Am kommenden Montag (29.11.) findet im Rahmen der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Urheberrecht statt. Matthias Spielkamp von irights.info hat als einer der Experten den Fragenkatalog der Parteien beantwortet und seine Antworten vorab online gestellt.
Ich habe Matthias Spielkamp im Vorfeld zu zwei Fragen Hinweise und Kommentare gegeben. Hier meine Anmerkungen zur Frage I.1.d)
Wie lässt sich der Wert kreativer Leistungen bemessen?
Die Frage deutet darauf hin, dass der Fragesteller glaubt, es könne
eine 'richtige' Bemessung des Wertes, also einen 'richtigen' weil
objektiven Wert geben. Den gibt es nicht. Alles, jedes Produkt und
jede Leistung werden subjektiv von Menschen bewertet. Aus den
subjektiven 'Werten' der Anbieter und der Nachfrager setzt sich
vereinfacht gesagt der Marktpreis zusammen.
Dieser wiederum fußt auf Knappheit und Nachfrage. Etwas Angebotenes
muss knapp und nachgefragt sein, damit es einen positiven Marktpreis
erhält. (Es besteht massive Nachfrage für Sauerstoff, der ist aber
nicht knapp.)
Bei kreativen Leistungen ist der Sachverhalt noch ein bisschen
komplexer. Die Ergebnisse sind heute oft, wenn sie in digitaler Form
vorliegen können, nicht knapp (perfekte, kostenfreie Kopien).
Hinzu kommt, dass die digitalisierten Kulturgüter Komplementärgüter
für andere Angebote der Kreativen sein können. Das führt dazu, dass
einige Urheber insgesamt mehr Einnahmen verzeichnen können, wenn sie ihre Schöpfungen 'verschenken' und die so gewonnene Reichweite nutzen, mehr knappe Güter zu verkaufen.
Und das eben genau dann, wenn sie sich von den Scheuklappen frei
machen, nur das digitale Gut und den Direktverkauf als einzige
Möglichkeit, Geld zu verdienen, anzusehen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass der gesellschaftliche Wert einer
kreativen Leistung steigt, je mehr die Gesellschaft mit dieser
Leistung arbeiten kann (lesen, hören, weiterverarbeiten etc.). Das
heißt, der gesellschaftliche Wert einer bestehenden Schöpfung steigt,
je geringer die Schutzrechte darauf sind, weil um so mehr Leute darauf
aufbauen können, ohne mit Monopolisten verhandeln zu müssen.
Die gestellte Frage führt also bestenfalls zu einer Betrachtung eines
Teilaspekts, schlimmstenfalls zu einer Scheinlösung mit falschen
Rückschlüssen. (Stattdessen geht es um Rahmenbedingungen für Anreize
für Urheber, auch und besonders für künftige Urheber.)
Die Antworten von Matthias Spielkamp auf die Fragen sind sehr lesenswert.
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