Update am Ende des Artikels.
In seinem Flattr-Kritik-Artikel schreibt Sascha Lobo unter anderem:
Flattr erscheint mir unter anderem als Feigenblättchen eines Menschen, dem seine Rolle der Contentdiebstahlbeihilfe etwas unangenehm geworden ist.
Nachdem unter anderem ich in den Kommentaren nachgefragt hatte, er solle erklären, wie man immaterielle Güter stehlen kann, schiebt er in den Kommentaren noch nach:
Die Volljährigen, die in schöner Newspeak-Tradition nicht wollen, dass die illegale Nutzung fremder Leute Inhalte “Diebstahl” heisst, müssen sich noch etwas gedulden: ich schreibe demnächst einen Artikel, weshalb ich die Musikindustrie (in großen Teilen) ebenso bescheuert finde wie die egoistischen illegalen Downloader.
Dirk von Gehlen hat dankenswerterweise das Thema bereits aufgegriffen:
[..]und das verwundert mich dann doch – schreibt der Strategieberater mit den Schwerpunkten Internet und Markenkommunikation tatsächlich von “Diebstahl”. [..]
Nein, das heißt nicht, dass ich es richtig finde, wenn im digitalen Raum vergütungsfrei geistige Schöpfungen konsumiert werden. Im Gegenteil: Ich glaube, dass die Digitalisierung das Urheberrecht vor große Herausforderungen stellt. Diesen wird man aber solange nicht angemessen begegnen können, wie man sie sprachlich nicht greifen kann. Und die Rede vom Diebstahl ist aus vielen Gründen nicht zielführend.
In der Tat.
Der Ausdruck des Diebstahls beim Zusammenhang mit immateriellen Gütern kommt vom irreführenden Begriff des geistigen Eigentums, das in der öffentlichen Debatte hanebüchenerweise mit dem Eigentum an physischen Gütern gleichgesetzt wird. Urheberrecht hat aber mit dem Eigentum an physischen Gütern nichts gemein.
Damit will ich weder Rechtsbruch verharmlosen noch gutheißen. Unautorisiertes Filesharing muss aber als das benannt werden, was es ist, und das ist nicht Diebstahl sondern unautorisierte Distribution. Und diese findet statt, weil den ehemaligen Konsumenten dabei keine zusätzlichen Kosten entstehen und diese Distribution dazu fast immer zusätzlich noch efffizienter als die autorisierte Distribution ist.
Die Gleichsetzung von unautorisiertem Filesharing und Diebstahl ist ein Ausdruck der Kampfrethorik der Rechteverwerter. Deshalb ist es besonders ironisch, wenn Sascha Lobo denen, die um korrekte Bezeichnungen bitten, „Newspeak“, also propagandistische Verfälschung der Sprache, vorwirft.
Tatsächlich sprechen wir hier von verschiedenen Dingen. Bei immateriellen Gütern kann es immer nur um Nutzungsrechte gehen, die von einander auch losgelöst werden können – eben weil immaterielle Güter sich massgeblich von materiellen Gütern unterscheiden -. Würde man tatsächlich die Forderung „geistiges Eigentum“ wie das Eigentum physischer Güter zu behandeln, durchsetzen, dann müsste man konsequenterweise auch einiges umsetzen, was natürlich grotesk wäre:
Wenn unautorisiertes Filesharing Diebstahl ist, …
- ..warum kann man dann gebrauchte MP3s nicht weiterverkaufen?
- ..ist dann das Herunterladen und anschließende sofortige Löschen Vandalismus?
- ..warum geben dann einige Musiker ihre Musik kostenlos weiter? Kann es profitabel sein, sich bestehlen zu lassen?
Kopieren ist nicht stehlen.
Diebstahl bedeutet, dass jemandem etwas weggenommen wird. Die Plattenindustrie etwa argumentiert, dass ihnen potentielle Verkäufe gestohlen werden.
Das ist aber Unsinn. Man kann in diesem Zusammenhang nicht von Diebstahl reden, denn potentielle Verkäufe sind eben das, potentiell, und haben noch nicht stattgefunden. Wie widersinnig die Denkweise etwa der Plattenindustrie ist, zeigt auch David Weinberger in seinen 20 things I’ve stolen, auf die Dirk von Gehlen linkt. Ein paar Beispiele:
I read the headlines of a newspaper that was for sale in a kiosk box.
