Francis Ford Coppola in einem lesenswerten Interview über den kreativen Prozess und das Entstehen von Kultur, das wenig mit einem im Vakuum operierenden Genie zu tun hat:
I once found a little excerpt from Balzac. He speaks about a young writer who stole some of his prose. The thing that almost made me weep, he said, „I was so happy when this young person took from me.“ Because that’s what we want. We want you to take from us. We want you, at first, to steal from us, because you can’t steal. You will take what we give you and you will put it in your own voice and that’s how you will find your voice.
And that’s how you begin. And then one day someone will steal from you. And Balzac said that in his book: It makes me so happy because it makes me immortal because I know that 200 years from now there will be people doing things that somehow I am part of. So the answer to your question is: Don’t worry about whether it’s appropriate to borrow or to take or do something like someone you admire because that’s only the first step and you have to take the first step.
Es ist außerordentlich bemerkenswert, wie sehr dieses alltägliche Vorgehen im aktuellen Urheberrecht ignoriert wird, das vielmehr das Bild des im Vakuum operierenden Genies im Mittelpunkt hat.
Ebenfalls lesenswert ist die Aussage des legendären Regisseurs zu Filesharing und Geschäftsmodellen von Kreativen:
This idea of Metallica or some rock n‘ roll singer being rich, that’s not necessarily going to happen anymore. Because, as we enter into a new age, maybe art will be free. Maybe the students are right. They should be able to download music and movies. I’m going to be shot for saying this. But who said art has to cost money? And therefore, who says artists have to make money?
In the old days, 200 years ago, if you were a composer, the only way you could make money was to travel with the orchestra and be the conductor, because then you’d be paid as a musician. There was no recording. There were no record royalties. So I would say, „Try to disconnect the idea of cinema with the idea of making a living and money.“ Because there are ways around it.
Techdirt merkt dazu noch an:
While some will misinterpret this to mean that artists shouldn’t make money, that’s not what he’s saying at all. He’s saying it shouldn’t be presumed that they automatically must make money — or that if they are to make money, that it needs to come from the film directly.
Das ist auch nachvollziehbar, wenn man über die Verschiebungen nachdenkt. Beispiel Musik: Im 20. Jahrhundert konnten einige (wenige) Musiker mit Musik sehr reich werden, weil die Unternehmen (Majorlabels), mit denen sie zusammengearbeitet haben, positive Skaleneffekte beim Tonträgerverkauf erzielen konnten. Es war wirtschaftlich sinnvoll, den Superstar noch weiter zu pushen, um so relativ risikolos höhere Gewinne einfahren zu können, als etwa unbekanntere Künstler ebenso zu pushen.
Diese positiven Skaleneffekte verschwinden heute nicht komplett, aber die verstärkenden Umstände wie geringer Regalplatz im Mediamarkt und begrenzte Zeit für Musikvideos auf MTV etc. werden zunehmend marginalisiert.
Das führt dann zusätzlich mit der Verschiebung der Einkommensquellen natürlich auch zu einer Verschiebung der Einkommensverteilung. (Man könnte auch sagen, dass Millionäre wie Metallica vielleicht eher eine historische Anomalie sind bzw. sein werden.)
(via Techdirt)
Die Schwierigkeit ist, Menschen zu erklären, dass sie nur auf Grund historischer Unfälle nach oben gedrückt wurden, und eigentlich alles ganz anders sein müsste bzw. gerade wird und sie deswegen sich neu orientieren müssen. Ob wir das noch erleben, dass das jemand „von oben“ einsieht? Ob jemand „erfolgreiches“ mal die ökonomischen Mechanismen hinter seinem Vermögen hinterfragt und versteht?
Wie dem auch sei, wie immer schön stringent erklärt, was an Analyse notwendig ist.
Sowohl bei den Kreativen als auch bei den Unternehmen werden nur die wirtschaftlich bestehen können, die sich erfolgreich anpassen. Die notwendigkeit dessen wird zwangsläufig zum Verständnis führen. Diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind, werden untergehen. Das kann man aktuell in der Tonträgerindustrie bei den Majorlabels beobachten.
„You will be assimilated!“ Das ist so „Borkg Sozialdarwinismus mässige Denke, gefällt mir nicht.
Ich hab auch noch kurz Anmerkungen: Coppolas Anm,erkungen zu den good old days ist natürlich Quatsch. Kultur war immer schon subventioniert – in den letzten 200 Jahre erst vom Hofe (unsere großen klassischen Komponisten waren alles höfische Angestellte!!), heutzutage wird die gesamte E-Sparte (Theater, E-Musik, Oper, schaffende Kunst, Ballett etc. pp) und auch der FILM massiv vom Steuerzahler subventioniert. Es war also vor 200 Jahren nicht so, dass ein Komponist nur durch touren Geld verdiente, sondern er schrieb Auftragsarbeiten am Hofe. (POPmusik, um die es ja in diesen Diskussionen eigentlich fast ausschliesslich geht, wird und wurde nie subventioniert.)
