Markus Reiter hat für die Stuttgarter Zeitung einen guten Artikel geschrieben („Streit ums Urheberrecht: Auch kreative Arbeit ist: Arbeit“), in dem er sich kritisch mit den Positionen derer auseinandersetzt, die ein weniger restriktives Urheberrecht fordern.
Über die Geschichte des Urheberrechts schreibt er:
Die Kirche und die Fürstenhöfe fielen als Finanziers von Kunst und Kultur weg. Die Künstler verstanden sich fortan als Individuen, die für ihre Schöpfungen genauso bezahlt werden wollten wie die entstehenden Klassen der Arbeiter und Angestellten für ihre Tätigkeiten. Das Urheberrecht wurde zum Ausdruck künstlerischer Emanzipation und zur Befreiung aus der Abhängigkeit vom Mäzenatentum. Es unterwarf die Werke der Kunst und Kultur zugleich den Gesetzen des Marktes.
Das ist so nicht ganz richtig. Das Copyright, das Vorbild für das Urheberrecht, entstand wie auch letzteres, vor allem weil Buchverlage ihre Investitionen vor Nachdrucken schützen wollten. Die Emanzipation des Künstlers vom Mäzen war ein Nebeneffekt. Dafür hat sich der Künstler vom Rechteverwerter abhängig gemacht. Denn ohne diesen konnte er nun nicht mehr von der Kunst leben.
Es ist übrigens nicht so, dass der Markt, mit dem Verwerter als Flaschenhals (oder als ‚Gatekeeper‘), automatisch immer besser für die Kultur ist als der Mäzen. Als Beispiel sei hier etwa die Band The Velvet Underground genannt. Ohne ihren Mäzen Andy Warhol hätte die Band niemals ihr erstes Album aufgenommen. Dieses Album ist kommerziell gnadenlos gefloppt. Brian Eno hat Jahrzehnte später über das Album gesagt, dass jeder der wenigen, die es gehört haben, anschließend eine Band gegründet hat.
Nichtsdestotrotz sind einzelne Mäzene sicher nicht die Zukunft der Kulturfinanzierung. Was aber wichtig ist: Man sollte die industrielle Produktion von Kultur nicht idealisieren.
Ein nachgedrucktes Buch oder eine nachgespielte Sinfonie hingegen fehlt niemandem: Es minder weder die Existenz noch die Qualität des ursprünglichen Werkes. Genau dieses Argument greifen die Gegner des Urheberrechts im 21. Jahrhundert erneut auf. Man könne doch, sagen sie, heutzutage ein Musikstück beliebig oft ohne Qualitätsverlust, ohne Aufwand und fast ohne Kosten kopieren, anders als noch vor wenigen Jahren und Jahrzehnten, als es an eine DVD oder Musikkassette gebunden war.
Dabei vergessen sie, dass es dem Urheberrecht schon im 19. Jahrhundert nicht um den materiellen Träger der schöpferischen Leistung ging. Es kümmerte sich nicht um die Leinwand, das Notenblatt oder das gedruckte Buch. Der Diebstahl dieser Dinge fiel ohnehin unter das Strafrecht. Vielmehr sollten die Verwertungsrechte an den kreativen Produkten geschützt werden.
Ja, das Urheberrecht schützt nicht den Träger sondern das immaterielle Werk. Aber: das macht es nur, um den physischen Träger wertvoller zu machen, weil der Träger das Werk verbreitet.
Das ist sinnvoll, wenn wir Unternehmen für die Distribution der Kultur brauchen. Die brauchen wir heute aber nicht mehr.
Das ist ja das Problem, über das wir reden:
1. Distribution (Verkauf von CDs) und Produktion des Werkes (Album aufnehmen) waren in der industriellen Gesellschaft untrennbar miteinander verbunden.
2. Heute können wir Kunden, wir Leser, Hörer und Fans die Distribution in die eigenen Hände nehmen. (Filesharing)
Aus 1. und 2. entsteht der Konflikt. Denn hier bricht einer Industrie ihre Prozessgrundlage und damit ihre Geschäftsgrundlage weg. Die Künstler, die Kreativen sind nur getroffen, weil sie von den Geschäftsmodellen der Verwerter abhängig sind.
Das müssen sie aber nicht sein.
Denn welcher Schöpfer kann einen Roman, ein Musikstück, einen Bauplan noch verkaufen, wenn andere – ohne die Mühe, diese Werke zuvor selbst geschaffen haben zu müssen – kostenfrei über sie verfügen dürfen?
Falsche Frage. Die Implikation ist, dass die Schöpfer von Werken nur mit dem direkten Verkauf dieser Werke Geld verdienen können. Tatsächlich argumentieren viele (wie ich), dass der direkte Verkauf von Werken keine Zukunft hat, weil sie losgelöst von den physischen Trägern auf ihre Grenzkosten von Null reduziert sind.
Immaterielle Güter ohne physische Träger, die sie mit ihren Kosten auf eine Ebene mit anderen physischen Gütern ziehen, sind per Definition keine knappen Güter mehr. Geschäftsmodelle müssen aber immer auf knappen, nachgefragten Gütern basieren.
Auffallend wenige hauptberufliche Musiker, Designer, Fotografen, Architekten und Autoren sind heute auf der Seite der Urheberrechtsgegner zu finden. Kein Wunder: sie sind eben nicht nur Nutznießer, sondern Schöpfer kreativer Leistungen. Mit den Erlösen ihrer geistigen Arbeit müssen sie Brot, Milch, Miete und den Latte macchiato bezahlen.
Praktisch jeder Bürger ist heutzutage auch ein Urheber.
Ich bin ein Urheber, der zu einem großen Teil von seinen Werken lebt, und bin für eine Reform des Rechtes, welche es weniger restriktiv macht. Wahrscheinlich macht mich das zu einem „Urheberrechtsgegner“. Ich glaube, dass es viele Urheber gibt, die ähnlich denken, die sich aber nicht in offenen Briefen oder Verbänden zusammenfinden, weil das eine Ansicht ist, die sich eher bottom-up verbreitet, während eine Position „Pro starkes Urheberrecht“ eher top-down Verbreitung findet, weil sie im Sinne von rechteverwertenden Konzernen ist.
Oder anders: Alles war Konzernen hilft, wird immer mehr Öffentlichkeit bekommen, weil es mehr Leute (Lobbyisten) im Hintergrund gibt, die diese Agenda pushen. Alles, was Bürgern allgemein oder Urhebern helfen würde, allerdings eher indirekt und weniger direkt zuordnungsbar, wie etwa ein weniger restriktives Urheberrecht, das auch Urhebern mehr Handlungsspielraum mit bestehender Kultur geben würde, hat keine streng durchorganisierte und damit effiziente Lobby. Deswegen wird ein Konzernmanager eher gehört als ein Kreativschaffender oder ein 16jähriger.
Nur die Wahlergebnisse der Piraten sprechen eine klare Sprache: Deutschland besteht nicht allein aus Konzernmanagern.
Dass so wenige Urheber „auf der Seite der Urheberrechtsgegner“ zu finden sind, hat noch andere Gründe. Denn die meisten haben
a.) kein ökonomisches Grundwissen,
b.) daran auch kein Interesse,
und c.) glauben leider zu oft jedem dahergelaufenen Lobbyisten, der auf Ressentiments und Bauchgefühle zielt. (weil es einfach ist, besonders wenn es um Themen geht, mit denen man sich nicht befassen will)
Deswegen findet man auch nicht nur wenige Kreativschaffende, die eine andere Position als die der Verwerter einnehmen. Man findet deswegen auch wenige, die überhaupt eine Position haben, die auf Kenntnis basiert. Und ja, das ist tragisch.
Diese Woche war ich auf einer kleinen SPD-Veranstaltung, auf der auch einer der Tatort-Autoren gesprochen hat. An einem Punkt sagte er sinngemäß, dass er nur Geschichtenerzähler sei und davon leben will und sich aber andere Menschen Gedanken machen sollen, wie das Geld dann reinkommt. Damit wolle er sich nciht beschäftigen.
Das dürfte leider die Position vieler Kreativschaffender zusammenfassen.
Das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt: Cory Doctorow, Neil Gaiman, Tim O’Reilly oder Paulo Coelho sind die bekanntesten Urheber, die sich recht klar auf die Copyleft-Seite geschlagen haben. (Es gibt weitaus mehr. Leider nicht so viele in Deutschland. Woraus man lesen kann, was man will.)
Argument 1 der Urheberrechtsgegner lautet: Da man illegales Kopieren technisch nicht vollständig verhindern kann, soll man es lieber gleich erlauben. Zweifellos müssen Rechte, darunter sogar Grundrechte, der Netznutzer eingeschränkt werden, wenn Rechte der Urheber durchgesetzt werden sollen. Allerdings gilt das für jede Rechtsnorm. Nehmen wir das Verbot der Steuerhinterziehung. Sie wird sich niemals vollständig verhindern lassen, und ihre Bekämpfung erfordert es, Grundrechte für einige Menschen einzuschränken. Dennoch käme niemand auf die Idee, Steuerhinterziehung deswegen zu legalisieren. Der Rechtsstaat darf vor Rechtsbruch nicht kapitulieren, sondern muss eine Balance von Freiheit und Überwachung finden.