[..]
I remembered the movie times in my newspaper from the day before so I wouldn’t have to buy a copy of the paper today.
[..]
I have stared carefully at reproductions of great paintings.
[..]
I placed a bag on the seat next to me on the subway.
Der Punkt ist: Wenn man von potentiellen, also möglichen Einkünften spricht, die man nicht erhält, dann kann man den Verlust dieser nicht mit Diebstahl gleichsetzen.
Jedes entgangene Potential lässt sich zu einem Diebstahl umformulieren, wenn man nur eine möglichst radikale Sichtweise einnimmt.
Warum ist die Unterscheidung so wichtig?
Ganz einfach: Wenn Unternehmen, die, ob aus strukturellen oder anderen Gründen, ihr Geschäftsmodell nicht ändern wollen oder können, etwas, das ihr Geschäftsmodell untergräbt als Diebstahl hinstellen, dann schaffen sie eine Realität ohne Alternativen. Diese Realität benötigen sie, um zum Beispiel Gesetzesänderungen vorantreiben zu können, die ihre Geschäftsmodelle schützen.
Würde man stattdessen erkennen, dass die aktuelle Situation eine Frage von Geschäftsmodellen, also mehr eine wirtschaftliche Frage, denn eine von Verbrechen und Strafe ist, dann wären Gesetzesänderungen, die zum Beispiel Urheberrechtsverletzungen übermäßig hart bestrafen sollen, weniger konsensfähig.
Dass Experten wie Sascha Lobo oder auch die Publikation T3N von Diebstahl, von Contentklau reden, deutet darauf hin, wie erfolgreich die Propaganda der Plattenindustrie und der Filmindustrie in den letzten Jahren war. Es wird also noch sehr lang dauern, bis die Gesellschaft die Zusammenhänge erkennt, wenn selbst die hiesigen Experten sie nicht erkennen. Ironischerweise wird die Mehrheit der Gesellschaft trotzdem weiterhin regelmäßig gegen das aktuelle Urheberrecht im Internet verstossen.
Ich sage es ganz offen: Jeder, der vom Diebstahl immaterieller Güter spricht, verfolgt damit entweder Eigeninteressen oder weiß schlicht nicht, wovon er redet.
Noch ein paar ausgewählte Zitate zum Thema:
Michael Hutter, Professor an der Technischen Universität Berlin und Direktor der Abteilung “Kulturelle Quellen von Neuheit” am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung schreibt in der Sueddeutschen:
Das gestohlene Fahrrad fehlt dem Besitzer, geistige Inhalte sind nicht weg, wenn sie erschlichen wurden. Geistige Inhalte sind öffentlich, die falsche Rede vom Diebstahl muss aufhören.
[..]
Geistige Inhalte sind öffentliche Güter, das heißt, sie können von vielen gleichzeitig genutzt und sie können leicht erschlichen werden. Darin liegt ein Problem. Aber dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn die falsche Rede vom Diebstahl einer Sache aufhört.
Franz Schmidbauer, Richter am Landesgericht Salzburg, auf Futurezone:
Ein solcher Vervielfältigungsvorgang kann aber auch dann, wenn er nach dem Gesetz nicht zulässig ist, niemals als Diebstahl angesehen werden, weil nichts weggenommen wird. Ein Diebstahl ist laut Strafgesetz „die Wegnahme einer beweglichen Sache, mit dem Vorsatz, sich zu bereichern“. Beim Download von Musik wird niemanden etwas weggenommen, da das kopierte Musikstück ja weiterhin verfügbar ist. Begriffe wie „Diebstahl geistigen Eigentums“ oder „Raubkopie“ sind psychologische Kunstgriffe, um Tauschbörsennutzer in den Bereich der schweren Kriminalität zu hieven.