Dann noch: selbstverständlich haben in den letzten 40, 50 Jahren nicht nur wenige, sondern sehr viele Musiker sehr gut verdient. Zusätzlich war es der Musikindustrie möglich, unbekannte Bands zu pushen und zu signen, Flops zu riskieren und Bands über 4 oder 5 Alben, an denen nichts verdient wurde, aufzubauen – diese Zeiten sind vorbei. Heute wird nur noch gesignt, was 100% Mainstream Erfolg verspricht. Das darf man auch schade finden. Einen Musiker“MIttelstand“ wird es in Zukunft nicht mehr geben – es wir keinesfalls eine „Verschiebung der Einkommensverteilung“ geben, ganz im Gegenteil: ein paar Top Verdiener und damit auch nur die Top Majorlabels beherrschen den Markt, das ist auch jetzt schon so und wird in Zukunft nur noch krasser.
Ich meinte mit den Anomalien auch Superstars wie Metallica. Gemessen an der Gesamtzahl der Musiker waren das nie 'viele'.
Die Quersubventionierung bei den Labels war sozusagen das R&D-Äquivalent der Musikbranche. Dass das heute vorbei ist, ist schade. Das heißt aber nicht, dass unbekannte Bands keine Chance mehr haben, groß zu werden. Das geht dann eben an den Majors vorbei. (Die gleichzeitig unwichtiger werden.)
„Einen Musiker“MIttelstand“ wird es in Zukunft nicht mehr geben – es wir keinesfalls eine „Verschiebung der Einkommensverteilung“ geben, ganz im Gegenteil: ein paar Top Verdiener und damit auch nur die Top Majorlabels beherrschen den Markt, das ist auch jetzt schon so und wird in Zukunft nur noch krasser.“
Sorry, aber das sehe ich nicht. Weder in der Praxis noch in der Theorie sehe ich das bestätigt. Ganz im Gegenteil: Ich sehe einen eher erstärkenden „Mittelstand“. Aktuell geht es nur leider noch drunter und drüber, weswegen viele Künstler nicht wissen, was sie machen können und sollten und sich leicht in die Irre führen lassen. Gleichzeitig wissen die großen Labels nichts mehr mit ihrer Größe anzufangen. Deswegen habe ich auch neumusik.com gestartet.
Ich habe vor kurzem ein Buch eines US-Musikjournalisten gelesen, in dem viele Bands und ihr erfolgreiches Herangehen betrachtet wird. Ich werde das demnächst auf neumusik.com besprechen. Alle dort beschriebenen Fälle zeichnet eins aus: Die (vorher unbekannten) Bands hatten online so schnell so durchschlagenden Erfolg, dass sie selbst damit kaum mithalten konnten. Das nenne ich mal Luxusprobleme.
Ich glaube ehrlich gesagt, der Eindruck täuscht. Selbstverständlich ist das Netz voll neuer toller unbekannter Bands und Labels, die wahnsinnig schnell Aufmerksamkeit generieren können. Aber: das Ganze meist auf einem recht geringen Niveau, betrachtet man den Markt als Ganzen. Es gibt tatsächlich noch eine reale Welt – was im Internet nach einem Riesen Hype aussieht, schlägt sich bei weitem nicht automatisch in Verkaufszahlen (egal ob Online/CDs/Merch/Tickets) und längerfristigen Erfolgen nieder. Die Realität des professionellen Musikmarktes sieht so aus, dass weiterhin die wenigen Majors das Marktgeschehen beherrschen. Schau dir nur die deutschen Charts an, die nach den Online/Tonträgerverkäufen erstellt werden. Du wirst dort in den Top 150 kaum einen oder keinen Independent Künstler finden. In den Billboard Charts ist es nicht anders. Die einzige grosse Ausnahme ist im Moment Adele. Eine von dir prognostizierte „Verschiebung“ ist garnicht abzusehen, im Gegenteil. Das Label- und Bandsterben der „Mittelschicht“ haben wir schon hinter uns. Die Majors werden sich zurechtrütteln und weiterhin auf die wenigen und immer weniger werdenden großen Zugpferde setzen, mit denen sie den Markt beherrschen, während Massen kleiner Kleinstlabels und Bands, die von gesunkenen Produktions-, Promotions- und Vertriebskosten erstmal profitieren, kurzfristige Hypes und Erfolge erzielen werden, aber kaum langfristige professionelle Musikerkarrieren. Das ist meine These, für die ich momentan sehr viel mehr Belege sehe als für deine.
