Frank Krings (Frankfurter Buchmesse) über Vinyl:
Was spricht dann heute noch für das Vinyl? Ästhetik, Distinktion und Besitzerstolz. Während mp3s unsichtbar sind und kaum jemand seiner CD-Sammlung einen großen Platz im Wohnzimmer einräumt, sind Platten-Sammlungen mit schönen Covern ein echter Hingucker. So wie halt auch ein mit Tintenfeder und Wachs-Siegel handgefertigter Brief jeder Email ästhetisch überlegen ist und ihren Besitzer adelt. Ich kenne Wohnungen in denen ausgewählte Plattencover auf Regalen ausgestellt sind. Leider hat keiner ihrer Besitzer noch einen Plattenspieler um das Vinyl auch hören zu können. Soviel zur Relevanz von Trägermedien, die nur noch “ästhetisch” relevant sind.
Und zum Thema “Besitz” sagte der Vinyl-Traditionalist Eddie Piller in der Arte-Doku “Vinyl-Mania”: “Du besitzt einfach nichts, wenn du einen Download kaufst.” Ok, und wer jetzt neuerdings seine Lieblingsmusik via Streaming hört … der besitzt noch nicht einmal den Download-File! Aber geht es heute wirklich noch darum, Musik zu besitzen? Oder zählt nicht vielmehr der einfache, preiswerte und überall verfügbare Zugang zur Musik? Und zwar auf dem Medium, das ich gerade zur Hand habe?
Was das mit der Printbuch vs E-Book-Diskussion zu tun hat, muss jeder selbst entscheiden. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Ästhetik, Distinktion und Besitzerstolz das Papierbuch retten werden.
Ich glaube, dass für die heranwachsenden Generationen, zumindest für den musikinteressierten Teil unter ihnen, visualisierbare Hörgewohnheiten von Last.fm bis Facebook das Vinyl-Regal als Distinktionsgrundlage ersetzen. Mit dem Vinyl-Regal lassen sich auch keine verteilbaren Playlists erstellen.
Vinyl wird auch weiter noch lang einen Zweck erfüllen: als Souvenir. Aber diese Bedeutung sinkt beständig. (Spätestens wenn das letzte Vinyl-Presswerk kaputte Einzelteile hat, für die es keine Ersatzmöglichkeiten mehr gibt, wird auch Vinyl vorbei sein. Aber das nur am Rande.)
Volle Zustimmung!
Selbst unter DJs macht sich mittlerweile digitales Equipment breit. Vor ein paar Jahren wurde man als Digital-DJ noch belächelt – heute ist das vollkommen akzeptiert.
Ich habe selber vor ca. 7 Jahren angefangen, Vinyl zu kaufen, denn manche Tracks im Bereich der elektronischen Musik kamen einfach nicht auf CD oder als Download raus. Vor ca. 2 Jahren habe ich dann aufgehört, Vinyl zu kaufen – denn mittlerweile ist das digitale Angebot einfach unschlagbar.
Dazu kommen die praktischen Vorteile: Mein komplettes DJ-Equipment (Controller, Laptop, Kabel, …) passt heute in einen Rucksack. Vor einigen Jahren musste ich immer mit mehreren Koffern zu einem Gig fahren.
Vinyl wird sicher nicht von heute auf morgen aussterben, aber mehr als ein Nischenmedium sehe ich dahin auch nicht.
Naja, das ist doch eine recht einseitige und schlichte Betrachtung des Mediums Vinyl. Wenn es nur um die praktische Handhabe von Vinyl geht, stimmt die Argumentation natürlich – gegen MP3 hat dann Vinyl wenig Chancen (die Klangqualität lassen wir mal außen vor – das wäre unfair gegenüber der MP3 ;). Aber wie bei den meisten Dingen des Lebens geht es doch nicht nur um die praktische Handhabe oder die reine Funktion, sondern es spielen eben noch viel mehr Aspekte eine Rolle. Ästhetik, Haptik, Gestus und Akustik wären es bei mir als Vinylliebhaber. Und diese sind in der Gesamtheit dann doch so gewichtig, dass eben die reine und alleinige Fokussierung auf die Praxis und die Funktion nicht mehr ausreicht, um ein Medium adäquat zu beurteilen. Denn Ästhetik, Haptik, Gestus und Akustik einer Vinyl-Platte bringen mir persönlich so viel mehr (zusätzliche) Freude an der Musik, dass die MP3 leider dagegen nicht ankommt. Da helfen auch keine verteilbaren Playlists.
Oder um das Beispiel mit der E-Mail und der Tintenfeder aufzugreifen.