Thomas Hoeren, Professor am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, Internetrechtsexperte und Richter am Oberlandesgericht, auf Zeit Online:
Multimedia heißt auch Multilegia. Das Internet führt zu einer Diversifizierung von Vertriebswegen, zu einer Vielfalt neuer Kommunikationsakteure und schnelllebigen Intermediären. Dass das den alten Anbietern wie den Verlegern Angst macht, ist klar. Die verlieren täglich an Bedeutung, was ihre Geldquellen und Netzwerke angeht. Aber Jura ist nicht dazu da, solch antiquierte Geschäftsmodelle zu schützen.
Professor Hoeren in der Anhörung der Enquete-Kommission:
“Bitte verzichten Sie auf den dummen Begriff des ‘geistiges Eigentums’. Der kommt aus der Diskussion etwa 1810 bis 1830, als die Preussen einen Kampfbegriff brauchten, um das Urheberrecht zu pushen. (…) Das Ding heißt ‘Immaterialgüterrecht’, das ist die übergeordnete, neutrale Formulierung.“
Wir müssen die irreführenden Kampfbegriffe hinter uns lassen, um über die Veränderungen und die damit verbundenen Chancen und Risiken ernsthaft und konstruktiv reden zu können. Bis dahin scheint es aber noch ein weiter Weg zu sein.
Ich bin gespannt, wie Sascha Lobo Diebstahl und immaterielle Güter in seinem angekündigten Artikel zusammenbringen wird. Mit Logik wird es nicht viel zu tun haben.
Update:
Neben einigen Reaktionen auf diesen Artikel hat auch Sascha Lobo geantwortet:
Die bescheuerte Musikindustrie und die egoistischen Filesharer
Meine Replik auf Sascha Lobos Antwort findet man hier:
Filesharing-Debatte: Geschäftsmodellfragen statt ‘Diebstahl’-Argument
Arrrgidiocracy says
>Dass Experten wie Sascha Lobo…
Sie sollten die Experten in Anführungsstriche setzen. Der Form halber.
Irgendename says
Ich sage es ganz offen: Jeder, der Diebstahl immaterieller Güter schön redet, verfolgt damit entweder Eigeninteressen oder weiß schlicht nicht, wie anstrengend oder arbeitsintensiv es oft ist, geistige Wertschöpfungen zu produzieren.
Nenne es in Deinem Artikel, wie Du willst, im Kern bleibt es dasselbe: Diebstahl. Denn mit diese Wortspalterei ändert sich nichts daran, dass die Person, die am Ende des Fließbands sitzt, um ihren verdienten Lohn gebracht wird.
Technokrat42 says
Du meinst die Contentmafia verdient weniger Geld weil sie unflexibel ist und versucht alte Vertriebswege gesetzlich zu schützen?
ich schaudere vor Mitleid.
Tharben says
Seien Sie so freundlich und gestehen Sie mir die Verkürzung in einem Blogkommentar zu. Aber natürlich habe ich noch eine Langfassung für Sie:
Ein Verlag distribuiert nicht nur Werke, ein Verlag finanziert auch die Produktion von Werken. Insofern haben Sie recht: den ersten Teil habe ich weggelassen.
Andererseits stellen Sie sich folgenden Fall vor: Sie gehen in einen Laden, kaufen sich ein Netbook für 250 Euro, suchen sich einen Hotspot, klicken sich ein Blog bei beispielsweise wordpress.com und befüllen es mit Ihren ausgezeichneten Texten, Ihren spannenden Mitschnitten der hochpolitischen Gespräche mit Ihrer besten Freundin (Podcasts) und der Aufnahmen aus Ihrer Handykamera von den launigen, sonntäglichen Stadtbummeln inkl. Ihren geistreichen Kommentaren zu den Schaufensterauslagen (Video-Podcasts).
Zumindest die Textbeiträge Ihres Blogs könnten eine echt Konkurrenz zu Verlagsprodukten sein. Deswegen wollen Presseverleger auch die Presse-Kulturflatrate (Neusprech: Leistungsschutzrecht) haben. Das ist ziemlich clever – von und für die Verlage jedenfalls. Ich bin eher für eine Pauschalabgabe für alle: die echte Kulturflatrate.
Wie Sie sehen, zerfallen die Oligopole auf Medien. Deswegen die Kampfbegriffe der Oligopolisten (und Sascha Lobo).
