Eric Steinhauer von der Deutschen Nationalbibliothek spricht im Interview mit irights.info über den unsäglichen Umstand, dass eine Archivierung des deutschen Webs durch das hiesige Urheberrecht verhindert wird. Aus dem Interview auf Golem.de:
iRights.info: Das US-Portal Archive.org macht in bestimmten Abständen eine Art "Sicherungskopie" des Internets. Warum ist das in Deutschland nicht möglich?
Eric Steinhauer: Archive.org macht tatsächlich eine Kopie, eine Vervielfältigung. Sofern es sich um urheberrechtlich geschütztes Material handelt, bedeutet diese Kopie in Deutschland stets einen Eingriff in das Verwertungsrecht des Urhebers. Das ist nach hiesigem Recht nur dann zulässig, wenn ich eine Erlaubnis des Rechteinhabers habe oder mich auf eine gesetzliche Schrankenbestimmung berufen kann. Diese Bedingung hindert deutsche Archive daran, Internetdokumente automatisiert einzusammeln, also wie Archive.org das sogenannte Web-Harvesting zu betreiben. Sie können im Falle des Internets ja nicht jeden vorher fragen, bevor sie seine Inhalte kopieren. Das ist in der Praxis unmöglich.
Das bedeutet, dass die Deutsche Nationalbibliothek ihrem gesetzlichen Auftrag, das deutsche Web für nachfolgende Generationen zu archivieren, nicht nachkommen kann.
Letzten Endes liegt das Problem hier wieder wie so oft darin, dass immaterielle Güter in digitaler Form an keinen physischen Träger mehr gekoppelt sind. Steinhauer:
Gedächtnisinstitutionen können sich nicht auf das Recht zur Privatkopie berufen, das nur für Privatleute gilt. Sie können die Archivierung aber auch nicht so einfach mit dem "eigenen wissenschaftlichen Gebrauch" begründen. Denn sie ermöglichen ja nur den wissenschaftlichen Gebrauch der Quellen durch andere. Zudem befinden sich die Archive nicht im Besitz des digitalen Materials oder der Vorlage der Kopie, die sie anlegen. Das ist bei Akten und materiellen Büchern anders. Diesem Unterschied zwischen analogen und digitalen Inhalten trägt das heutige Recht nicht Rechnung.