Casi von zweipunktnull.org hat anlässlich der aktuellen Klage von Apple gegen Samsungs noch einmal die Gizmodo-Vergleiche von Apples Design und dem Braun-Design hervorgeholt. Ein guter Punkt. Auch Apple lässt sich massgeblich inspirieren.
In der Klage heißt es unter anderem:
“Instead of pursuing independent product development, Samsung has chosen to slavishly copy Apple’s innovative technology, distinctive user interfaces, and elegant and distinctive product and packaging design, in violation of Apple’s valuable intellectual property rights.”
Apple klagt unter anderem wegen folgenden nachgebauten Merkmalen:
a rectangular product shape with all four corners uniformly rounded;
the front surface of the product dominated by a screen surface with black borders;
as to the iPhone and iPod touch products, substantial black borders above and below the screen having roughly equal width and narrower black borders on either side of the screen having roughly equal width;
as to the iPad product, substantial black borders on all sides being roughly equal in width;
a metallic surround framing the perimeter of the top surface;
a display of a grid of colorful square icons with uniformly rounded corners; and
a bottom row of square icons (the “Springboard”) set off from the other icons and that do not change as the other pages of the user interface are viewed.
In den Kommentaren zu dem Blogposting auf zweipunktnull.org kam es zu einer interessanten Diskussion zwischen Markus Breuer und mir, die ich hier dokumentieren möchte.
Zunächst schrieb Markus Breuer über die grundsätzliche Frage des Rechtsstreits:
Die Frage, um die es letztendlich bei dem Rechtsstreit (den auch ich zweifelhaft finde) geht, ist aber eine andere: Hat ein Wettbewerber die Gestaltung einer Produktes nachempfunden, um sich dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen?
Und das ist gerade beim Samsung Galaxy eindeutig der Fall. Es geht hier nicht um eine rechteckige Form mit abgerundeten Ecken, wie aktuell immer wieder gerne in Apple-kritischen Beiträgen erwähnt wird. Es geht darum, dass Samsung des iPhone 3 ganz bewußt kopiert hat (vom Gerät selbst, über die Icons, das Ladekabel bis zur Verpackung), um sich im Markt Vorteile zu verschaffen?
Und das ist m.E. eindeutig so.
Worauf ich mir Gedanken um die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen machte, die so klar in diesen Fällen nicht ist wie sie oft angenommen wird:
Und die Frage auf der Ebene der Gesetzgebung ist, ob es gesellschaftlich sinnvoll ist, das Nachempfinden gesetzlich zu verbieten/einzuschränken. Ich würde das bezweifeln.
Gerade hier kann man relativ gut sehen, dass unabhängig von der Imitation durch Samsung und Android und co. Apple Rekordgewinne einfährt. Gleichzeitig ist der Gesellschaft als Ganzes durchaus geholfen, wenn sich als sinnvoll erweisende Konzepte über den ‚Erfinder‘ und seine Produkte hinaus verbreiten.
Meiner Ansicht nach spricht nichts dagegen, wenn sich eine Firma grundsätzliche von guten Lösungen, die andere Firmen gefunden haben, inspirieren lässt, etwas draufsetzt oder es weiter verbessert und das in einem Produkt vermarktet. Das geht auch gar nicht anders. Faktisch findet ja Design und Produktentwicklung nie im Vakuum statt. Viele Patente, die sich Firmen wie Apple – und eigentlich auch alle anderen – sichern lassen, sind deshalb albern, speziell, wenn sie basale Details betreffen.
Entwickle ich aber ein Produkt, mit der klaren Absicht, ein bereits existierendes – zudem sehr erfolgreiches – zu imitieren, verschaffe ich mir damit einen unfairen Wettbewerbsvorteil. ich spare mir Entwicklungs- und Marketingkosten und betreibe ein parasitäres Geschäft.
Das wäre eklatanter und würde von heutigen Apple-Kritikern vermutlich auch negativ gesehen, wenn es ein kleines Startup wäre, dessen erfolgreiches Produkt von einem Großunternehmen kopiert und billiger verkauft wird.