Marcel Weiss hat natürlich recht: Es gibt so viele Geschäftsmodelle jenseits der Verknappung von 0 und 1. Beispiele? Bitteschön:
http://www.youtube.com/watch?v=Njuo1puB1lg
http://www.youtube.com/watch?v=_YaVLNGLDhQ
C.K. says
Dem Artikel liegt die Vorstellung zugrunde, dass es nur einen Begriff von Diebstahl gibt. Es gibt aber zwei: den strafrechtlichen, nach dem alle hier so bezeichneten Vorgänge selbstverständlich kein Diebstahl sind (schon weil es an einer beweglichen Sache fehlt, es keinen Gewahrsam gibt etc.)
Und es gibt den Umgangssprachlichen „Diebstahl“. Da nimmt jemand „etwas“ (das kann auch etwas immaterielles sein“) und macht es sich zunutze.
Ich denke, es muss erlaubt sein, in einer politischen Diskussion auch den zweiten Begriff zu verwenden, so wie Lobo das tut.
Dass das Experten bemängeln, ist völlig richtig, weil sie juriste Experten sind. Auch Lobbyisten, Politiker und Journalisten sollten wissen, das sie mit diesem Begriff eine Wertung vornehmen.
Aber lasst doch bitte 79 Millionen Mitbürgern ihr Recht, ihr Empfinden mit diesem Wort auszudrücken. Ich spreche auch im Lampengeschäft von Lampe und nicht von Leuchte :-)
Marcel Weiss says
„Jeder, der Diebstahl immaterieller Güter schön redet, verfolgt damit entweder Eigeninteressen oder weiß schlicht nicht, wie anstrengend oder arbeitsintensiv es oft ist, geistige Wertschöpfungen zu produzieren.“
a.) Wie kommst Du darauf, dass ich keine Wertschöpfungen produziere?
b.) Gilt das auch für die Richter und Rechtsprofessoren, die ich zitiert habe?
Marcel Weiss says
Das Problem ist, dass der 'umgangssprachliche „Diebstahl“' die Sache falsch beleuchtet. Das habe ich versucht, zu zeigen.
„Ich denke, es muss erlaubt sein, in einer politischen Diskussion auch den zweiten Begriff zu verwenden, so wie Lobo das tut.“
Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer wie Lobo vom Contentdiebstahl redet, muss auch z.B. den Weiterverkauf von gebrauchten MP3s erlauben wollen. Wenn er das nicht tut, muss er die unterschiedliche Herangehensweise schlüssig herleiten.
Tharben says
Die Begriffe „Raubkopie“ und „geistiges Eigentum“ wurden nicht von Seiten der Urheber propagiert, sondern von denen, die von den Schöpfungen der Urheber profitieren (Verwerter). Diese Kampfbegriffe, genauso wie das „Stehlen“ und „Klauen“ von Nutzungsrechten, haben keine historisch gewachsene zweite Bedeutung, die das unautorisierte Nutzen von Werken meint. Darüber hinaus kennt das Urheberrecht kein Verbot des Werkgenusses. Sie können niemanden verbieten, einen Text zu lesen, einen Film zu sehen oder eine Musik zu hören.
Aber zurück zum Thema: Diese zweiten Begriffe, wie Sie es nennen, wurden durch Kinowerbungen, Pressemitteilungen, Lobbytreffen usw. künstlich zu etablieren versucht, um von den Fakten abzulenken:
Durch Digitalisierung und Vernetzung kann jeder einzelne Bürger heute mit einem 250-Euro-Netbook und Netzzugang zum Verlag, zur Plattenfirma, zum Filmverleih werden. Was für eine Freiheit, was für eine Errungenschaft! Genau das ist es, was mit Begriffen wie „Diebstahl“, „Raubkopie“ und dergleich seitens der Verlierer der neuen Freiheiten bekämpft wird.
