Christoph Kappes beantwortet 7 Fragen von Nico Lumma zur aktuellen Deutscher-Datenschutz-vs-Like-Button-Debatte und schlägt unter anderem vor, Webunternehmen zu einer kostenpflichtigen, werbefreien Alternative für Endnutzer-Accounts zu verpflichten:
Im Übrigen finde ich es richtig, wenn Anbieter umdenken, und kostenpflichtige Nutzung als Altermative einführen. Das ist nämlich die eigentliche Ursache der Probleme. Ich überlege schon laenger, ob wir nicht viele Probleme erledigen, wenn wir zu kostenpflichtigen & werbefreien Nutzerkonten als Alternative verpflichten. Dann kostet GMail halt einen Fünfer im Monat.
Im Gegensatz zum Hauruck-Eskalation-Vorgehen deutscher Datenschutzbeauftragter ist das zumindest erfreulicherweise ein konstruktiver Vorschlag. Etwas, das man sich auch mehr von den eifrigen deutschen Datenschutzbeauftragten wünschen würde.
Ich halte diesen Vorschlag aber für ausgesprochen problematisch und kaum umsetzbar.
Wenn ein Webunternehmen wie zum Beispiel Facebook oder Google sich entscheidet, keine kostenpflichtigen Accounts anzubieten und für die Endnutzerseite ausschließlich auf Finanzierung von anderen Seiten setzt, müsste dann ein gesetzlicher Zwang einsetzen, der das Unternehmen verpflichtet, zusätzlich eine kostenpflichtige Account-Alternative anzubieten.
Das Unternehmen soll also zu etwas gezwungen werden, dass es von sich aus aus welchen Gründen auch immer für wirtschaftlich nicht sinnvoll hält. Die Folge? Ausreizen der Regeln:
Was, wenn das Unternehmen sich entschließt, den Preis so hoch anzusetzen, so dass diese Alternative für den Endnutzer nicht attraktiv wird? Soll eine Behörde dann die Preisbildung überwachen und korrigierend eingreifen?
Wollen wir Unternehmen vorschreiben, was ein werbefreier Webmail-Account kosten darf? Wie viel Facebook vom privaten Nutzer verlangen darf? Dass XING keine Werbung bei Premium-Accounts schalten darf? Müssen Webunternehmen dann ihre Kostenstrukturen vor der Webaccountbehörde vom Tag Eins an offen legen? Schreiben wir eine maximale Profitspanne für kostenpflichtige Accounts vor?
Der Vorschlag ist nicht umsetzbar, ohne den Handlungsspielraum der betroffenen Unternehmen massgeblich einzuschneiden. Das kann kaum wünschenswert sein.
Nein, Geschäftsmodellzwang ist sicher nicht die Lösung.
Christoph Kappes says
Lieber Marcel, so ist der Vorschlag aber nicht gut zu diskutieren.
Mein Vorschlag war ja eine mögliche Antwort auf ein Problem. Und er war nicht ohne Kontext.
Wenn wir ein Problem zu lösen haben, dann sollten wir uns alle potentiellen Lösungen ansehen und diese bewerten.
Ich sehe oben aber weder, ob wir uns bei der Analyse des Problems überhaupt einig sind: Was ist denn aus Deiner Sicht das Problem? Noch ist mir deutlich, was der komplette Raum aller Lösungen sein könnte.
Ich fände es konstruktiver, so an die Frage heranzugehen. Was ist das Problem? Welche Lösungen gibt es?
Martin Weigert says
Ich hab für morgen dazu auch schon einen Beitrag vorbereitet. ;)
(wobei „schon“ ist wohl eher übertrieben)
Klaus-Dieter Knoll says
Ich hab grad auch auf Martins Artikel bei netzwertig.com kommentiert (http://netzwertig.com/2011/08/…, dass die Daten so oder so erhoben werden würden, sobald ein werbefreier Bezahlkunde mit einem Kostenloskunde interagieren würde. Das lässt sich gar nicht trennen, und die übermittelten Daten sind definitiv personenbezogener als bspw. eine IP in google Analytics.
Aber Dein Argument ist natürlich der Killer schlechthin.
Marcel Weiss says
Danke!
Marcel Weiss says
Da hast du natürlich recht. Aber auch unabhängig vom Problem, das gelöst werden soll (worauf ich aus Platz- Zeitgründen hier nicht eingehen wollte), ist der Vorschlag meines Erachtens wie oben beschrieben zwar interessant aber nicht sehr realistisch, weil schlicht nicht umsetzbar ohne größere Kollateralschäden.
Davon abgesehen glaube ich auch nicht, dass die Datenschutzproblematik damit gelöst werden kann. Zumindest nicht die recht dogmatische Vorstellung dt. Datenschutzbeauftragter vom Internet.
Christoph Kappes says
Wo soll ich anfangen zu antworten?
Ja, würde ein solcher Zwang den „Handlungsspielraum der betroffenen Unternehmen massgeblich ein(zu)schneiden.“? Ich unterstelle mal, dass die Unternehmen das ergebnisneutral gestalten können. Wenn also im Beispiel Google der externe Umsatz/User bei 24 USD mit Werbeeinnahmen liegt, so wäre er bei 2/EUR/User kompensiert. Das ist wirtschaftlich das gleiche Ergebnis. Der Haken ist allerdings, und darauf gehst Du gar nicht ein, dass diese Option vor allem die gutbetuchten Kunden ziehen würden, und damit wären die schönsten Targets für Werbekunden entzogen.
Ich habe mit der Argumentationsstruktur generell ein Problem, dass irgendetwas Eingriffe in Unternehmen seien. Für mich hat – obwohl ich ganz klar Unternehmer bin und auch marktwirtschaftlich denke – die Politik das Primat gegenüber der Wirtschaft in dem Sinne, das sie Regeln definieren kann. Ich befürworte das auch nur ausnahmsweise, aber es ist der Normalfall: der gesamte Datenschutz, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz, Mieterschutz, die GewerbeOrdnung, das Finanzsystem – die gesamte Wirtschaftsordnung ist von Regeln durchzogen. Diese haben zwar auch mir mitunter den Hahnenkamm schwellen lassen, aber dieser Vorschlag hat immerhin den Vorteil, dass er an der URSACHE vieler Datenschutzprobleme ansetzt statt „hinten“ am Symptom herumzudoktern, Optin/Out über Datensparsamkeit, Datentrennung, Datenweitergabe etc.
Auch diese Maßnahme wäre dem Regelsystem nicht ganz fremd. Mal abgesehen von Kontrahierungszwängen wie im Transport- oder Energiesektor haben wir den Zwang zu Angeboten im Gesundheitssystem (Basistarife) und wir haben allerorten Bestimmungen über die Ausgestaltung von Produkten – man denke nur über die wahrscheinlich drei Dutzend Gesetze, an die sich ein Schwein halten muss, bevor es als Wurst auf den Teller kommt.
Reden wir denn überhaupt von demselben Problem, also seid Ihr bereit, von der Basis des BDSG aus zu denken? Das wäre aus meiner Sicht die Grundlage. Ich diskutiere gern und jederzeit die Schwächen des BDSG, aber ist für mich eine andere Diskussion.