6. Juli 2017 Lesezeit: 2 Min.

Wie die Naivität von Presseverlegern und Redakteuren zur Torpedisierung jeder Urheberrechtsreform führt

Täglich grüßt das Murmeltier beim Thema Urheberrecht, heute zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz. Céline Lalé auf irights.info („Reform mit Ausnahme: Ein unnötiges Geschenk für Zeitungsverlage“) über die Extrawurst für Presseverlage:

Eine Interessengruppe sticht aus der Diskussion besonders hervor: die Presseverleger. Interessant daran ist, dass sie von dem Gesetz eigentlich nicht betroffen sind – vor allem nicht in ihrem Kernmarkt. Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung ihnen gut zugehört, und auch der Rechtsausschuss konnte am Ende die lautesten Schreie wohl nicht mehr überhören. Zu groß war der Druck aus der Öffentlichkeit, die über Wochen hinweg mit Schlagworten wie „Enteignung“ und „Gefährdung der Pressefreiheit“ überhäuft wurde.

​Was sich durch die Intervention ändert:

Zum einen treten die Änderungen des neuen Gesetzes befristet in Kraft. Zum anderen werden Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften von den Schrankenregelungen ausgenommen.

Die Bestimmungen für Wissenschaft und Bildung (Paragraf 60a-h in neuer Fassung) gelten zunächst nur auf fünf Jahre befristet. Nach Ablauf dieser Frist sind die neuen Regelungen nicht mehr anwendbar und auch die alten Schranken leben nicht wieder auf. Das führt zu Rechtsunsicherheit und hat sich auch in der Vergangenheit nicht bewährt.

​Es geht noch weiter:

Über die Befristung kann man sich ärgern, über die zweite Änderung muss man sich empören. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel werden nicht mehr von den Schrankenregelungen für Bildung und Forschung erfasst. Das heißt im Klartext: Ein Artikel aus der FAZ über das Gesetz darf beispielsweise nicht von einer Forscherin oder einer Schülerin kopiert werden, die einen Vortrag über „Desinformation im postfaktischen Zeitalter“ halten möchte. Möchte ebendieser Mensch dagegen abends einem Freund davon erzählen, und bringt er zur Veranschaulichung eine Kopie des Artikels mit, dann greift die Schranke des Paragrafen 53 Urheberrechtsgesetz, nach der Privatkopien erlaubt sind.

​Die Phalanx von FAZ und BILD-Zeitung ist auch 2017 undurchdringlich in Sachen Urheberrecht.

Beide, aber auch andere Publikumsmedien in Deutschland, sind auch weiterhin nicht in der Lage, ansatzweise ausgeglichen über das Thema zu berichten. Zu nah sehen sie es an ihrem Geschäftsmodell, und damit direkt an den Töpfen, aus denen die Gehälter der Akteure kommen.

Aber: Wenn man einmal genauer hinschaut, sieht man schnell, dass nichts von dem, was nun verhindert/geschwächt wurde, die Geschäftsmodelle der Presseverlage massgeblich berührt.

Die jahre-, man muss schon fast sagen jahrzehntelange, Kampagne von FAZ und co. für Urheberrechtsmaximalismus fusst auf einem naiven Verständnis des eigenen Geschäfts. Dieses Verständnis, verbreitet bei Redakteuren wie Verlegern, könnte schlichter nicht sein:

  1. Wir machen urheberrechtlich geschützte Sachen.
  2. Urheberrecht schützt unsere Sachen.
  3. ...
  4. Profit.

Es fühlt sich an wie eine South-Park-Folge.

Der irre, fanatische Urheberrechtsmaximalismus ist im Grunde also eine Konsequenz des Umstands, dass die meisten deutschen Journalisten den Medienmarkt und damit ihre eigene Branche im Grunde nicht verstehen. Das trifft, erstaunlicherweise, auch auf Verleger zu. (Wäre es anders, würden sich die Verleger und ihr Verband gut überlegen, wann sie die größten Keulen herausholen und wann nicht. Aktuell werden sie schlicht immer herausgeholt. Es ist immer alles gleich der Anfang vom Ende. Weil man "das Urheberrecht" mit dem eigenen Geschäftsmodell gleichsetzt.)

Man kann mit maximalem Urheberrecht gegen die Kopierwut des Internets ankämpfen. Selbst wenn man damit für einen selbst erfolgreich ist (<-fraglich), ändert das nichts daran, dass der Rest der Gesellschaft in einer Welt lebt, in der wir von Knappheit zu Überfluss an den für Presseverlage entscheidenden Stellen übergegangen sind. Medien wie Buzzfeed oder Axios denken das auf unterschiedlichste Arten in ihren Ansätzen mit.

Wenn man das nicht mitdenkt, passiert so etwas wie Spiegel Daily. Es gehört durchaus alles zusammen. Augen zu, Ohren zu und auf Regulierung hoffen, ist kein Erfolgsrezept, auch wenn man das Ohr der Bundesregierung hat.

Während Irrfahrten wie Spiegel Daily nur dem Verlag selbst schaden, bringt der Urheberrechtsmaximalismus dagegen enorme gesellschaftliche Kollateralschäden mit sich.

Das Presseleistungsschutzrecht gehört natürlich in die gleiche Schublade.

Zum Abschluss noch, wie Céline Lalé Superkräfte bei der Selbstbeherrschung beweist:

Wer jedoch mit Schlagworten wie Enteignung und Pressefreiheit um sich wirft, sollte fundierte Gründe vorbringen können, warum sie oder er der Meinung ist, diese verfassungsrechtlichen Garantien seien gefährdet.

Andernfalls wird der Anschein erweckt, man wolle eine breite Öffentlichkeit durch gezielte Desinformation für die eigenen Ziele instrumentalisieren.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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