Dasdestillat says
Zitat: „Wenn unautorisiertes Filesharing Diebstahl ist, … ..warum geben dann einige Musiker ihre Musik kostenlos weiter? Kann es profitabel sein, sich bestehlen zu lassen?“
In der Sache stimme ich dir natürlich zu – aber hier hinkt das Beispiel etwas. „Wenn unautorisiertes FS Diebstahl ist, warum autorisieren dann einige Künstler das FS?“ – so ließe sich deine Argumentation grob übersetzen. Und man sieht: Die beiden Satzteile passen nicht zusammen und erinnern ein wenig an „wenn nackt baden unanständig ist, warum baden dann immer wieder Menschen mit Badehosen?“. Oder anders: „Wenn unautorisiertes Mitnehmen von Waren Diebstahl ist – warum geben einige Kaufhäuser ihre Produktproben kostenlos weiter?“.
Wie lautet der dahinter stehende logische Fehler? Keine Ahnung. Die beiden Satzteile sollen einen Widerspruch verdeutlichen, der gar nicht vorhanden ist.
Selbst wenn man das aber so hinnimmt: Wenn man ein Gut, das prinzipiell auch gestohlen werden kann, kostenlos weiter gibt, dann lässt man sich nicht freiwillig bestehlen – man verschenkt es. Der „Kann es profitabel sein…“-Satz erscheint also auch irgendwie schief.
Wie gesagt: Ich wollte nicht rummeckern, aber den Punkt fand ich irgendwie konstruiert und unpassend – und das tut der Sache ja auch nicht gut ;).
Ich muss erhrlich sagen, dass ich die Antwort Lobos (http://saschalobo.com/2010/07/08/die-bescheuerte-musikindustrie-und-die-egoistischen-filesharer/) auf eure Artikel außerordentlich bescheiden finde („wesentlich besser wussten das zwei *an sich vernünftige* Menschen“, „vom Tenor ähnlich: Jehova, Jehova, immaterielle Güter kann man gar nicht stehlen“, „Kampfrhetorik“).
Anscheinend (nach meiner bescheidenen Wahrnehmung) kann der Lobo mit Kritik nicht sonderlich umgehen und versucht sogleich, euch wiederum unsachgemäßge Benutzung von Begriffen zu unterstellen („Identitätsdiebstahl“, „Screenshots klauen“).
Da frage ich mich wirklich, ob dieser Mann so sehr in seiner Ehre gekränkt ist, dass er die beiden Gotteslästerer, die sein hocherhabenes Urteil in Frage gestellt haben, gleich auf Herz und Nieren prüfen muss um jubelierend festzustellen, dass ihr auch schonmal „doofe Begriffe“ genutzt habt. Hurra! Hurra! Sascha Lobo ist rehabilitiert, weil seine Kritiker scheinbar an ihrer eigenen Kritik scheitern.
Außerdem ist seine Contra-Kritik zumindest im Bezug auf den Begriff „Identitätsdiebstahl“ auch durchaus fehl am Platz: Denn während „geistiges Eigentum“ ein Politikum ist, weil eben fraglich ist, ob und warum etwas Geistiges überhaupt Eigentum sein kann und damit auch der Begriff „Diebstahl geistigen Eigentums“ hochgradig politisch gesehen werden kann, ist das bei „Identität“ wohl kaum der Fall. Natürlich kann man daherkommen und sagen „technisch gesehen kann man Identität nicht stehlen“. Gut, dann ist es eben eine mehr oder minder unpassende Metapher, ein sprachliches Bild halt. Aber es hat nicht diesen Anklang von Lobby-Propagandaarbeit wie „Diebstahl von geistigen Eigentum“ oder gar „Raubkopie“.
Und genau sowas nervt mich am Contra-Artikel Lobos: Da werden irgendwelche Befindlichkeiten nach dem Motto „ihr seit ja auch nicht besser“ diskutiert, statt solche zentralen Begriffe tatsächlich mal zu analysieren. Und genau das habt ihr ja mit eurer Kritik angestoßen.
Schönen Gruß!
Veith says
Um des Friedens willen: Nennt es halt „schmarotzen“.
Nur leider impliziert dieser Begriff keine Urheberrechtsverletzung, und zum Begriff Diebstahl hat wohl jeder eine Vorstellung. Selbst der, der sich ungefragt und gedankenlos am reichen Tisch bedient.