Zwei Dinge sind anzumerken: Erstens handelt es sich bei illegalem Filesharing und anderen Urheberrechtsverletzungen in der Regel um unautorisierte Distribution. Im Gegensatz zu Diebstahl oder Steuerhinterziehung hat diese nicht nur negative sondern auch positive Effekte.
Zweitens stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Um diese unautorisierte Distribution, die die direkte Folge eines systemischen Merkmales ist, wirklich einzudämmen, muss zwangsläufig private Kommunikation im Netz aufgegeben werden.
Die Loslösung der Werke von ihren physischen Trägern ist ein Paradigmenwechsel mit fundamentalen Folgen. Davor darf man nicht die Augen verschließen.
Das bedeutet, dass man sehr wohl fordern kann, dass das alles eingedämmt wird. Damit untrennbar verbunden ist dann aber auch eine Rechtfertigung der entstehenden Kollateralschäden. Kein YouTube, kein Tumblr, kein Pinterest etc. pp., so wie wir sie heute kennen.
Ich verfolge die Debatte (hier in Deutschland ist es bisher eher ein Streit) sehr genau und ich habe bis jetzt noch nicht einmal gesehen, dass diese gesellschaftlichen Kollateralschäden tatsächlich abgewogen werden. Jeder kann im luftleeren Raum etwa fordern.
Argument 3 lautet: Das Geschäftsmodell, das hinter dem Urheberrecht steht, ist durch das Internet zusammengebrochen. Pech gehabt! Sucht euch ein neues! Es geht aber nicht um ein Geschäftsmodell, sondern um einen Rechtsrahmen. Ein Vergleich: wenn Kaufhäuser in Schwierigkeiten geraten, weil die Konsumenten lieber im Internet einkaufen, mag das für die Mitarbeiter und für die Innenstädte bedauerlich sein – aber es ist eben nur das Ende eines Geschäftsmodells. Wenn man aber plötzlich das Prinzip infrage stellen würde, überhaupt Waren gegen Aussicht auf Profit zu verkaufen, gäbe es ein Problem – und recht bald eine Mangelwirtschaft.
Das Argument lautet eher so: Wenn wir uns zwischen eurem Geschäftsmodell und unserer Privatsphäre entscheiden müssen, dann entscheiden wir uns für unsere Privatsphäre.
Wenn ein Geschäftsmodell nur durchsetzbar ist, wenn die komplette Bevölkerung unter permanente Beobachtung gestellt wird, weil sie die verkaufte Leistung selbst erbringen kann (wir erinnern uns: Distribution und Produktion sind industriell gekoppelt worden), dann sind das zu hohe gesellschaftliche Kosten, um dieses Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten.
Oft schieben die Urheberrechtsgegner nach, Musiker sollten live spielen, um ihr Geld zu verdienen. Auch hier ist die Perspektive vom Egoismus der Rechtepiraten geprägt. Weil es ihnen vor allem um den kostenlosen Musikdownload geht, ignorieren sie andere Kreative wie Fotografen, Komponisten, Designer, Architekten und Filmschauspieler, die ihre Arbeit nicht einfach bei Liveauftritten präsentieren können.
Liveauftritte sind nur ein Beispiel für knappe Güter. Das Prinzip bleibt für alle auf einem Markt teilnehmende Parteien gleich. Filmschauspieler präsentieren ihre Arbeit übrigens bereits seit längerem auch live: Das nennt sich dann Theater.
Argument 4 lautet: „Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essenzieller Wichtigkeit.“ So drückt es etwas ungelenk das Parteiprogramm der Piraten aus. Gemeint ist: irgendwie gehören geistige Güter doch allen, weil alle kulturellen Leistungen auf den Schultern von Giganten ruhten. Damit werden die Musik von Lady Gaga und Justin Bieber, der jüngste Hollywoodfilm und das coole Videospiel zum Erbe der Menschheit erklärt und deren kostenlosen Download zum Menschenrecht. Dieses Argument ignoriert, dass das Urheberrecht kreative Leistungen vergütet. Diese zu erbringen, ist mit Kosten, Zeit und Mühe verbunden.
Wie seit Jahren Kritiker des aktuellen Rechtes immer wieder betonen: Copyright und Urheberrecht sind geselleschaftliche Kompromisse. Es werden zeitlich beschränkte Monopolrechte gewährt, die einen Investitionsschutz bieten sollen, damit sich Kosten, Zeit und Mühe lohnen. Darüber hinaus dürfte es unter vernünftigen Menschen unstrittig sein, dass der Nutzen der Gesellschaft an bestehenden Werken steigt, je eher diese in die Gemeinfreiheit übergehen.
Letztlich machen sich die Urheberrechtspiraten mit ihrer Forderung nach unbedingter Freigabe aller Kunst zu unfreiwilligen (oder freiwilligen?) Lobbyisten von milliardenschweren Internetkonzernen wie Google und Apple.
Jetzt auch Apple? Was haben die mit alledem zu tun? Zum Google-Standardvorwurf, ein wirklich komplett unsinniges Argument, schrieb ich vor wenigen Tagen:
Sobald über ein weniger restriktives Urheberrecht gesprochen wird, das auch der gesamten Gesellschaft und nicht nur dem rechteverwertenden Monopolisten zugute kommt, wird Nähe zu und Unterstützung von Google vorgeworfen.
Das ist absurd.
Wenn jeder von einem weniger restriktiven Urheberrecht profitiert, dann eben auch Unternehmen, und dann gehört dann eben auch Google dazu. Alles, was Google, Facebook oder andere Webdienste innerhalb des geltenden Rechtes machen, können auch andere Unternehmen, können auch Presseverlage, Filmstudios und, ja, sogar freie Journalisten machen.
Selbst die besten Kritiker der Urheberrechtskritiker scheinen vor ein bisschen Demagogie nicht gefeit zu sein. Schade.
***
Klothilde says
Wenn wir der Argumentation folgen, könnte die derzeitige Gesellschaftsordnung sich auflösen: „Wenn ein Geschäftsmodell nur durchsetzbar ist, wenn die komplette Bevölkerung unter permanente Beobachtung gestellt wird, weil sie die verkaufte Leistung dann sind das zu hohe gesellschaftliche Kosten, um dieses Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten.“ Die Polizei überwacht meine Handlungen, die Kirche meine Gedanken. Das ist mir zu viel permanente Beobachtung und darin bin ich mir mit einer zunehmenden Mehrheit der Bevölkerung einig. Ich nehme mir, was ich brauche. Die Kekse vom Kaufhof, den Mercedes vom Händler usw. Ohne dafür zu bezahlen. Die Firmen stellen fest: Die Kosten sind zu hoch, um das Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten. Sie stellen die Produktion ein. Wie geht es weiter?
„Darüber hinaus dürfte es unter vernünftigen Menschen unstrittig sein, dass der Nutzen der Gesellschaft an bestehenden Werken steigt, je eher diese in die Gemeinfreiheit übergehen.“ Glaube ich nicht. Diese Werke, von denen die Gesellschaft profitieren will, würden erst gar nicht entstehen. Wenige werden Wissen, Lebenszeit, Arbeit in ein Werk investieren, das sie anschließend gemeinfrei weggeben sollen. Ich habe Betriebe gesehen, die so funktionieren sollen. Die Werktätigen sind Kaffeetrinken gegangen.
Marcel Weiss says
Die Polizei sitzt noch nicht in der Wohnung neben jedem Bürger und schaut sich jeden Brief und jedes Telefonat an, ob da auch ja kein Urheberrecht verletzt wird.
„“Darüber hinaus dürfte es unter vernünftigen Menschen unstrittig sein, dass der Nutzen der Gesellschaft an bestehenden Werken steigt, je eher diese in die Gemeinfreiheit übergehen.“ Glaube ich nicht. Diese Werke, von denen die Gesellschaft profitieren will, würden erst gar nicht entstehen. Wenige werden Wissen, Lebenszeit, Arbeit in ein Werk investieren, das sie anschließend gemeinfrei weggeben sollen. „
Sie haben die Aussage nicht verstanden. Darin steckte lediglich die Begründung, warum Urheberrecht zeitlich beschränkt ist.
Jonathan says
Mal wieder ein Text der an fast allen Punkten die unterschiede zwischen Urheberrechten und Copyright ignoriert. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass das Urheberrecht historisch aus dem Copyright hervorgegangen ist, dann sollte man doch die Verschiebung (Unveräußerlichkeit) der Rechtslage zugunsten der Künstler bitte zur Kenntnis nehmen. Und vielleicht wundert man sich dann auch nicht mehr, warum kaum deutsche Autoren sich „Copyleft“ anschließen. Ohne „Copyright“ macht das nämlich wenig Sinn.