Eine E-Mail ist natürlich viel praktischer, schneller, einfacher, flexibler und und und als ein handgeschriebener Brief, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ein handgeschriebener Brief sehr viel mehr Freude beim Empfänger auslösen wird als eine E-Mail gleichen Inhalts (einen erfreulichen Inhalt natürlich vorausgesetzt). Einfach weil ein ganz anderer Gestus hinter einem handgeschrieben Brief steckt. So verhält es sich auch beim Anhören eines Albums auf Vinyl und MP3. Der Gestus beim Hören von Vinyl ist einfach ein ganz anderer, wenn ich eine Platte auspacke, auflege und die Nadel aufsetze als wenn ich den Rechner hochfahre, Winamp anschmeiße und mich durch tausende Ordner durchklicke..
Genauso ist das beim DJing. Klar, digital ist sehr viel praktischer, günstiger, man hat mehr Möglichkeiten, ist die Zukunft. Ja. Aber die Platten für einen Abend auszusuchen, zu packen, zu schleppen und mit dieser Auswahl dann den Abend zu bestreiten, dahinter steckt eine ganz andere Haltung, eine sehr viel liebevollere und respektvollere als wenn man immer seine komplette Musiksammlung auf dem Rechner dabei hat und per Mausklick schön bequem gegen alles gewappnet ist. Aber DIESEN Aspekt heutzutage geltend zu machen, ist leider nur sehr schwer vermittelbar.
Das ist eigentlich das Traurige an der ganzen Sache. Mit dem Niedergang von Vinyl oder auch dem Papierbuch wird nicht nur einfach ein Medium sterben, sondern auch eine ganz bestimmte Haltung gegenüber Dingen. Darüber sollte man mal nachdenken..
@61359794df2568736f89bcedbefb988e:disqus , das ist mir deutlich zu pessimistisch gedacht.
Auch als digitaler DJ „packe“ ich meinen virtuellen Plattenkoffer. Natürlich habe ich theoretisch meine komplette Sammlung dabei, aber ich bereite einen Abend trotzdem vor, indem ich eine Vorauswahl erstelle und diese in Playlists packe. Aus denen bediene ich mich dann im Laufe des Abends. Vom Prinzip her ist das nicht viel anders als das, was man mit Vinyl auch gemacht hat.
Auch der Ausdruck, dass damit eine „bestimmte Haltung“ ausstirbt, kann ich so nicht teilen. Natürlich ändert sich die Haltung zur Musik, aber ich würde das eher positiv beschreiben.
Ich habe heute Zugriff auf sehr viel mehr Musik als jemals zuvor. Die Kunst heute ist es, aus dieser riesigen Menge eine Auswahl zu treffen und damit kreativ umzugehen.
Natürlich kann man das auch dafür nutzen, einfach ganz geistlos die Publikumswünsche durchzududeln. Um das nicht zu tun braucht man als DJ eben Haltung und Rückgrat. Es fällt mir schwer, dieses Rückgrat allein in dem beschränkten Fassungsvermögen eines Plattenkoffers zu sehen.
Um mal ein bisschen weiter zu denken: Die Digitalisierung sorgt in vielen Bereichen dafür, dass Mangel kein Problem mehr ist. Ich komme jederzeit an (so ziemlich) jede Information heran, die sich digitalisieren lässt – inklusive Musik.
Als Menschheit sind wir aber an den Mangel gewöhnt und sind deswegen mit allem, was begrenzt war, auch entsprechend vorsichtig umgegangen.
Das Problem des Mangels ist nun für immaterielle Güter so gut wie gelöst. Nun geht es nicht mehr darum, Mangel zu verwalten, sondern Vielfalt zu nutzen.
Das erfordert eine ganz andere herangehensweise, aber mindestens genau so viel Hirnschmalz – sonst wird aus der Vielfalt nämlich einfach nur Chaos. Wir müssen uns noch viel mehr als früher damit auseinandersetzen, was wir mit der Vielfalt eigentlich anfangen wollen.
Um wieder zurück zur Musik zu kommen: Die Herausforderung ist es nicht mehr, an die seltensten Scheiben heranzukommen, sondern aus der Flut der Möglichkeiten eine gute Auswahl zu treffen – und als DJ diese mit dem Publikum zu teilen.
Beides sind keine einfachen Aufgaben, aber ich möchte das gerne optimistisch sehen und die Möglichkeiten nutzen.
„Vom schleichenden Ende des Vinyls“ – also ich sehe das momentan eher andersrum. ich habe eher gesehen, dass die vinyl von sagen wir mal 1995 – 2005 immer mehr weggestorben ist und es jetzt wieder einen riesen auftrieb gibt!
CDs werden wertlos und sinnlos, aber das habe ich ja schon immer gesagt.
aber neuer standart ist VINYL mit download-code. das jetzt nicht alle wieder platten kaufen werden ist klar, aber wie gesagt, tedenz wieder steigend!
ich als DJ brauch die musik auch doppelt und will sie auch auf verschiedene weise hören, d.h. nicht das das eine das andere ersetzt. sondern unterwegs digital zu hause der analoge genuss!
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