Bei aller Kampf- und Gegenschlagsrhetorik: Es sind nicht nur die bösen und geldgierigen Verlage, die hier um Ihren Teil gebracht werden. Sondern auch diejenigen, die das begehrte Gut produzieren: Musiker, Journalisten, Autoren, …
Das Erstere die Rechte der Letzteren als Grund verwenden, Ihre eigene Pfründe zu verteidigen, überrascht nicht. Sie haben schlicht kein besseres Argument. Und „Gott will es“ hat sich früher schon öfter gut verkauft.
Ändert nichts daran, daß der Konsum nicht-honorierter Arbeit langfristig kaum der Vielfalt und Qualität dienlich ist. Ist es nicht wichtiger, das Problem zu lösen als über den Begriff zu streiten?
„Durch Digitalisierung und Vernetzung kann jeder einzelne Bürger heute mit einem 250-Euro-Netbook und Netzzugang zum Verlag, zur Plattenfirma, zum Filmverleih werden. Was für eine Freiheit, was für eine Errungenschaft!“
Mit Verlaub: Was für ein Unfug.
Erstens: Die Reduktion eines Verlages auf die Distribution ist hahnebüchen.
Zweitens: Die mit den technischen Möglichkeiten einhergehende „Freiheit“ setzt voraus, daß die Masse ein Bewusstsein für kausale Zusammenhänge hat. Wer gedankenlos die Arbeit anderer kopiert und verteilt (und damit entwertet), wird irgendwann nur noch Konserven und minderwertigen Mist verteilen können.
„Wer A sagt, muss auch B sagen.“ ähm … nö. Wer sagt das? =)
Marcel Weiss says
„Die mit den technischen Möglichkeiten einhergehende „Freiheit“ setzt voraus, daß die Masse ein Bewusstsein für kausale Zusammenhänge hat. Wer gedankenlos die Arbeit anderer kopiert und verteilt (und damit entwertet), wird irgendwann nur noch Konserven und minderwertigen Mist verteilen können.“
Kopieren und Verteilen entwertet die Arbeit nicht. Wert und Preis haben auch, nebenbei, nicht viel mit einander zu tun. Und dein letzter Satz impliziert, dass es keine Geschäftsmodelle außerhalb des direkten Verkaufs von Inhalten geben kann. Das ist schlicht falsch.
Gast says
völlig unnötiger Worthaufen, der Begriff „Diebstahl“ ist untechnisch verwendet worden und daran ist nichts auszusetzen.
Veith says
„Kopieren und Verteilen entwertet die Arbeit nicht.“
Der Urheber wird um den Lohn seiner Arbeit gebracht. Ein Honorar von Null ist keine Entwertung seiner Arbeit? Ich denke, dass selbst schaffende „Überzeugungstäter“ von irgendwas leben müssen. Mit Null kommt man nicht weit.
„Wert und Preis haben auch, nebenbei, nicht viel mit einander zu tun.“
Wenn es kein Wertbewußtsein gibt, ist der Preis die einzige Grundlage zur Verständigung. Das die beiden nicht das Gleiche bedeuten ist klar – habe ich das Gegenteil behauptet?
Auf welchen Satz beziehst Du das mit den Geschäftsmodellen?
Und: Gegenbeispiele für einen Autor/Musiker/Schauspieler? Vielleicht finden wie hier gleich die Lösung des urheberischen Dilemmas.
Marcel Weiss says
„Untechnisch“?
Marcel Weiss says
„Gegenbeispiele für einen Autor/Musiker/Schauspieler? Vielleicht finden wie hier gleich die Lösung des urheberischen Dilemmas.“
Als ich noch bei netzwertig schrieb, habe ich unter anderem den folgenden Artikel zum Thema verfasst:
http://netzwertig.com/2009/01/23/optimismus-und…
Wolfgang says
Ich habe langsam das Gefühl, die Diskussion geht am eigentlichen Problem vorbei.
Es geht doch im Grunde nicht darum, dass der Künstler an und für sich nicht gerecht entlohnt wird, sondern dass diejenigen die sich mit nicht materieller Kunst oder mit nicht materialisierbaren „Gütern“ beschäftigen ein Kommunikationsproblem haben.