Dagegen auf den „Arbeits-Faktor“ zu setzen, ist tatsächlich die Amerikanisierung des Urheberrechts – ob mit Verwerter-Monopol oder ohne. Denn es bedeutet: dem urheber die Rechte an dem Werk nehmen. Ob vergsellschaftlicht (ohne Monopol) oder vermarktwirtschaflicht (mit monopol). Es ist nur die frage ob die Verwerter oder die Nutzer die Ausbeuter sind. Und außerdem ist es eine Illusion, dass im Netz die Rolle der Verwerter wegfällt. 1. Vermarktung und Produktionskosten und Expertise werden auch im Internet gebraucht. 2. Auch P2P-Link-Plattformen und P2P-Clients sind Verwerter, die man kommerziell ausbauen kann (siehe kino.to und piratebay).
Jonathan says
Mal wieder ein Text der an fast allen Punkten die unterschiede zwischen Urheberrechten und Copyright ignoriert. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass das Urheberrecht historisch aus dem Copyright hervorgegangen ist, dann sollte man doch die Verschiebung (Unveräußerlichkeit) der Rechtslage zugunsten der Künstler bitte zur Kenntnis nehmen. Und vielleicht wundert man sich dann auch nicht mehr, warum kaum deutsche Autoren sich „Copyleft“ anschließen. Ohne „Copyright“ macht das nämlich wenig Sinn.
Dagegen auf den „Arbeits-Faktor“ zu setzen, ist tatsächlich die Amerikanisierung des Urheberrechts – ob mit Verwerter-Monopol oder ohne. Denn es bedeutet: dem urheber die Rechte an dem Werk nehmen. Ob vergsellschaftlicht (ohne Monopol) oder vermarktwirtschaflicht (mit monopol). Es ist nur die frage ob die Verwerter oder die Nutzer die Ausbeuter sind. Und außerdem ist es eine Illusion, dass im Netz die Rolle der Verwerter wegfällt. 1. Vermarktung und Produktionskosten und Expertise werden auch im Internet gebraucht. 2. Auch P2P-Link-Plattformen und P2P-Clients sind Verwerter, die man kommerziell ausbauen kann (siehe kino.to und piratebay).
Jonathan says
Mal wieder ein Text der an fast allen Punkten die unterschiede zwischen Urheberrechten und Copyright ignoriert. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass das Urheberrecht historisch aus dem Copyright hervorgegangen ist, dann sollte man doch die Verschiebung (Unveräußerlichkeit) der Rechtslage zugunsten der Künstler bitte zur Kenntnis nehmen. Und vielleicht wundert man sich dann auch nicht mehr, warum kaum deutsche Autoren sich „Copyleft“ anschließen. Ohne „Copyright“ macht das nämlich wenig Sinn.
Dagegen auf den „Arbeits-Faktor“ zu setzen, ist tatsächlich die Amerikanisierung des Urheberrechts – ob mit Verwerter-Monopol oder ohne. Denn es bedeutet: dem urheber die Rechte an dem Werk nehmen. Ob vergsellschaftlicht (ohne Monopol) oder vermarktwirtschaflicht (mit monopol). Es ist nur die frage ob die Verwerter oder die Nutzer die Ausbeuter sind. Und außerdem ist es eine Illusion, dass im Netz die Rolle der Verwerter wegfällt. 1. Vermarktung und Produktionskosten und Expertise werden auch im Internet gebraucht. 2. Auch P2P-Link-Plattformen und P2P-Clients sind Verwerter, die man kommerziell ausbauen kann (siehe kino.to und piratebay).
Wolfgang_Michal says
Du schreibst, wir bräuchten heute keine Unternehmen mehr für die Distribution von Kultur. Das ist nicht richtig. Wir brauchen Computerhersteller, Energieversorger, Access-Provider, Social Media Plattformen – sind das keine Unternehmen? Das sind die Verleger der Zukunft.
Wolfgang_Michal says
Du schreibst, wir bräuchten heute keine Unternehmen mehr für die Distribution von Kultur. Das ist nicht richtig. Wir brauchen Computerhersteller, Energieversorger, Access-Provider, Social Media Plattformen – sind das keine Unternehmen? Das sind die Verleger der Zukunft.
Wolfgang_Michal says
Du schreibst, wir bräuchten heute keine Unternehmen mehr für die Distribution von Kultur. Das ist nicht richtig. Wir brauchen Computerhersteller, Energieversorger, Access-Provider, Social Media Plattformen – sind das keine Unternehmen? Das sind die Verleger der Zukunft.
Jonathan says
PS: Übrigens sind Filmschauspieler keine Urheber. Aber egal, hier hat jemand Ahnung von Wirtschaft und Lobbyismus. Dann glauben wir ihm mal…
Klothilde says
***
Klothilde says
Wenn die zeitliche Länge des Urheberrechts verkürzt wird, sinkt der ökonomische Wert des Werkes. Es ist für den Produzenten wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, ein solches aufwändiges Werk zu produzieren. Es werden weniger aufwändige Werke produziert.
Internetsurfer über 30 Jahren, die zudem bildungsbürgerlich sozialisiert wurden, mögen sich vorstellen, dass Werke sowieso entstehen: Künstler hätten einen „inneren Drang“, Werke zu produzieren, egal ob sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen können oder nicht. Das ist aber eine Vorstellung aus der Romantik, gelehrt im Gymnasium. Ein Gedicht mag so entstehen nach Feierabend. Aber kein Drehbuch (2 Jahre Entwicklungszeit, Kampf mit Produzenten und Redakteuren), keine Sinfonie (Selbstzweifel, Angebote schreiben, Probespielen jahrelang), kein Roman (halbes Jahr geschrieben, Unlust überwinden und weitermachen für ein Jahr – und dann meckert noch der Lektor). Der „innere Drang“ zur Kunstproduktion ist nachrangig gegenüber dem Drang zur Überwindung des Hungers und der Erlangung von Glück und Wohlstand. Kurz gesagt: Statt einen Roman zu schreiben, gehe ich lieber in die Frittenbude und verkaufe dir Bratwürste. Nach Feierabend schreibe ich vielleicht noch ein Gedicht oder erzähle meinem Sohn eine fantasievolle Gutenachtgeschichte. – – –
Lieber Herr Weiss, zuerst schreiben Sie: „Wenn ein Geschäftsmodell nur durchsetzbar ist, wenn die komplette Bevölkerung unter permanente Beobachtung gestellt wird, weil sie die verkaufte Leistung dann sind das zu hohe gesellschaftliche Kosten, um dieses Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten.“ Dann sagen Sie nur Stunden später: „Die Polizei sitzt noch nicht in der Wohnung neben jedem Bürger und schaut sich jeden Brief und jedes Telefonat an, ob da auch ja kein Urheberrecht verletzt wird.“
Das widerspricht sich. Zuerst wird beklagt, dass die gesellschaftlichen Kosten für die Durchsetzung des Urheberrechts zu hoch sind. Dann heißt es, dass doch gar keine Polizei in den Wohnungen sitzt, um die Einhaltung des Urheberrecht zu kontrollieren. Also entstehen doch keine Kosten, weder pekuniäre noch ideele („Überwachungsstaat“)? Warum dann das Bürgerliche Gesetzbuch ändern? Warum nicht den Markt im gegebenem staatlichen Rahmen über die Künstler entscheiden lassen? Der Markt und die Zeit sind die härtesten Richter unserer Ideen.
Marcel Weiss says
„Selbst wenn es richtig sein sollte, dass das Urheberrecht historisch aus dem Copyright hervorgegangen ist, dann sollte man doch die Verschiebung (Unveräußerlichkeit) der Rechtslage zugunsten der Künstler bitte zur Kenntnis nehmen.“
Ja, das stimmt. Das ist auch ein Problem, das man mal behandeln müsste. Dem wird ja mit ausufernden AGBs und Verträgen begegnet. Wir haben de facto an vielen Stellen in Deutschland deshalb die gleiche Situation wie in den USA, nur dass sie hier über Verträge geregelt wird. Auf der anderen Seite haben wir keine Chance z.B. öffentlich finanzierte Werke, die einen klar zuordnungsbaren Urheber haben, sofort gemeinfrei zu veröffentlichen.
Ich halte die persönlichkeitsrechtliche Seite des Urheberrechts für sehr problematisch.
„Es ist nur die frage ob die Verwerter oder die Nutzer die Ausbeuter sind.“
Die Nutzer von heute sind die Urheber von morgen.
„Und außerdem ist es eine Illusion, dass im Netz die Rolle der Verwerter wegfällt. 1. Vermarktung und Produktionskosten und Expertise werden auch im Internet gebraucht. 2. Auch P2P-Link-Plattformen und P2P-Clients sind Verwerter, die man kommerziell ausbauen kann „
An keiner Stelle behaupte ich, dass wir das Ende der Arbeitsteilung sehen. Es ging um Unternehmen, ihr Geld damit verdienen z.B. CDs und DVDs durch die Lande zu schicken und zu verkaufen.
