Taten statt Worte: Schritt für Schritt zum unendlichen Urheberrecht
In der Öffentlichkeit bemühen sich die meisten Urheberrechtsmaximalisten noch um den Anschein einer gemäßigten Sichtweise. Das Urheberrecht muss modernisiert werden, man müsse schauen, dass die Urheber ihren Schutz erhalten usw. usf. Lippenbekenntnisse zum Dialog und zum Urheberrecht als gesellschaftlichen Kompromiss werden zwar gemacht, aber die Taten sprechen eine andere Sprache.
Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass die Leistungschutzrechte für Tonaufnahmen auf EU-Ebene letztes Jahr von 50 auf 70 Jahre erhöht wurden. Es ist kein Zufall, dass diese Firstverlängerung rückwirkend gilt. Etwas, das gesellschaftlich keinen Sinn ergibt: Es werden nicht rückwirkend weitere Tonaufnahmen entstehen.
Denn so gehen die ersten finanziell im großen Stil erfolgreichen Musikaufnahmen von Klassik bis Rock, die in den 50ern und 60ern aufgenommen wurden, nicht in die Gemeinfreiheit über. Sie verbleiben bei den Monopolisten zur weiteren Verwertung. Für Klassikaufnahmen, bei denen das Werk selbst gemeinfrei ist, ist das besonders tragisch.
Man kennt das Vorgehen bereits aus den USA. Immer wenn ‚Mickey Mouse‘ und Konsorten kurz davor stehen, in die Public Domain überzugehen, boxt Disney eine, natürlich rückwirkende, Fristverlängerung des Copyrights durch.
Die großen rechteverwertenden Konzerne wollen natürlich nie die Monopolrechte aufgeben, mit denen sie weiter Geld verdienen können, ohne eine zusätzliche Leistung dafür erbringen zu müssen.
Lobbyisten wie Dieter Gorny, die als Verbandsvertreter dieser Monopolisten auftreten, werden natürlich immer für eine Maximierung argumentieren. Mit dieser Maximierung der Urheberrechtsfrist ist nur den Konzernen geholfen, längst nicht mehr der Gesellschaft. Deshalb sollten diese Vertreter übrigens genau so wenig beim Urheberrecht Mitspracherecht erhalten, wie Waffenhersteller beim Waffenausfuhrgesetz mitsprechen dürfen.
Futurezone zitiert ein Dossier (PDF) von irights.info zur Verlängerung der Leistungsschutzrechte:
„Nicht die ausübenden Künstler, sondern die vier Major-Labels Universal, Sony BMG, Warner Music und EMI sind im Besitz fast aller Rechte, deren Schutzfrist verlängert werden soll. Sie streichen bis zu 72 Prozent, das erfolgreichste Fünftel der Künstler zu weiteren 24 Prozent alle Einnahmen aus Aufnahmen ein. Die verbleibenden vier Prozent verteilen sich auf 80 Prozent der ausübenden Künstler“, heißt es in dem Dossier.
Diese Unternehmen wollen auf keinen Fall, das jemals Werke aus ihrem Katalog in die Gemeinfreiheit übergehen.
Deshalb halten sie, von Majormusiklabel bis Disney, unsere Kultur mit Exklusivrechten im Würgegriff.
Es ist auch kein Zufall, dass die etablierten Medien über diesen Kulturskandal kaum berichtet haben: Die Gemeinfreiheit hat keine Lobbyisten, die eine sie unterstützende Agenda in die Öffentlichkeit pushen.
Des öfteren erfahre ich in persönlichen Gesprächen die Denkweise der Beteiligten. Auf der letztjährigen Popkomm unterhielt ich mich mit jemandem über diese rückwirkende Schutzfristverlängerung und dieser jemand wollte mir allen Ernstes verdeutlichen, dass der Übergang von Werken in die Gemeinfreiheit der Vernichtung von Kapital entsprechen würde, und das müsse man eben verhindern.
Das ist natürlich gröbster Unfug.
Das einzige, was vernichtet wird, ist die Monopolrente. Und das ist auch gut so. Die wurde immerhin nur zeitlich beschränkt gewährt und auf der Grundlage dieser zeitlichen Beschränkung hat man das Werk finanziert und erstellt und Profit eingefahren. Ein Monopolrecht zu erweitern, ohne dass für die Gesellschaft ein Gegenwert für diese Erweiterung entsteht? Das nennt man Skandal, Lobbypolitik, Unverschämtheit und andere Dinge.