Nochmal: Ich bin gegen ausuferndes Patentrecht. Aber es geht mir nicht um die Übernahme von einzelnen Detailelementen („sinnvoll erweisende Konzepte“) sondern um das offensichtlich gewollte Kopieren der GESAMTEN Produktanmutung wie sie Samsung in der Galaxy-Reihe praktiziert. Damit ist „der Gesellschaft als Ganzes“ nicht „geholfen“. Wäre so etwas legal, ginge es auch vielen kleinen hochinnovativen Unternehmen und Designer noch schlechter als schon heute. Tatsächlich gehen Unternehmen an so etwas ganz praktisch zugrunde.
Meine Antwort darauf bezog sich zum einen auf den tatsächlichen Schaden von Apple:
Und das spiegelt sich hier konkret in Verlusten bei Apple wider? Das sehe ich nicht in den Zahlen. Und wenn dem vielleicht nicht so ist, spricht doch nix gegen Samsungs Vorgehen aus einer Sicht, die auf gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtssteigerung schaut, oder?
Tatsächlich sehen die Zahlen von Apple sehr gut aus:
The background section of Apple’s complaint has a couple interesting nuggets in it: Apple’s sold “over 60 million” iPod touches as of March 2011, which is the first time a specific number has ever been broken out for that device, and we’re also told that 108m iPhones and 19m iPads have been sold. What’s more, Apple spent more than $2 billion advertising the iPhone, iPod touch, and iPad during its fiscal years 2007 to 2010.
Mir ist auch nicht bekannt, dass der Launch eines Samsung-Geräts zu einem Abfall von Apple-Verkäufen geführt hätte. Sollten kausale Zusammenhänge bestehen, führen sie nicht zu messbaren Ergebnissen.
Der Rest meiner Antwort:
Ich glaube, dass sehr viel seltener tatsächlich parasitäre Geschäfte entstehen, die dem Vorreiter schaden, als gemeinhin angenommen. (Und der Wohlfahrtsgewinn auf Konsumentenseite durch mehr Konkurrenz wird oft schlicht ignoriert.)
„Damit ist „der Gesellschaft als Ganzes“ nicht „geholfen“. Wäre so etwas legal, ginge es auch vielen kleinen hochinnovativen Unternehmen und Designer noch schlechter als schon heute. Tatsächlich gehen Unternehmen an so etwas ganz praktisch zugrunde.“
Ich glaube nicht, dass das so offensichtlich ist. Wie gesagt, man sieht des recht deutlich an den Erfolgen von Apple und Samsung hier.
Im Modebereich etwa ist das auch normal, ohne dass das dem Sektor schadet – eher im Gegenteil.
In der Regel ist die Sichtweise vieler so: Mehr Kontrolle ist besser. In der Realität sieht es aber oft weitaus komplizierter aus. Und nicht immer ist die richtige Antwort jene, die uns offensichtlich erscheint.
Wenig überraschend für Stammleser bin ich der Meinung, dass wir heutzutage in nahezu allen Bereichen, Urheberrecht bis Patentrecht, viel zu starke Kontrollmechanismen haben.
Der Grund dafür ist auch einfach:
Es ist politisch weitaus einfacher und dankbarer, die Rechte weniger, gut vernetzter Akteure zu stärken als auf die Ausgeglichenheit der Interessen der Allgemeinheit zu achten.
Es ist politisch weitaus einfacher und dankbarer, bestehende Rechte zu stärken statt abzuschwächen. Und das ist vollkommen(!) unabhängig davon, was nach Ergebnissen in der Forschung sinnvoll wäre. (Deswegen wurden Copyright und Urheberrecht, z.B. was Schutzfristen angeht, seit ihrer Einführung in jedem Land kontinuierlich verstärkt und in keinem Land je abgeschwächt.)
Dieser über 150 Jahre stetig angewachsene Kontrollgedanke ist mittlerweile so stark in unserer Gesellschaft verankert, dass jede ansatzweise abweichende Meinung oft sofort als absurd abgetan wird.