Marcel Weiss says
Haarspalterei und falsch. Es ging um konkrete Unternehmen, die Aufgaben wahrnehmen, die so heute vom Markt nicht mehr nachgefragt werden. Natürlich wird es weiter neue Arten von Mittelsmännern geben.
Marcel Weiss says
Die Filmschauspieler wurden nicht von mir ins Gespräch gebracht.
Davon abgesehen: Es gibt auch in der Filmbranche Leistungsschutzrechte, also zumindest dem Urheberrecht verwandte Rechte auch für Schauspieler.
Marcel Weiss says
„Wenn die zeitliche Länge des Urheberrechts verkürzt wird, sinkt der ökonomische Wert des Werkes. Es ist für den Produzenten wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, ein solches aufwändiges Werk zu produzieren. Es werden weniger aufwändige Werke produziert.“
Fast. Die wichtige Frage ist, welche Frist pareto-optimal ist. Hint: Die heutige ist es nicht, nicht einmal im Ansatz. Es existiert kein Werk, das nur entsteht, weil der Urheber dann das Recht bis 70 Jahre nach seinem Tod daran hat.
„Zuerst wird beklagt, dass die gesellschaftlichen Kosten für die Durchsetzung des Urheberrechts zu hoch sind. Dann heißt es, dass doch gar keine Polizei in den Wohnungen sitzt, um die Einhaltung des Urheberrecht zu kontrollieren.“
Wow. OK. Nochmal von vorn: Das Urheberrecht wird heutzutage im Internet nicht vollständig durchgesetzt aufgrund des Aufwands. Trotzdem werden Hunderttausende jährlich abgemahnt. eco hat letztes Jahr bekanntgegeben, dass deren Mitglieder (Internetprovider) jeden Monat(!) 300.000 Adressen von Kunden an die Rechteindustrie weitergeben. Trotzdem klagen Dieter Gorny und co., dass das nicht reicht.
Ist die Richtung, die notwendig ist, um den Dateiverkauf sicherzustellen, nicht offensichtlich? Falls nicht, empfehle ich die weiterführenden Links im Text. Ich kann hier in den Kommentaren nicht immer noch einmal alles wiederholen.
Eva Kiltz says
Lieber Marcel,
ich verstehe gut, dass man immer erstmal vom eigenen Erfahrungshintergrund ausgeht, wenn man Sachverhalte beurteilt.
Aber wir müssen alle gemeinsam langsam mal über den Tellerrand schauen.
Selbst wenn es keine Labels und Verlage mehr gäbe, die mit den Künstlern zusammenarbeiten, wie sollen die gegen so was hier ankommen: http://www.filestube.com/searc…
Und wie soll ein einzelner Urheber jemals eine Vergütung gegenüber Google oder Facebook oder auch nur Spotify einfordern, die einigermaßen angemessen ist? Und ja, gerade auch bei Apple kannst Du als einzelner Künstler nicht einfach anrufen und sagen: morgen will ich auf Deiner Plattform erscheinen. Apple und viele andere Endkundenplattformen bestehen sogar darauf, dass Künstler mit Dienstleistern zusammenarbeiten.
Nur Amazon sticht hier heraus und fordert sagenhafte 45% an allen Verkäufen für einen kleinen eigenen Amazonshop vom Künstler – ohne dass Amazon irgendetwas mehr tut, als den Shop zur Verfügung zu stellen. Kein Marketing, keine Übernahme der Herstellungskosten, keine weitere Zusammenarbeit im Sinne der Karriere des Künstlers. Auch wenn man sagen würde, Amazon sei nur ein Händler und für diese Dinge gar nicht zuständig: 45% ist mehr als jeder stationäre Händler jemals verlangt hat
Und wenn die Künstler sich keinen Markt für Tonaufnahmen erschliessen können: warum mühevoll Geld und Zeit in Aufnahmen stecken, wenn das Geld ohnehin mit Livekonzerten verdient wird, weil Musikaufnahmen eben kein knappes Gut mehr sind, sondern mehr oder weniger ein öffentliches (wo man im Allgemeinen von Marktversagen spricht und der Staat regulierend oder mit subventionen eingreift, aber das ist ein anderes Thema)?
Ich finde, Deine Argumentation hinkt und die Label- und Verlegerschelte ist aus meinen Augen der falsche Weg, wenn man Künstlern im digitalen Markt wirklich eine Chance eröffnen möchte.
Lasst uns endlich über den Tellerrand schauen, statt weiter Stellungskriege zu führen.
Es gab zu jeder Zeit Künstler, die ihren
Vertrieb selbst organisiert haben. Ob die Künstler sich für die doofen Aufgaben einen Diensleister
oder eine Verwertungsgesellschaft suchen oder nicht, ob der dann Label
oder Verlag oder anders heißt oder ob sie eben wirklich alleine
losgehen, ist doch egal – im Ergebnis heißt: nix verdient mit den Aufnahmen nix verdient mit den Aufnahmen – mit oder ohne Verwerter.
Die eigentliche Frage ist doch: wie können Künstler mit ihrer Arbeit, wenn sie denn in Anspruch genommen wird, Geld verdienen?
Beste Grüße,
Eva
nnoizPapp says
„Dass so wenige Urheber “auf der Seite der Urheberrechtsgegner” zu finden sind, hat noch andere Gründe. Denn die meisten haben
a.) kein ökonomisches Grundwissen,
b.) daran auch kein Interesse,
und c.) glauben leider zu oft jedem dahergelaufenen Lobbyisten, der
auf Ressentiments und Bauchgefühle zielt. (weil es einfach ist,
besonders wenn es um Themen geht, mit denen man sich nicht befassen
will)“
sind sie schonmal auf die idee gekommen, dass man über ein, wenn auch vielleicht bescheidenes, ökonomisches grundwissen verfügen kann und trotzdem eine andere meinung vertreten kann, bzw andere einschätzungen hat ?? das erinnert mich sehr an politiker argumentationen nach einer verlorenen wahl: wir haben die besseren argumente, aber wir konnten sie leider den wählern nicht nahebringen (sinngemäß, kein wörtliches zitat) mit anderen worten: wer anderer meinung ist, ist einfach zu bescheuert das richtige zun kapieren.
vielleicht sind die urheber, (sogar die deutschen…;-/)….) gar nicht sooo doof….vielleicht teilen sie einfach nicht die einschätzungen zum freien daten-flow.
natürlich können wir jetzt alles selber machen, die musik, den digitalen vertrieb, die digitale promotion, aber das führt doch nicht dazu, dass wir automatisch mehr verkaufen. die arbeit wird nur anders verteilt. die plattenfirmen mit ihren a&r managern werden von channels auf youtube abgelöst. kommt man in die channels rein, hat man massenhaft like´s und klicks, wenn nicht hampelt man im nanobreich herum. die machtverhältnisse werden nicht aufgehoben, nur verschoben.
zu b.) wer ernsthaft von seinen kreationen lebt oder leben will muss ein interesse daran haben, wie dies gesellschaftlich gehandhabt wird, das ist eine aussage die ich aus meinem bekanntenkreis nicht teilen kann.
zu c.) dass diese ganze diskussion eine art lobby-krieg ist und zwar auf beiden seiten, sieht man schon an de berühmten youtube-sperr-meldungen, die so aussehen, als ob die GEMA diese titel gesperrt hätte (wie letztens bei DEICHKIND. grosse aufregung, dann war alles ein versehen)
mit solchen holzhammer-argumenten kommen wir in der thematik bestimmt nicht weiter
nnoizPapp says
„Die eigentliche Frage ist doch: wie können Künstler mit ihrer Arbeit, wenn sie denn in Anspruch genommen wird, Geld verdienen?“
genau das ist es.
oft wird so argumentiert als ob zb die GEMA wie eine urgewalt über die armen künstler und user herfällt. kein komponist MUSS da rein. kein musiker musste in einen verlag oder mit einer plattenfirma arbeiten.
die GEMA ist ein wirtschaftlicher verein, gegründet von komponisten, das ist ja keine behörde (obwohl es schon ähnlichkeiten gibt…;-)…)
Klothilde says
Das heißt, die ganze Debatte um das Urheberrecht fußt eigentlich darauf, dass eine Abmahnindustrie ihr Unwesen treibt? Ein Federstrich, eine Verordnung – und diese Beschäftigungsmaßnahme für Anwälte läuft aus. Um das zu erreichen, brauchen nicht Rechtspositionen, die das mündig werdende Bürgertum sich seit der französischen Revolution erstritten hat, wieder aufgegeben zu werden.
Marcel Weiss says
„Das heißt, die ganze Debatte um das Urheberrecht fußt eigentlich darauf, dass eine Abmahnindustrie ihr Unwesen treibt?“
Nein, da ist ein bisschen mehr. Siehe http://neunetz.wpengine.com/urheber….
Marcel Weiss says
„Nur Amazon sticht hier heraus und fordert sagenhafte 45% an allen Verkäufen für einen kleinen eigenen Amazonshop vom Künstler – ohne dass Amazon irgendetwas mehr tut, als den Shop zur Verfügung zu stellen. „
Wenn Amazon keine entsprechende Gegenleistung bringt, dann kann man das auch selbst machen oder zur Konkurrenz gehen.