Der Übergang von einer Monopol- zur Konkurrenzsituation ist nur aus Sicht des Monopolisten ein Verlust. Für alle anderen ist es ein Gewinn. (Und selbst hier muss man noch unterscheiden: Es verliert nur derjenige, der am Monopol, also an der Exklusivität, also der Beschränkung, verdient. Derjenige, der darauf angewiesen ist. Dazu gehört der Rechteverwerter, nicht zwingend Urheber, wie man bereits seit längerem im Musikbereich sehen kann.)
Der Monopolist will das aber naturgemäß nicht. Deshalb wünscht sich der Monopolist insgeheim ein zeitlich unbeschränktes Monopolverwertungsrecht.
Dieter Gorny und co. sind natürlich klug genug, diese Forderung nicht öffentlich zu äußern.
Öffentliches Bekenntnis zum zeitlich unbegrenzten Urheberrecht
In einer Umfrage des Buchreports (via Leander Wattig) hat der Autor und Verleger Thomas Krüger ausgesprochen, was viele auf der Seite der Verwerter denken, nämlich dass ein zeitlich unbeschränktes Urheberrecht das eigentliche Wunschziel ist:
Der Sündenfall liegt doch nicht darin, das Urheberrecht unzulässig ausgeweitet zu haben. Wer ein Ding, einen Gegenstand (Auto, Haus, …) besitzt, hat das Recht, es weiterzuvererben, und er vererbt auch dieses Recht weiter. Wer ein Ding geschaffen hat, mit seinen eigenen individuellen Gaben – wer also ein Ding weitaus mehr als bloß materiell besitzt -, der soll es nun abgeben? Wieso das?
Der Sündenfall – und das ist nicht polemisch formuliert – liegt in der Tatsache, dass das Urheberrecht mit zeitlicher Beschränkung formuliert wurde; in der Phase, als Kunstwerke in verschiedenen Graden technisch reproduzierbar wurden. Eigentlich dürfte das Urheberrecht nur dann auslaufen, wenn eine Erbfolge erlischt. Alles andere ist Enteignung.
An dieser Aussage kann man zum wiederholten Male erkennen, wie schädlich der Begriff des geistigen Eigentums ist. Wie leicht er dazu verleitet, Zusammenhänge in einem vollkommen absurd verschobenen Licht darzustellen.
Die Aussage Krügers muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen: Er hält es für richtig, wenn die Nachfahren von Johann Wolfgang Goethe heute an jedem Nachdruck seiner Werke mitverdienen würden und auch entscheiden könnten, was mit den Werken passiert. Das Gleiche gilt für alle jemals erschienenen Werke von Personen, von denen es noch Nachfahren gibt: Literatur, Musik, Philosophie.
Es fällt ausgesprochen schwer, gegen eine solche Forderung sachlich zu argumentieren, weil sie so vollkommen fern jeder Sinnhaftigkeit ist. Deswegen kann man ihr nur mit Satire begegnen.
Geht ein Kulturgut in die Industrie..
Der Unternehmer Adrian Hon hat vor einigen Wochen im Telegraph eher zum Scherz die Forderung nach einem unendlichen Urheberrecht durchgespielt. Zunächst zeigt er auf, wie weit die heutigen Fristen von Disney und co. bereits getrieben wurden:
Without this assurance of compensation, we might not see any new creative works being produced at all, and so it’s for this reason that we’ve continually lengthened copyright terms from 14-28 years as set out by the Statue of Anne in 1710 to „lifetime plus 70 years“ today.
Yet now, as we’ve instituted decade-long jail terms and unlimited fines for copyright infringers, it’s time to take the next step in extending copyright terms even further.
Imagine you’re a new parent at 30 years old and you’ve just published a bestselling new novel. Under the current system, if you lived to 70 years old and your descendants all had children at the age of 30, the copyright in your book – and thus the proceeds – would provide for your children, grandchildren, great-grandchildren, and great-great-grandchildren.
But what, I ask, about your great-great-great-grandchildren? What do they get?
Ja, was ist mit den Ur-ur-ur-enkeln? Die wollen wir doch nicht enteignen? Immerhin müssen die auch von irgendetwas leben. Und wer würde heute schon ein Werk erschaffen, wenn er nicht sichergehen könnte, dass damit seine Nachfahren alle abgesichert sind?
Die Nachfahren können doch nichts dafür, dass sie erst anderthalb Jahrhunderte nach dem Erscheinen des Werkes geboren werden!
Ein unendliches, ewiges Urheberrecht würde natürlich auch, wie bereits alle Fristverlängerungen von Urheberrecht und Leistungsschutzrechten davor, rückwirkend stattfinden müssen.
