Am Beispiel des Anbieters ReDigi, der ein Marktplatz für den Weiterverkauf gebrauchter MP3s sein will, zeigt sich hervorragend die scheinheilige Argumentation der Rechteverwerter in der Urheberrechtsdebatte.
Denn nachdem bereits kurz nach dem Start von ReDigi die RIAA eine Unterlassungserklärung an den Anbieter weitergereicht hat, hat nun EMI gegen ReDigi geklagt:
Die Song-Datei existiert laut Angaben von John Ossenmacher, CEO von ReDigi, zu keinem Zeitpunkt zweimal. Dies bezweifelt EMI Music jedoch: ReDigi dupliziere Songs, erstelle also unerlaubte Kopien urheberrechtlich geschützter Werke.
ReDigi arbeitet mit einem DRM-ähnlichen System, um das im Analogen übliche Weiterverkaufen gebrauchter Tonträger im Digitalen zu simulieren:
ReDigi setzt hierfür auf ein System, das nur legal gekaufte Musik weiterverkaufbar macht und die verkaufte Musik mittels eines Programms vom mit ReDigi verknüpften Rechner und den mit der dortigen Musikbibliothek verbundenen mobilen Geräten löscht. Es funktioniert also innerhalb des ReDigi-Systems, aber eben nur da[..]
Dass EMI und RIAA gegen ReDigi vorgehen, ist bezeichnend:
- Zum einen wird auf eine hundertprozentige Analogie zwischen Digitalem und Nichtdigitalem gesetzt, wenn es um das Verdammen unautorisierten Filesharings als Diebstahl geht. Weil nur so das Geschäftsmodell in der Debatte moralisch aufgeladen verteidigt werden kann.
- Zum anderen wird diese hundertprozentige Analogie aufgegeben, wenn es dem eigenen Geschäftsmodell schadet. MP3s können nicht als gebraucht weiterverkauft werden, weil ja ohne Probleme Kopien erstellt werden können.
Das heißt, die digitale Kopie ist nur so lang haargenau gleich wie der physische Tonträger anzusehen, so lang es den eigenen Interessen dient.
Vor anderthalb Jahren hatte ich gefragt:
Wenn unautorisiertes Filesharing Diebstahl ist,..
..warum kann man dann gebrauchte MP3s nicht weiterverkaufen?
..ist dann das Herunterladen und anschließende sofortige Löschen Vandalismus?
..warum geben dann einige Musiker ihre Musik kostenlos weiter? Kann es profitabel sein, sich bestehlen zu lassen?
Rechtsanwalt Thomas Stadler zur rechtlichen Lage:
In Europa dreht sich die streitige Rechtsfrage primär um den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz der besagt, dass ein Werk, das einmal bestimmungsgemäß in den europäischen Binnenmarkt gelangt ist, beliebig weiterveräußert werden kann, ohne, dass der Urheber/Rechteinhaber dies unterbinden kann. Streitig ist nunmehr u.a., ob das auch für digitale Inhalte gilt, die nicht mehr auf einem Datenträger verbreitet werden. Die urheberrechtliche Diskussion in den USA dürfte sich demgegenüber wohl stärker auf die Frage des sog. Fair Use konzentrieren. ReDigi beruft sich offenbar auch darauf, dass gar keine Vervielfältigung stattfindet, weil die Datei nur von einer Person auf die andere übertragen wird. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob man den Vorgang eher technisch oder eher phänomenologisch betrachtet. In technischer Hinsicht wird die Datei natürlich zunächst auf den Server von ReDigi kopiert. Andererseits kann man schon die Frage stellen, ob nicht auch digitale Inhalte, die man per Download erworben hat, weiterverkauft werden dürfen, so wie dies bei Schallplatten oder CD’s der Fall ist.
Unabhängig von der rechtlichen Lage kann ReDigi wohl eher nicht im großen Stil funktionieren. Aus dem selben Grund, warum Daten nicht gestohlen werden können und warum der Verkauf von (’neuen‘) Musikdateien nicht zukunftsträchtig ist: Die Simulierung analoger Verhältnisse in der digitalen Sphäre ist bestenfalls hemmend und schlechtestenfalls der Weg direkt in die ökonomische Katastrophe. Aber man muss ReDigi dafür dankbar sein, dass allein ihre Existenz die Verlogenheit der großen Musiklabels und ihrer Vereinigungen zur Urheberrechtsdebatte offenlegt.
Zu ReDigi schrieb ich seinerzeit im Musikmarkt:
ReDigi wirft mit dem Wiederverkauf allerdings auch das Licht auf etwas, das in der Musikbranche bisher gern übersehen wird: Die Tatsache, dass Musikdownloads (in der Regel) nicht wiederveräußerbar sind, senkt für den Käufer erheblich den ökonomischen Wert dieser Dateien gegenüber physischen Tonträgern. Nicht nur aber auch deswegen müssen Musikdownloads wesentlich günstiger sein als ihre physischen Äquivalente – oder eben wiederverkaufbar.
Ich schloss mit folgendem Absatz:
Simulation und Tradition sind keine tragenden Säulen für Geschäftsmodelle. Wenn sie es wären, dürfte sich niemand bei dem Gedanken unwohl fühlen, dass Musikfans wie eh und je ihre gekaufte Musik auch in digitaler Form weiterverkaufen.
[…] EMI bestätigt, dass es aufgelöst gehört Entweder ich kann Musik “klauen” oder nicht. Dann muss ich sie aber auch weiterverkaufen können. m( […]