Die Unterschiede liegen in der Höhe der Einnahmen pro Einheit für den Urheber.
„Und wenn die Künstler sich keinen Markt für Tonaufnahmen erschliessen können: warum mühevoll Geld und Zeit in Aufnahmen stecken, wenn das Geld ohnehin mit Livekonzerten verdient wird, weil Musikaufnahmen eben kein knappes Gut mehr sind, sondern mehr oder weniger ein öffentliches (wo man im Allgemeinen von Marktversagen spricht und der Staat regulierend oder mit subventionen eingreift, aber das ist ein anderes Thema)?“
Weil die Aufnahmen auch Werbung für die Konzerte sind. Und weil man mit ihnen Fans aufbaut.
„Die eigentliche Frage ist doch: wie können Künstler mit ihrer Arbeit, wenn sie denn in Anspruch genommen wird, Geld verdienen?“
Damit beschäftige ich mich schon seit längerem. Siehe auch die Links im Artikel. Die kann man anklicken.
Marcel Weiss says
Wenn die Handelsblatt-Geschichte etwas gebracht hat, dann dass sie schön aufgezeigt hat, wie viele bereit sind, in der Öffentlichkeit kompletten Quatsch zu reden. Die öffentlichen Äußerungen (Regner, Tatort, Handelsblatt) zeugen immer von Unverständnis oder purer Ignoranz gegenüber der Debatten im Netz und in der akademischen Welt. Ich wünschte, es wäre anders. Das ist es aber nicht.
_Keiner_ der sich in der Öffentlichkeit äußernden Künstler hat sich mit den juristischen und ökonomischen Debatten zum Urheberrecht beschäftigt. Nicht einmal einen groben Überblick hat man sich verschafft.Ich weiß nicht, ob es bei den stillen Künstlern anders ist.
nnoizPapp says
„Wenn die Handelsblatt-Geschichte etwas gebracht hat, dann dass sie schön
aufgezeigt hat, wie viele bereit sind, in der Öffentlichkeit kompletten
Quatsch zu reden.“
wir brauchen also eine art „qualitäts-(akademiker)-zensur“ in der öffentlichen debatte ??
Marcel Weiss says
Nein. Aber wir dürfen ja wohl noch darauf hinweisen, wenn jemand kompletten Unsinn redet.
nnoizPapp says
das war ja auch eine sehr polemische reaktion meinerseits, die nur aufzeigen sollte, dass es in einer diskussion nicht sehr zweckdienlich ist, die gegenseite als deppen, die alle keine ahnung oder kein interesse haben, darzustellen.
Björn Jagnow says
Wie schön noch jemanden zu finden, der ähnlich unaufgeregt über Paradigmenwechsel und Trennung Produktion und Distribution spricht. Ich habe mich vor 2 Tagen daran versucht, mögliche neue Geschäftsmodelle für Urheber und Verwerter zu skizzieren: http://bjoernjagnow.blogspot.c…
Jonathan says
Okay, dann entschuldige ich mich für den Kommentar.
Jonathan says
J: „Es ist nur die frage ob die Verwerter oder die Nutzer die Ausbeuter sind.“M: „Die Nutzer von heute sind die Urheber von morgen.“Aber nicht alle Nutzer werden professionelle Urheber werden. Die ganze Frage dreht sich doch darum, ob der „Beruf Urheber“ weiterhin geschützt werden soll. Meiner Meinung nach: ja, gerade weil die Gefahr von Ausbeutung in der digitalisierten Welt noch größer ist. Aber man muss selbstverständlich auch dringend Fragen, zu welchem Preis? Ich bin natürlich gegen überwachungsstaatliche Methoden. Aber deswegen muss man ja nicht gleich „gegen“ das Urheberrecht sein.
TheEconomicScribbler says
Ja, aber nur aus Sicht des Urhebers. Da das Urheberrecht aber die gesamte Gesellschaft betrifft, muss jedoch die Gesamtwohlfahrt betrachtet werden. Je länger ein Schutzrecht auf (quasi-öffentliche) immaterielle Güter besteht, desto länger wird deren derivative Nutzung behindert. Tragische Beispiele gibt es zu Hauf, sowohl historische als auch aktuelle. Die derzeitige Länge der Schutzfristen ist in ihrer Gesamtbetrachtung eindeutig suboptimal, denn sie bringt mehr Schaden als Nutzen. Paul Heald hat das erst vor kurzem anschaulich analysiert.
Eva Kiltz says
„Weil die Aufnahmen auch Werbung für die Konzerte sind. Und weil man mit ihnen Fans aufbaut.“
Hmmm – auf wie viele Konzerte bist Du schon gegangen wegen eines YouTube Videos oder eines zufällig einmal gehörten Songs eines Dir vorher unbekannten Künstlers?
Allgemeine Marketingregel sagt: man muss dreimal mit einer Information konfrontiert werden, bevor sie ins Bewusstsein einzieht. Soll heißen: die Aktivierungsenergie über ein Musikstück, das man irgendwann gefunden und vielleicht sogar legal oder illegal heruntergalden hat, reicht in der Regel nicht aus, um weitere Beschäftigung mit dem Künstler zB in Form eines Konzertbesuchs auszulösen. Da kommt also mehreres zusammen.
Um erfolgreich zu sein mit Livekonzerten, Merchandise wasauchimmer muss der Musiker also dafür sorgen in kurzer Zeit möglichst viele Menschen mindestens 3 Mal mit seiner Musik zu erreichen sonst bleibt der Konzertsaal leer. Und hier liegt im Übrigen eine der, wenn nicht DIE KERNAUFGABE von Verwertern, nicht in der Vervielfältigung oder Distribution, das haben schon immer Drittfirmen gemacht. Und das kostet Geld.
Ich verstehe auch den sehr ehrenwerten Ansatz knappe Güter – öffentliche Güter, den Du in den Artikeln hinter Deinen Links (danke für den Hinweis, jetzt hab ich das Prinzip auch endlioch begriffen) ausführst sehr gut – dafür hätte ich die Texte gar nicht erst lesen müssen. Darum geht es mir aber nicht.
Mir geht es darum, dass die Anfangsprämisse nicht stimmt. Wenn YouTube ein Video vom Netz nimmt warum auch immer wird klar, dass ein (aus meiner persönlichen Sicht „gutes“) Musikvideo sehr wohl ein sehr knappes Gut werden kann, wenn man eben genau dieses Musikvideo sehen will und es funzt nicht. Da hilft es auch nicht, dass es Millionen andere „ähnliche“ Musikvideos im Netz gibt.
Ich behaupte also
1. Eine Musikaufnahme ist ein verdammt knappes Gut, wenn es mir um eine spezielle Musikaufnahme geht. Das ist doch Teil des Ärgers der Netzmusikhörer: sie wollen eben nicht Zugang zu irgendwelcher Musik, sondern zu GENAU DER, NACH DER SIE GERADE SUCHEN oder die ihnen gerade empfohlen wurde.
2. YouTube ist ein neuer Gatekeeper, allerdings mit schlimmeren Auswirkungen auf Vielfalt als es das Formatradio jemals sein konnte.*
2. Deshalb behaupte ich, dass YouTube genau mit diesem Ansatz Werbeeinnahmen fährt, indem sie unser Nutzerverhalten beobachten und darauf basierend versuchen uns bei genau dieser von uns gesuchten Musik die (laut Nutzerdaten) passende Werbung zuzuschalten. Deshalb ist der TKP bei YouTube verhältnismäßig hoch – spitze Zielgruppe
3. YouTube verdient also mit dem knappen Gut Musikaufnahme (plus Informationen über das Verhalten der Nutzer der Musikaufnahme) Geld
4. Sollten Künstler und Urheber deshalb daran mit verdienen
5. Wie sollen sie sich mit diesem wie ich finde legitimen Wunsch gegen YouTube durchsetzen?
Jetzt ersetze bitte nach Wahl das Beispiel YouTube durch Filestube, Spotify, iTunes, Amazon und dann beantworte mir diese nun präzisierte Frage:
„Die eigentliche Frage ist doch: wie können Künstler mit ihren Tonaufnahmen, wenn sie denn in Anspruch genommen werden, Geld verdienen?“
*(Was man schon alleine daran sehen kann, dass nicht jeder xbeliebige
Künstler über Content ID seine Videos monetarisieren darf, sondern nur
derjenige, der entweder Masse (großer Katalog) anbringt oder Videos, die
sehr oft abgerufen werden. Der Rest ist für YT eigentlich völlig
uninteressant bis ärgerlich (da die vielen Privatvideos, die nur 5 mal
angesehen werden eben auch Speicherplatz kosten und Traffic, aber
niemand Werbung drauf schalten will – ich warte noch darauf, dass Videos die weniger als x mal angesehen wurden, nach einem bestimmten Zeitraum abgeschaltet werden))
WoIstFred says
„Das bedeutet, dass man sehr wohl fordern kann, dass das alles eingedämmt
wird. Damit untrennbar verbunden ist dann aber auch eine Rechtfertigung
der entstehenden Kollateralschäden. Kein YouTube, kein Tumblr, kein
Pinterest etc. pp., so wie wir sie heute kennen.“
Die rechtlichen Grundlagen der alten Geschäftsmodelle sollen aufgehoben werden damit die Geschäftsmodelle der neuen Unternehmen nicht mehr rechtswidrig sind?? Merkst du das du selbst gerade ein Lobbist bist.. okay du vertrittst auch deine wirtschaftlichen Interessen, den auch du verdienst mit den Inhalten anderern Leute die du weiterverarbeitest Geld auf dieser Seite.