Normale Kommunikation bedarf einen Sender und einen Empfänger. Der Bildhauer (Sender) gibt sein Werk aus der Hand und bekommt dafür einen Gegenwert (vom Empfänger). Der Bildhauer hat sein Werk verkauft. Punkt! Daran gibt es nichts zu rütteln. Wenn er keinen Lohn für sein Werk bekommt, dann wurde er beraubt, oder bestohlen!
Bei nicht materialisierbaren Werken, wie Musik oder leicht zu duplizierenden Werken wie Texten gibt es ein unausweichliches Problem. Der Sender sendet nicht bidirektional, sondern er Broadcastet. Das Internet macht dieses Problem im großen Umfang sichtbar!
Es ist nur legitim, wenn der Musiker oder der Literat die gleichen Bedingungen beim Kommunizieren haben möchte, wie ein Bildhauer, aber wie soll das Möglich sein? Der Musiker hat doch nur dann eine Chance sein Werk zu verkaufen, wenn er es danach nicht mehr besitzt. Ansonsten ist es kein Verkauf im klassischen Sinne!
Es ist klar, dass mit genügend Regeln und Verordnungen der einfache Vorgang des Verkaufens irgendwann auch auf Schaffende von immateriellen Werken angewendet werden können. Aber das nur zu lasten der natürlichen Kommunikation. Denn der Empfänger muss in diesem Fall einen atomaren Prozess (geben und nehmen) durch eine Vielzahl von Entscheidungen ersetzen. Im Grunde ist bei dieser Definition schon das Hören und mündliche Wiedergeben ein Diebstahl. Nur die Digitalisierung macht aus diesem Vorgang eine Kopie und die Schaffenden fühlen sich beraubt, weil sie ihr Werk nicht mehr zu Geld machen können.
Würde man dieses Szenario umdrehen, wie würde dass dann für Schreiner oder Bildhauer aussehen?
Mir ist egal wie man es nennt: Diebstahl, Kopie oder „Diebstahl“. Ich denke es müssen andere Wege der Verwertung her. Ein Film auf einer Kinoleinwand hat andere Qualitäten als ein Film im heimischen Wohnzimmer. Ein Konzert hat eine andere Qualität als eine CD im Player. Im Grunde muss der Verkauf von Musik genau so Funktionieren wie der Verkauf eines Tisches. Wenn das geregelt ist können wir nochmal auf die Verwertung zu sprechen kommen!
Veith says
Danke für den Link – interessante Zusammenstellung. Da gibts in der Tat Optionen, die sich zukünftig beweisen könnten und die ich mir nicht vorstellen konnte =)
Peter says
Sehr netter und gut zu lesender Beitrag!
Tharben says
Korrektur: „Insofern haben Sie recht: den ersten Teil habe ich weggelassen.“ muss natürlich heißen: _Letzteres_ habe ich weggelassen
C.K. says
Gast meint: Kein „terminus technicus“. Wenn ich das mal übersetzen darf: untechnisch.
Marcel Weiss says
„Und man sieht: Die beiden Satzteile passen nicht zusammen und erinnern ein wenig an „wenn nackt baden unanständig ist, warum baden dann immer wieder Menschen mit Badehosen?“. „
Stimmt, da ist was dran.
Marcel Weiss says
OK, danke für den Hinweis. An der Verwendung des Begriffs bleibt trotzdem viel auszusetzen.
Marcel Weiss says
„Es geht doch im Grunde nicht darum, dass der Künstler an und für sich nicht gerecht entlohnt wird, sondern dass diejenigen die sich mit nicht materieller Kunst oder mit nicht materialisierbaren „Gütern“ beschäftigen ein Kommunikationsproblem haben.“
'Gerechte Entlohnung' existiert genau so wenig wie ein 'gerechter Preis'.
Peter says
Goldwaage? Wenn sogar ich Sascha Lobo richtig verstanden habe, warum können das dann manch deutsche „Blog-Ikonen“ nicht?
Sollte ich euch jetzt in meinem schnell anzulegenden Blog ebenfalls zitieren bis meine Besucher mich dann genauso schwach beleuchtet sehen wie euch gerade?
Marcel Weiss says
Ich hoffe Du meinst nicht mich mit „Blog-Ikone“. Das bin ich sicher nicht.