Wenn die Zielsetzung des Leistungsschutzrechts die Sicherung des Journalismus im Internet-Zeitalter ist, wie propagiert, dann würde es um mehr als die Wahrung der Institutionen der Presseverlage in ihrer jetzigen Form gehen. Und mehr Institutionen hätten Ansprüche.
Inhaltsverzeichnis
Zielführung
Auf Carta versuchte sich Oliver Castendyk vor einigen Tagen an einer Befürwortung des geplanten Leistungsschutzrechtes für Presseverlage und schrieb unter anderem:
Vorab sollte man sich außerdem von der Illusion lösen, Urheberrecht dürfe nicht den Zweck haben, Geschäftsmodelle von Verlagshäusern oder anderen Teilen der Medienwirtschaft zu sichern. Im Gegenteil, das Urheberrecht ist in Europa überhaupt nur entstanden, um genau das zu tun: das Geschäftsmodell der Buchverleger gegen die damals sehr verbreitete (Un-)Kultur der Nachdrucke zu schützen.
Das ist so nicht ganz richtig. Der Schutz der Geschäftsmodelle wird oft als Ziel des Urheberrechts gesehen, das ist er aber nicht. Er ist das Mittel zum Erreichen des Ziels. Das Ziel: Die Entstehung von Wissenschaft, Kultur und Kunst, sprich von immateriellen Gütern zu sichern. Letzeres ist das gesellschaftlich wünschenswerte Ziel, das mit dem Urheberrecht erreicht werden sollte.
Castendyks Schlussfolgerung führt damit in die Irre:
Angesichts der oben beschriebenen Probleme der Verlage und angesichts ihrer positiven gesellschaftlichen Funktion (verfassungsrechtlich genießen sie eine „Institutsgarantie“), stellt sich aus meiner Sicht nicht die Frage, ob der Gesetzgeber bei der nächsten Urheberrechtsreform etwas für die Verlage tun sollte, sondern nur die Frage, was er tun sollte.
Er geht davon aus, dass es zu den Presseverlagen in ihrer heutigen Form keine Alternative gibt, um Journalismus weiter zu produzieren und zu vertreiben. (Castendyk bleibt innerhalb seiner Argumentation konsistent und fordert demnach dann auch, dass die Verlage die über die Jahre entstandenen Werbeverluste komplett über diesen Weg wieder erhalten, um genau so weitermachen zu können wie bisher; unabhängig von Nebensächlichkeiten wie Angebot und Nachfrage.)
Das ist schlicht falsch. Zum einen entstehen Alternativen (Wikileaks, Blogs beziehungsweise kleinere Einheiten für die Produktion; Google News, Twitter, Facebook und Social Media allgemein für die Verbreitung). Zum anderen werden die wenigsten Presseverlage in ihrer heutigen Form den Medienwandel überleben. Viele werden schrumpfen oder auf andere Art umstrukturieren müssen, weil sich ihre Aufgabe mit dem Markt wandelt. Es hat Gründe, warum heute keine umsatzstarke Kutscherbranche und keine Telegrafenindustrie existieren.
Wenn man sich über die Zielsetzung im Klaren ist, kann man über die Mittel zur Zielerreichung reden. Ein Mittel kann der Schutz bestehender Geschäftsmodelle sein, wenn es keine Alternativen gibt. Aber was, wenn alternative Herangehensweisen dieses Ziel ebenfalls sicherstellen?
Das bringt uns zum nächsten Punkt: Auch beim Leistungsschutzrecht muss man sich über die Zielsetzung klar sein. Es ist es die Rettung des Journalismus, oder die Rettung der Presseverlage in ihrer heutigen Form? Beides ist nicht identisch.
Ein Leistungsschutzrecht, das tatsächlich sicherstellen soll, dass weiterhin Journalismus entsteht, müsste zunächst erst einmal institutionenagnostisch sein.
Institutionen neben deutschen Presseverlagen
Google und co.