Warum ist deine Seite nur unter CC BY-NC-ND? Hast du Angst das jemand deine kreative Arbeit verwertet ohne dir was abzugeben?
Das Urheberrecht muss sicher auch überarbeitet werden aber an anderen Stellen wie du sie hier nennst. Zum Beispiel das Probem mit den verwaissten Werken. Da könnte man zum Beispiel sagen das 40 Jahre nach Veröffentlichung das Werk in die public domain übergeht unabhängig ob die Autoren noch leben oder nicht.
Ein anderer Punkt ist das es eine freie Nutzung für den nicht kommerziellen Zweck gibt.
Alles andere sind einfach nur Streitigkeiten wegen Geld und Geschäftsmodellen, und da sollte das Netz schnellere und bessere Lösungen finden können als der Gesetzgeber.
Wenn du hier zum Beispiel einen Text im großen Umfang wiedergibst dann sollte der Urheber auch einen Anteil an deinen Werbeeinahmen erhalten und nicht nur mit einem Backlink als Belohnung abgespeist werden.
Alles was für dieses Szenario fehlt sind klar definierte Strukturen wo steht: „du willst den Text, das Bild , das Video oder das Musikstück in dem und dem Umfang verwenden also bekomme ich das und das“ .. das kann sicher alles vollautomatisiert werden so dass es am Ende eine einfache 1-Klick-Lösung geben kann .
Also weniger Streiten und mehr an den Lösungen arbeiten.
Klothilde says
Wer Healds Tabelle genau liest, sieht: Aus dem Jahr 1919 sind rund 300.000 Bücher bei Amazon erhältlich. Aus dem Jahr 1980 nur 20.000. Entsetzlich – auf den ersten Blick. Den Heald merkt an: „The above chart shows … newly printed fiction books selected at random from Amazon's warehouses.“ Der Markt funktioniert, es werden Reprints von alten Romanen auf den Markt geworfen. Denn die Originale aus dem Jahr 1910 sind nur noch spärlich vorhanden und dann sündhaft teuer. Romane aus dem Jahr 1980 aber werden massenweise auf Amazon angeboten. Spottbillige (für Centbeträge!) Originalausgaben. Nahezu jeder erschienene Roman von 1980 ist erhältlich. Nur vernünftig, dass die Verlage von Romanen, die in mehr als genügender Menge den (antiquarischen) Markt verstopfen, keine Neuausgaben herausbringen. Und Heald zählt nur „newly printed“ Ausgaben. By the way: Romane sind Unterhaltung. Bezieht sich „Information wants to be free“ auch auf das Recht nach freier Unterhaltung? Der digitale kostenfreie Zugang zu alten Unterhaltungsromanen ist essentiell, um die Wissensgesellschaft im Jahr 2012 bei ihrer Fortentwicklung nicht zu behindern? * * *
Der Gesamtwohlfahrt dient es nicht, wenn der ökonomische Wert von Werken sinkt. Denn es werden dann weniger neue Werke produziert werden, da es sich weniger lohnt.
Anja Strauss says
Sehr sehr spannende Unterhaltung.
„Die eigentliche Frage ist doch: wie können Künstler mit ihren
Tonaufnahmen, wenn sie denn in Anspruch genommen werden, Geld
verdienen?“
Ich gehöre auch zu denjenigen, die behaupten, dass Künstler ihre Einnahmen aus mehreren Quellen schöpfen. Lustig finde ich, dass in dieser Diskussion gar nicht thematisiert wird, dass das für den Großteil der Kunstschaffenden – nämlich all jenen, die nicht bei einem Label, Verlag oder in anderer Festanstellung untergekommen sind – bereits jetzt der Fall ist. Diese Menschen haben bisher keine oder nur geringe Einnahmen aus „Tonaufnahmen“ erhalten (GEMA + Verkauf). Für sie/uns entsteht in Zukunft kein Verlust an Umsatz, sondern ein Zuwachs (da die Distributionskanäle nicht mehr abgeschottet sind und die Kosten für die Produktion gesunken sind – siehe Marcels unzählige Posts).
Ich kann auch die These, dass man aufgrund von youtube etc. die Konzerte einer unbekannten Band nicht promoten kann, nicht bestätigen. Zwei Gründe, warum ich sage, es funktioniert doch:
1. „Allgemeine Marketingregel sagt: man muss dreimal mit einer Information konfrontiert werden“ – das ist lange überholter Quark. Ja, es wird immer noch auf weiter Flur eine Message ganz oft wiederholt, damit sie irgendwann ankommt (allerdings reden wir hier nicht mehr nur von 3x, sondern weitaus mehr), aber es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass es RELEVANZ ist, die zählt. Deshalb behavioural targeting; retargeting etc. Will sagen: findest Du Blues toll, wirst Du wahrscheinlich schon beim ersten Mal aufmerksam, wenn Du eine neue Blues-Band findest, die in Deiner Stadt innerhalb der nächsten 8 Wochen spielt und die Karte für das Konzert leicht erhältlich und nicht zu teuer ist. Bist Du Hip Hop Fan, werden Dich auch 20 Wiederholungen der Werbung nicht dazu bringen, trotz Freizeit und Geld in dieses Konzert zu gehen. Marketingmäßig bedeutet das, dass nicht allein das Promovideo oder der kostenlose Download Erfolg verspricht, sondern nur die Kombi aus entsprechenden Relevanzkriterien.
2. Wir haben erste Erfolge bereits live gesehen (wir = Künstleragentur http://www.solid-impact.de). Können die einzelnen Künstler nur davon leben? Nö, noch nicht und vielleicht auch nie. Aber wir arbeiten daran, all die schönen neuen Möglichkeiten zu testen und mit den Künstlern auszuschöpfen.
Und ein letzter Punkt, der mir als Marketinglerin ganz besonders am Herzen liegt:
„Eine Musikaufnahme ist ein verdammt knappes Gut, wenn es mir um eine spezielle Musikaufnahme geht.“ – Die Musikaufnahme ist kein knappes Gut, weil genau diese Aufnahme nicht nur auf youtube zu finden ist, sondern überall im Netz (mal mehr mal weniger). Wir reden hier nicht über Johnny Cash vs. Johnny Cash tribute Band, sondern über „Johnny Cash – Ring of fire – 1968 im Ryman Auditorium“ vs. „Johnny Cash – Ring of fire – 1968 im Ryman Auditorium“
Das Geschäftsmodell von youtube, amazon & co ist es nicht, Güter zu verknappen oder als Gatekeeper zu fungieren, sondern auf einen Schlag viele Leute zu erreichen. Das ist der Mehrwert, für den sie Geld kassieren: der Zugang zu den Menschen.
Dazu gibt es auch relativ viele Artikel auf netznetz (Stichwort: zweiseitige Märkte).
Anja Strauss says
„Diese Woche war ich auf einer kleinen SPD-Veranstaltung, auf der auch
einer der Tatort-Autoren gesprochen hat. An einem Punkt sagte
er sinngemäß, dass er nur Geschichtenerzähler sei und davon leben will
und sich aber andere Menschen Gedanken machen sollen, wie das Geld
dann reinkommt. Damit wolle er sich nciht beschäftigen.“
Ja, diese Geisteshaltung kenne ich zur Genüge und sie ist nicht nur unter Künstlern verbreitet. Auch ein Lehrer möchte in erster Linie pädagogische Arbeit leisten und sich nicht darum kümmern, wo das Geld für die Unterrichtsmaterialien herkommt. Auch ein Arzt möchte Menschen heilen und nicht die Abrechnung mit der Krankenkasse machen. Solange man fest angestellt bin und es für die Geldbeschaffung kaufmännischen support gibt – kein Thema. Es gilt auch: wes' Brot ich ess…
Aber außerhalb der Festanstellung kann sich doch niemand ernsthaft diese Meinung leisten!
.
