten Sidebar. Je nach gewählter Kategorie sieht man ein Tab mit den für die Kategorie zutreffenden Tags neben dem Tab mit den Tags für die ganze Seite.
Wenn die Menschen hinter dem redaktionellen Teil auf Draht sind können sie im Verbund mit den von den Nutzern eingereichten Nachrichten schnell zur einer ernstzunehmenden Größe im deutschen Netz werden. Vorausgesetzt, man unternimmt noch etwas in Richtung Transparenz. Eine genauere Erklärung, wie die Prozesse im Hintergrund verlaufen und Dokumentation der Aktionen der Moderatoren (im Gegensatz zum Ninjaansatz von Digg), sind meiner Meinung nach ein Muss für eine solche Seite.
Das vorausgesetzt, hat Wikio gute Chancen ein Hit zu werden.
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