Erlaube mir noch eine kleine Polemik am Rande auf eine alte Forderung von dir, über die ich gerade stolperte: „Wie in der Zeit vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden [Musiker] … ihren Lebensunterhalt mit Auftritten und dergleichen verdienen.“ – das sind ja großartige Aussichten! Dann können sich in Zukunft ja wieder die Labels die Taschen vollhauen, da sie wie damals den Musikern auch keine Lizenzen mehr zu zahlen brauchen! Auch toll, dass dann endlich Radios und Großkonzerne die ganzen Werbeieinnahmen alleine verprassen können, ohne ihren Musikersklaven und Contentzulieferern GEMA abtreten zu müssen, wie es damals der Fall war. Dringend nötig, die Großkonzerne auf diese Weise zu supporten!!
Das „dergleichen“ hätte ich auch gern präzisiert – du meinst sicher Prostitution und Drogendealen. Lies mal Musikerbiografien aus der Zeit…
„Das Label- und Bandsterben“ im Indie-Bereich gab/gibt es vor allem, weil sie im kleineren Rahmen das Gleiche machen wie die Großen. Also die gleichen Fehler, aber ohne Reservepolster.
Ich habe die Beispiele aus dem Buch gerade nicht im Kopf, aber die erfolgreichen Bands hatten sofort ausverkaufte Tourneen, noch bevor das erste Album draußen war. Ich mache das Review mal demnächst.
„“Wie in der Zeit vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden [Musiker] … ihren Lebensunterhalt mit Auftritten und dergleichen verdienen.“ – das sind ja großartige Aussichten! Dann können sich in Zukunft ja wieder die Labels die Taschen vollhauen, da sie wie damals den Musikern auch keine Lizenzen mehr zu zahlen brauchen! Auch toll, dass dann endlich Radios und Großkonzerne die ganzen Werbeieinnahmen alleine verprassen können, ohne ihren Musikersklaven und Contentzulieferern GEMA abtreten zu müssen, wie es damals der Fall war.“
Was glaubt Du, wie hoch der Prozentsatz der Musiker ist, die die Mehrheit ihrer Einnahmen über den Verkauf von Musikaufnahmen oder gar GEMA-Einkünfte generiert haben? Das war schon immer eine verschwindend geringe Minderheit. (Was zum Teil auch an den Verträgen der Majors lag.) Ich habe nicht gesagt, dass man das einstellen sollen. Darüber kommen aber nicht die entscheidenden Einkünfte für die meisten und wird es auch künftig nicht.
„dergleichen“: Alles, was knappe Güter sind. Siehe die Links am Ende des Artikels.
Nenn es Erbsenzählerei, aber: „Musiker“ bekommen erstmal garkein Geld von der GEMA, richtig? Die GEMA ist dafür da, an Komponisten und Texter Musiknutzungseinnahmen auszuschütten. Du möchtest also, dass es keine freien Komponisten mehr gibt sondern nur noch Komponisten, die gleichzeitig auch Interpreten sein müssen, aha. Bzw. heisst also, dass es den Berufsstand der Komponisten und Texter, die von GEMA Erlösen sowie Tonträgerverkäufen leben, garnicht geben kann, mhm. Geh mal auf eine GEMA Versammlung und erzähle den Anwesenden Textern und Komponisten das ;)
Musikereinnahmen waren natürlich schon immer ein Mix aus versch. Einnahmequellen. Aus eigener Erfahrung schätze ich, dass GEMA Einnahmen eines etablierten Musikers, der ein paar Radiohits hat sowie seine Lieder selbst schreibt, 15% der Einnahmen ausmachen, Tonträgerverkauf so 40%. Pauschal aus dem Kopf gehauen, ich habe irgendwo Zahlen. Einnahmekürzungen um die 50-60% aufgrund technischer unabwendbarer Entwicklungen – kann man natürlich von einer Berufsgruppe abverlangen. War ja während der Industriualisierung nicht anders ;)
„Du möchtest also, dass es keine freien Komponisten mehr gibt sondern nur noch Komponisten, die gleichzeitig auch Interpreten sein müssen, aha.“
Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte allerdings auch nicht bei jedem Kommentar einen halben Roman verfassen, um mich gegen alle halbseidenen Vorwürfe abzusichern.
Zusätzlich 'will' ich und 'verlang' ich in diesen Zusammenhängen nichts. Es steht jedem frei, den Weg zu wählen, den er will. Wege, die früher gut funktionierten, funktionieren heute einfach nicht mehr so gut. Ich versuche lediglich, abseits der üblichen Kampfrethorik sinnvolle Lösungen zu finden, die heute funktionieren und nicht beinhalten, dass man den Rest der Gesellschaft in Geiselhaft nimmt.
Man kann sich ja am Boten gern abarbeiten, aber das ändert nichts an der Botschaft selbst, die er überbringt, für die er aber nicht verantwortlich ist.
Ich beende meine Polemiken – versteh sie bitte als Reaktionen auf deine eigenen (die ich durchaus als Kampfrethorik empfinde)! – ich habe sie ja absichtlich auch als diese gekennzeichnet. Darauf bist du ja auch gut angesprungen, leider weniger auf meine Inhalte ;) Genug nun und nichts für ungut bitte.