Eva Kiltz says
Nochmal: der Fehler ist anzunehmen, dass eine bestimmte Tonaufnahme KEIN
knappes Gut sei, nur weil sie unendlich kopierbar ist. Es geht doch meistens
nicht um irgendwelche Musik, sondern um genau ein bestimmtes Stück Musik oder
wenn das nicht, dann doch zumindest um die Suche nach einem (aus meiner
subjektiven Sicht) „guten“ Stück Musik. Und die ist eben rar, war sie
schon immer und ist sie immer noch. Gibt doch einen Grund, warum CC Plattformen
nicht richtig ins fliegen kommen, warum wir immer noch keinen Künstler kennen,
der über YouTube eine längerfristige Karriere anleiern konnte (es sei denn man
versteht Justin Bieber als einen solchen, aber dann müssen wir ohnehin nicht
weiterreden) – bei ersteren tummeln sich mehrheitlich Musiker, die noch keine
Nachfrage (zum Bsp von Labeln, Radios, Verlegern, Publikum etc) erfahren haben,
die ihre Marke, ihre Knappheit erst aufbauen. Und in diesem Stadium ist es auch
sinnvoll, Musik umonst freizugeben – natürlich in der Hoffnung, morgen oder
übermorgen eine so starke Marke aufzubauen, dass die Musikerpersönlichkeit an
sich ein knapperes Gut wird – und damit auch seine Musikaufnahmen, seine
Konzerte etc.Mit diesen Parametern arbeitet quasi jeder, der etwas
verkaufen möchte: erst wird der Wunsch nach etwas erzeugt, dann gibt es die
Nachfrage. Erst muss man eine Musik kennenlernen, dann will man genau das Stück
Musik, das Konzert besuchen. (Subjektiv als gut empfundene) Musik ist ein
verdammt knappes Gut, deshalb nutzen Markenartikler zum Beispiel lieber einen
bereits bekannten Künstler (der ein knapperes Gut ist als ein unbekannter) um
Ihr Produkt zu bewerben als irgendeinen unbekannten. Deshalb ist ein bekannter
Künstler aber auch teurer für den Markenartikler als der unbekannte – er hat die
stärkere Marktposition – oder zahlen Ihre Kunden für Rolf Zacher das Gleiche wie für die
inhaltlich sicher gar nicht schlechteren, aber eben unbekannteren Bands?Genau deshalb haben auch Gatekeeper wie Label,
Verlage, (Internet-)Radios, Blogs oder Aghenturen wie Ihre eine wichtige Rolle, sie nehmen quasi die
zukünftige Marke vorweg und investieren in deren Etablierung, um ein knappes Gut
zu erzeugen, in einem Moment, in dem eben noch niemand den Bedarf nach dem
Künstler hat und gehen mit ihm den Weg bis die Marke etabliert ist. Vorher ist
mit nix Geld zu verdienen, weder mit Konzerten, noch mit Merchandise noch mit
sonstwas. Mich interessiert ein T-Shirt von Lieschen Müller der 2. jedenfalls
genauso wenig wie ein Song von ihr.Meiner Meinung nach ist dieses
Ergebnis nur über die Kombi Tonträger – Live oder Trägermedium – Sendung – zu
erreichen, das eine ein direktes Erlebnis, das andere ein in die Welt hinaus
tragen. Dann muss sich aber auch beides Gegenfinanzieren, denn darin steckt viel
Geld und Arbeit.Und dann nochmal: das Prinzip rares Gut (individuell als
wertvoll empfundene) Musikaufnahme machen sich diverse Internetkonzerne zunutze
und dafür sollten sie die Musiker auch bezahlen. Meinetwegen einmalig bei Upload
des Titels und dann auf Erfolgsbasis (wie hoch ist das Interesse der Nutzer/der
Werbetreibenden etc)? Diesen Fakt in der Analyse zu ignorieren und sich
immer weiter nur die Schiene privater Nutzer kopiert ein Stück Musik, um es
jemand Drittem weiterzugeben, anzuschauen und dabei erstens die Nutzniesser
dieses Vorgangs ausser Acht zu lassen und zweitens zu denken, dass der Nutzer
seine Musik heute „von selbst“ findet ist naiv!
Anja Strauss says
Irgendwie reden wir wohl ein bisschen aneinander vorbei.
„Nochmal: der Fehler ist anzunehmen, dass eine bestimmte Tonaufnahme KEIN
knappes Gut sei, nur weil sie unendlich kopierbar ist“ – Die Position habe ich verstanden, teile sie aber nicht. Aus meiner Sicht ist eine bestimmte Tonaufnahme an sich kein knappes Gut mehr. Auf dem reinen Verkauf von solchen Tonaufnahmen ein Geschäftsmodell aufzusetzen, ist in etwa so erfolgversprechend, wie einen Aldi direkt neben einem anderen Aldi zu eröffnen: irgendjemand kauft bestimmt was, aber der Umsatz reicht für beide nicht aus.
Ich stimme aber zu, dass es einen wirklichen Mehrwert für die Kunden bietet, wenn man passgenau die gewünschte Musik anbietet. Dies ist jedoch ein etwas anderes Geschäftsmodell: perfekte Filterung vs. reiner Verkauf von Tonaufnahmen (oder um im Bild zu bleiben, ein Edeka neben einem Aldi)
„Gibt doch einen Grund, warum CC Plattformen nicht richtig ins fliegen kommen, warum wir immer noch keinen Künstler kennen, der über YouTube eine längerfristige Karriere anleiern konnte“ – Der Grund, warum CC Plf nicht so erfolgreich sind, liegt meiner Meinung nach nicht im Angebot (also unbekannte Künstler), sondern am fehlenden Marketing. Wenig Bekanntheit, teils unübersichtliche Benutzerführung und nicht zuletzt die unsichere rechtliche Situation schreckt die Masse an Leuten ab. Und – auch wenn Justin Bieber nicht unseren Musikgeschmack trifft – es wird Künstler geben, die durch Ihre Bekanntheit bei youtube etc., langfristig Geld verdienen. Die allgemeine Frage ist aber auch, wird es noch Superstars geben (Madonna, Elvis, Lady Gaga) – oder eher viele kleinere Stars? Darauf habe ich keine Antwort, das wird immer wieder heftig in der Branche diskutiert.
„Mit diesen Parametern arbeitet quasi jeder, der etwas verkaufen möchte: erst wird der Wunsch nach etwas erzeugt, dann gibt es die Nachfrage.“ – Auch hier hat sich der Marketingwind in den letzten Jahren gedreht: Man hat erkannt, dass man Nachfrage nicht aus dem Nichts erzeugen kann, es muss eine Grundmotivation vorhanden sein. Siehe dazu auch meine Argumentationskette, warum Hip Hop Fans trotz Werbung so selten Blues Konzerte besuchen. Der Grund warum Firmen bekannte Künstler buchen, liegt nicht in deren Knappheit, sondern in der Risikoreduzierung. Das ist die eigentliche Funktion von Marken: ich weiß, was ich bekomme – bevor ich es kaufe. Firmen sind generell risikoscheuer als Verbraucher, da sie meist ein finanziell höheres Risiko eingehen. Deshalb ist es durchaus möglich, mit unbekannten Bands live in kleinen Clubs profitable Konzerte zu machen: weil ich hier nicht Firmen ansprechen, sondern Einzelpersonen. Wir erleben auch immer wieder, dass einige Leute dann bereit sind auch noch Tonträger vor Ort zu kaufen – meiner Meinung nach nicht, weil sie nur die Musik haben wollen, sondern weil sie sich dadurch an einen schönen Abend erinnern. Menschen handeln eben nicht ausschließlich rationell, sondern vor allem emotional.
„Dann muss sich aber auch beides Gegenfinanzieren, denn darin steckt viel
Geld und Arbeit.“ – Das ist ja genau das unternehmerische Risiko, das jemand tragen muss. Entweder der Künstler selbst, oder aber er beschäftigt ein Label/eine Agentur usw. damit – gibt dann aber einen Teil der Einnahmen ab. Gleiches Prinzip wie bei anderen Gütern/Dienstleistungen auch: wenn ich beschließe, Brot zu backen und zu verkaufen, trage ich allein das volle unternehmerische Risiko – und das obwohl ich ein Grundnahrungsmittel anbiete. Nach meiner Erfahrung wird das bei Kultur jedoch anders gesehen, weil Kulturgüter gesellschaftlich anders bewertet werden als „normale“ Wirtschaftsgüter. Finde ich persönlich zwar Haarspalterei, aber gut, wenn eine Gesellschaft möchte, dass jeder potenzielle Kulturschaffende künstlerische Werke ohne finanzielles Risiko zur Verfügung stellen kann, dann reden wir über ein Grundeinkommen für alle.
„Und dann nochmal: das Prinzip rares Gut (individuell als wertvoll empfundene) Musikaufnahme machen sich diverse Internetkonzerne zunutze und dafür sollten sie die Musiker auch bezahlen.“ Ja, eine Möglichkeit der Sichtweise. Vielleicht wird das ja auch durchgesetzt und ganz vielleicht sind die Kosten für das Auffinden und Zuordnen der einzelnen Kunstwerke zu den Künstlern dann auch so gering, dass es sich für alle Beteiligten lohnt – ohne die youtube-user Geld bezahlen müssen oder die Werbung überhand nimmt.