Die entscheidenden Fragen im vorliegenden Fall sind:
- Fügt Samsung Apple Schäden zu?
- Wenn ja, überwiegen diese Schäden den Wohlfahrtszuwachs auf Konsumentenseite? Sprich: Führen Samsungs Handlungen zu einem Anstieg oder einem Abstieg der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt?
Jeder, der meint, die Antworten zu diesen Fragen wären offensichtlich, hat höchstwahrscheinlich nicht sehr lang darüber nachgedacht.
hozenplotz says
„Banale Details, die sich Unternehmen patentieren lassen?!“ Also entweder redet Herr Breuer da leider Unsinn, oder ich hab in Vorlesungen nicht richtig aufgepasst. M. E. sind die Definitionen und Prämissen, die ein Patent treffen muss nämlich absolut nicht trivial, d. h. sie müssen viele Auflagen erfüllen. Und der Sinn einzelne Teile anstatt ein komplettes Produkt patentieren zu lassen liegt jawohl auf der Hand.
Abgesehen davon versteh ich die Diskussion nicht so ganz. Plagiatsvorwurf hin oder her. Wer ist jetzt der Böse und wer nicht. Who cares. Rechtlich gesehen ist es einfach eine Verletzung, wenn die Gefahr besteht, dass ein Gut verwechselt werden kann (grob gesprochen). Liegt m. E. definitiv vor. Würde aber denke ich kaum jemand so sehen – aus dem einfachen Fakt, dass Apple so einen riesigen Marktanteil für sich beansprucht und (fast) jeder nunmal heutzutage weiß was ein iPhone ist bzw. wie es aussieht.
PS: Patente und Urheberrechte sind absolut unterschiedliche Dinge. Sollte man ein wenig vorsichtig mit umgehen. Ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sorry.
Marcel Weiss says
„M. E. sind die Definitionen und Prämissen, die ein Patent treffen
muss nämlich absolut nicht trivial, d. h. sie müssen viele Auflagen
erfüllen.“
In der Theorie: Ja. Aber in der Praxis werden teilweise recht abstruse
Patente vergeben. Vor allem in den USA im Softwarebereich.
„Patente und Urheberrechte sind absolut unterschiedliche Dinge.“
Ja, sind sie. Aber sie fallen in die gleiche Kategorie gesetzlicher
Werkzeuge. Das sind nicht Äpfel und Birnen sondern eher
unterschiedliche Apfelsorten.
Casi says
Ich glaube, wer sich ein Galaxy zulegt, tut das nicht, weil er eigentlich ein iPhone wollte und sich ob der Ähnlichkeit vergriffen hat. Meistens wird es doch eher so sein, dass einen das Gerät anspricht, weil es dem iPhone ähnelt, aber nicht im Apple-Mikrokosmos gefangen ist. Ich persönlich möchte genau deswegen kein iPhone, weil ich die Apple-Politik nicht sonderlich schätze und somit würde ich für Apple sowieso nicht als Kunde infrage kommen, egal wie ähnlich ein Android-Smartphone dem iPhone auch ist.
hozenplotz says
Okay, stimmt, meine Anmerkungen wären eigentlich nur für den deutschen und nicht den amerikanischen Patentmarkt zutreffend. Mein Fehler.
Dennoch bleib ich dabei, das man Patente nicht mit Urgeberrechten oder Schutzmarken vergleichen kann.
Sven says
Ich frage mich ja gerade, ob das Patentrechtgedöns nicht eigentlich andersherum gedacht ist (folgender Sachverhalt ist hypothetischer Natur): Ein Startup entwickelt (+patentiert) sein eigenes, ganz cooles Smartphone. Apple nimmt das Design, kopiert es, setzt Apple drauf und vertreibt es. Da die geplante Mund-zu-Mund-Propaganda bzw. das virale Marketing nach den ersten Verkäufen langsamer anlief als gedacht, macht Apple aufgrund der Bekanntheit den großen Reibach.
Ob nun zwei Konkurrenten auf Augenhöhe gegenseitig Konzepte übernehmen stört mich eigentlich herzlich wenig, aus den von dir genannten Gründen :)