In einem weiteren Artikel auf Carta zum Thema heißt es folgerichtig:
Auch Suchmaschinenbetreiber haben eine Funktion als Werkmittler. Sie haben bis jetzt kein Leistungsschutzrecht. Nach der Logik der Gleichstellung aller Werkmittler müssten sie für ihre finanzielle und organisatorische Leistung – von der nicht nur die Internet-Nutzer, sondern auch die gefundenen Anbieter profitieren – eigentlich auch ein Leistungsschutzrecht geltend machen dürfen.
Und warum sollte dann die Wertschöpfung von Google und co. nicht entsprechend vergütet werden? Dass Googles Suchmaschine und Google News keine entsprechend vergütungswerte Wertschöpfung innerhalb der Online-Distribution von Nachrichten schafft, wird in der Diskussion a priori angenommen, ist aber nicht bewiesen.
Im Gegenteil: Besonders die Tatsache, dass nicht wenige deutsche Presseverlage darauf setzen, ihre Inhalte _ausschließlich_ Suchmaschinen wie Google und Aggregatoren wie Google News zugänglich zu machen, deutet eher darauf hin, dass dies der Fall ist.
Blogger und ausländische Presseverlage
Gleichzeitig bleibt interessant, wie die Vertreter von Presseverlagen argumentieren werden, um andere Marktteilnehmer wie etwa Blogger von diesem Recht auszuschliessen. Fraglich bleibt meiner Meinung auch, ob nicht etwa ausländische Presseverlage ebenfalls ein Recht auf das Leistungsschutzrecht in Deutschland haben, wenn es eingeführt wird. Letztere könnten notfalls dafür etwa auch extra einen deutschen Tochterverlag gründen, der die Rechte wahrnimmt und die Zahlungen einsammelt.
Bei beiden Gruppen, (deutschen wie ausländischen) Bloggern und ausländischen Presseverlagen bedienen sich deutsche Presseverlage im nicht selten grenzwertigen Bereich. Ein fehlender Ausschluss dieser Gruppen könnte für einige Presseverlage teuer werden.
Auf der anderen Seite würde ein Ausschluss mehr als alles andere auf genau das hindeuten, was das Leistungschutzrecht wohl eigentlich erreichen soll: Nicht die Rettung des Journalismus, sondern ein Institutionenschutz für die Presseverlage.
Sprachmonopoly
Netzpolitik.org zitiert heute aus einem internen Papier der Presseverlagslobby. Darin wird auf die Monopolisierung der Sprache hingedeutet:
Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sollten nicht nur Teile des Presseerzeugnisses wie einzelne Beiträge, Vorspänne, Bilder und Grafiken geschützt werden. Schutzwürdig sind beispielsweise auch Überschriften, Sätze, Satzteile etc., soweit sie einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe in Verbindung mit dem Titel des Presseerzeugnisses dienen.
Wie gefährlich so ein Recht wäre, steht außer Frage. Dieses Recht dann auch noch auf eine bestimmte Art von Institutionen zu beschränken, wäre das i-Tüpfelchen der Unverhältnismäßigkeit.
Christiane Schulzki-Haddouti kommentiert:
Wahrscheinlich ist der Hintergrund dafür, dass man so einfach eine Plagiatsoftware einsetzen und diese dann effizient mit einem automatisierten Abmahnsystem koppeln kann.
Es ist also angesichts der aktuellen Situation nur gerecht, das Leistungsschutzrecht so zu nennen wie es gedacht ist: eine Verlegersubvention ohne Zutun der EU. Der bzw. das Einzige, der das alles stoppen kann, ist das Wettbewerbsrecht der EU.
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In ihrer rückwärts gewandten Berliner Rede zum Urheberrecht hat die Bundesjustizministerin noch einmal bestätigt, dass es ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage geben wird. Interessanterweise hat sie in ihrer Rede auch mehrfach darauf hingewiesen, dass das Leistungsschutzrecht den Verlagen nicht sonderlich viel helfen wird.
Also wird am Ende viel Porzellan zerschlagen, ohne dass es einen gesellschaftlichen Nutzen bringen wird?
Opalkatze says
Feuer legen, schreien: 'es brennt', um dann mit Benzin zu löschen.