Ich kann das aber auch so sehen: die Internetkonzerne übernehmen für mich die Distribution (das Erreichen von vielen Menschen) – und zwar kostenlos. Das ist eine Leistung, die Musiker früher viel Geld gekostet hat. Das eigentliche Problem ist der Kontrollverlust, weil ja nicht nur die Künstler ihre Musik selbst hochladen, sondern auch deren Fans usw. Und das ist immer eine persönliche Frage, wie weit man bereit ist, das zu akzeptieren.
Eva Kiltz says
OK, ich glaube, wir sind uns eigentlich in weiten Teilen einig.
Bis eben auf den Punkt: „Ich kann das aber auch so sehen: die Internetkonzerne übernehmen für
mich die Distribution (das Erreichen von vielen Menschen) – und zwar
kostenlos.“
Tja, das sind die zwei Seiten einer Medaille. Man könnte eben auch sagen „Die Musikvideos und die Uploader übernehmen Produktion, Bewerbung und Distribution, auf denen die Infratsrukturanbieter ihr Geschäftsmodell mit Werbung aufsetzen.“
„Das Erreichen von vielen Menschen“ ist ein wesentlicher Teil des Vertriebs – und wird von YT nur im Sinne technischer Erreichbarkeit erfüllt, nicht aber tatsächlicher Aufmerksamkeit oder Promotion etcpp. YT ist im übertragenen Sinne nur die Sendefrequenz, hier geht es um technische Erreichbarkeit, mit Inhalten füllen,diese bekannt machen und teilen tun ja die Verweter und die User – oft initial animiert von den Verwertern.
Deine Einschätzung würde übertragen bedeuten: Der Besitzer der Sendefrequenz streicht die Einnahmen aus der Werbung ein, die über die Inhalte/das Radioprogramm erzielt wurden.
Zumindest besteht hier eine doppelseitige Abhängigkeit, in der meines Erachtens beide Seiten sich den Kuchen teilen sollten.
Marcel Weiss says
Interessanter Kommentar. Danke!
Marcel Weiss says
„Nochmal: der Fehler ist anzunehmen, dass eine bestimmte Tonaufnahme KEIN knappes Gut sei, nur weil sie unendlich kopierbar ist.“
Unendlich kopierbar, also zu den Grenzkosten von Null reproduzierbar, bedeutet für ein Gut haargenau eben das: Es ist nicht knapp.
Das knappe Gut selbst ist die Produktion des Inhalts, hier also die Aufnahme der Musik.
Die Unterscheidung ist wichtig, um zu verstehen warum Filesharing UND Crowdfunding existieren.
Marcel Weiss says
Wenn die Plattformen nur Sendefrequenzen bereitstellen, dann muss man sie nicht benutzen. Immerhin kann heute jeder seine eigene Website betreiben. Dass trotzdem viele Künstler, Labels und Filmstudios auf die Plattformen setzen, könnte darauf hindeuten, dass sie mehr bieten als reine Sendefrequenzen geboten haben.
Eva Kiltz says
„Vielleicht wird das ja auch durchgesetzt und ganz vielleicht sind die
Kosten für das Auffinden und Zuordnen der einzelnen Kunstwerke zu den
Künstlern dann auch so gering, dass es sich für alle Beteiligten lohnt –
ohne die youtube-user Geld bezahlen müssen oder die Werbung überhand
nimmt.“
Im Bereich Leistungsschutzrechte geht das bei YouTube ja schon. Allein es hängt am Willen.
Christof Spanring says
Kleine Anmerkung, das wird leider immer wieder übersehen: In der Regel sind Filmschauspieler keine Theaterschauspieler, genau so wenig wie Studiomusiker über Bühnenpräsenz verfügen müssen. Ein nicht unerheblicher Teil der künstlerischen Zunft ist finanziell auf die Verwertungsindustrie angewiesen, man könnte sogar behaupten die meisten professionell ausgebildeten Künstler. Selbstvermarktung mit wirklich modernen Mitteln steht aus Prinzip auf keinem Lehrplan.
Klar müssen Verwertungsformen diskutiert werden, aber man darf sich das nicht zu einfach vorstellen und Alternativen präsentieren, die keine Alternativen sind.
Eva Kiltz says
Ja, eine große potentielle Hörerschaft, weil sich die Hörer auf diese Plattform geeinigt haben, so wie sich viele Menschen auf Facebook geeinigt haben – sobald die Inhalte aber nicht mehr auf YT sind, sind auch die Menschen weg – möchte nicht wissen, wieviele Einbussen das deutsche YT hat seit sie so viele Videos sperren (weniger interessante Inhalte erreichbar dürfte auch weniger Traffic und damit geringere Werbeeinnahmen bedeuten – können wir ja mal überprüfen wenn YT den Jahresabschluss 2011 vorlegt). Macht Google sicher nichts aus, denn über die ProxySchauer kommt das Werbegeld dann eben in UK rein.
So ist es im Moment für Google möglich, nur in Technik zu invetieren, nicht aber in Inhalte. Das wäre auch alles kein Problem, wenn da nicht der Logikbruch wäre, dass eben die Beliebtheit der Inhalte und das Wissen über die Nutzer (die eben nicht von YT begünstigt wird, sondern durch die Dynamik der Nutzer entsteht – eben oft angetriggert von Verwertern) für das dahinter liegende Werbekonzept existentiell sind.
Oder noch anders: Wäre YT wirklich eine so unerlässliche Promotionplattform für Musiker, wären diese sicher bereit, für diesen Platz zu zahlen. Tun sie aber nicht. Warum wohl?
Eva Kiltz says
„Immerhin kann heute jeder seine eigene Website betreiben.“
Ach Marcel. Wenn Du willst, dass Dein Lied gehört wird, stellst Du Dich ja auch nicht in Deinen Vorgarten und singst, sondern auf den Marktplatz am Markttag, damit Dich möglichst viele Leute hören. Der Marktplatz an sich promotet Dich dadurch aber nicht, sondern die Hörer oder Dein Kumpel, der um den Marktplatz drumherum Flyer verteilt.
Wenn die Marktbudenbetreiber irgendwann entscheiden, der Marktplatz soll woanders sein, gehen die Menschen natürlich mit und es nutzt der Stadt, die die Plätze an die Marktstände vermietet, auch nichts, dass der Platz so schön groß ist.
Und Du als Sänger wirst dort natürlich auch nicht mehr Singen, sondern dort, wo die Menschen und Marktbuden hingezogen sind.
Marcel Weiss says
„Selbstvermarktung mit wirklich modernen Mitteln steht aus Prinzip auf keinem Lehrplan.“
Das erscheint mir wie ein falsches Prinzip.
Anja Strauss says
Interessante Analogie, das mit den Sendelizenzen: denn es gab mal eine Zeit, als die Inhaltebieter (die privaten Fernsehsender) für einen Platz im begrenzten Kabelangebot bezahlt haben. Ich nehme an, das ist heute nicht mehr so.
TheEconomicScribbler says
Die Statistik, die The Atlantic hervorhebt, ist gar nicht mal die entscheidende. Mein Verweis bezog sich mehr auf den unter der Statistik eingebundenen Vortrag. Die Statistik mit neu gedruckten Büchern bezieht sich ohnehin nicht auf eine vermeintliche Unterversorgung mit Neudrucken von 1980er und 1990er Romanen, sondern soll das von der Verwerter-Lobby gerne propagierte Horrorszenario des „dunklen Abgrunds“ public domain, in welchem die ungeschützten Werke verschwänden und nie wieder rezipiert würden, widerlegen.
Da reine Informationen grundsätzlich nicht vom Urheberrecht geschützt werden, bezieht sich die Schutzdauer-Diskussion hier und andernorts natürlich in erster Linie auf Werke im Sinne von §2 UrhG.
Nochmals: die Rechnung stimmt so nicht. Neue Werke sind fast immer Variationen und Derivate von existierenden. Schutzrechte blockieren diese Weiternutzung, verhindern also die Produktion neuer Werke. Diesen Effekt muss man berücksichtigen, wenn man die Länge der Schutzfristen betrachtet.
Ich habe oben bereits das Beispiel Nosferatu von F.W. Murnau erwähnt. Ein anderes wäre Stevensons Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde, das 1920 ebenfalls vom unglückseligen Murnau illegal verfilmt wurde (Der Januskopf) und nicht verbreitet werden durfte. In den USA, wo seinerzeit ein anderes Copyright galt als heute, entstanden allein zwischen 1908 und 1931 sechs Verfilmungen des Sujets. In Deutschland keine einzige. Welches Copyright-Regime brachte die höhere Gesamtwohlfahrt?
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Walt Disneys erste Filme (Schneewittchen und Pinocchio) basierten auf Werken, deren Schutzfristen nach geltendem Recht abgelaufen waren. Was wäre, wenn damals das heutige Recht gegolten hätte, Collodis Erben also ebenso wie Stokes Witwe im Fall Murnau/Nosferatu der Nutzung hätten widersprechen können (und sei es nur aus den gleichen Motiven die die Texte eines Günter Grass vom iPad fernhalten)? Die Filme wären nie produziert worden, die Zeichentrickschmiede Walt Disney Company wäre nie entstanden. Wäre das wirklich der wünschenswertere Zustand gewesen?