Hier wird das Gedankenspiel interessant, um aufzuzeigen, wie eine solche Groteske aussehen würde. Adrian Hon über die Auswirkungen von Alice im Wunderland über Shakespeare bis hin zur Bibel:
Indeed, by what right do Disney and the BBC get to adapt Alice in Wonderland, Sleeping Beauty, and Sherlock without paying the descendants of Lewis Carroll, the Brothers Grimm, and Arthur Conan Doyle?
Of course, there will be some odd effects. For example, the entire Jewish race will do rather well from their eternal copyright in much of the Bible, and Shakespeare’s next of kin will receive quite the windfall from the royalties in the thousands of performances and adaptations of his plays – money well earned, I think we can all agree.
Das ist sicher ein gerechtfertigter Preis, um endlich, endlich nach Jahrhunderten der permanenten Enteignung, den Künstlern heute wieder einen Grund zu geben, Werke zu erschaffen.
Man könnte lachen, wenn man nicht genau wüsste, dass es tatsächlich gesellschaftliche Kräfte gibt, die genau dieses absurde Szenario verfolgen.
krizm0 says
Die einzigen, die ein Mitspracherecht bei der Urheberrechtsdebatte haben sollten sind meines Erachtens nur die „Nutzer“, wer auch immer das im Detail ist. Man könnte sogar die Urheber aus der Debatte raus lassen.
Die Allgemeinheit alleine sollte bestimmen, wie sie Zugang zu den Kulturgütern haben möchte und sie alleine sollte bestimmen dürfen, welche Mechanismen in Kraft treten, damit eben für ihren Bedarf ausreichend neue Kulturgüter enstehen.
Stephan Benn says
krizm0, was ist denn das für ein Kommentar? Da wollt Ihr „uns“ enteignen und dann dürfen „wir“ noch nichtmal mitreden?? Was sind das denn für mittelalterliche Ansichten? Schön Tranzparenz und Demokratie fordern und in Wirklichkeit nur nach dem billigsten Selbstbedienungsladen suchen?
Wenn überhaupt jemand eine Berechtigung hat, über das Urheberrecht zu diskutieren, dann sind es die Berechtigten!
Du glaubst doch nicht wirklich, dass noch irgendwelchen relevanten Kulturgüter entstehen, wenn deren Schöpfer keine Zeit zur Schöpfung mehr haben?
Sorry, aber dieses Niveau der Diskussion ist erbärmlich!
Marcel Weiss says
Wer sind denn die Berechtigten?
krizm0 says
Ich bin weder in der Piratenpartei (Stichwort Transparenz und Demokratie), weder sage ich, dass irgendjemand enteignet werden soll.Alles was ich sage ist, dass nach meiner Auffassung das Ziel eines Urheberrechts es sein sollte, einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Zugang zu und Erzeugung von Kulturgütern zu finden. Ob der Zugang zu Kultur zu klein oder zu hoch ist und ob es zu viele oder zu wenige Kulturgüter gibt kann nur die Allgemeinheit, sprich diejenigen, die die Kulturgüter nutzen, entscheiden.
Da heutzutage jeder Urheber, Nutzer und Vertrieb gleichzeitig sein kann, hätte ich es wohl besser formulieren sollen. Das neue Urheberrecht sollte von allen Menschen aus Nutzersicht geschrieben werden, und zwar nur aus Nutzersicht.
Peter Piksa says
Wo ich in dem Text von „den vier großen Musiklabels Universal, Sony, Warner und EMI“ las. Diese vier, sind inzwischen http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/sony-muss-werke-von-williams-winehouse-und-rihanna-verkaufen_1.16535171.html“ rel=“nofollow“>dank der Übernahme EMIs durch Sony nur noch drei. Wodurch das Problem des Marktmonopols noch einmal zunimmt.
Klothilde says
Letztlich ist das die Diktatur der Masse. Spiele es durch, was kommt heraus, welche Kultur wird die Masse haben wollen? Bohlen oder Benn?
Marcel Weiss says
Warum ist die „Diktatur der Masse“ eigentlich immer ein Problem, nur beim Verkauf von physischen Medienträgern (Markt!) nicht nicht?
Moni D says
An den Gesetzgebungen zur Waffenausfuhr darf die Waffenindustrie auch nicht teilnehmen. Vermutlich weil man eh schon weiss, wofür sie stimmen werden. Bei euch ist das leider inzwischen auch so. Wäret ihr jemals auf die Argumente der Datenschützer eingegangen, dann sähe die Sache vielleicht anders aus. So aber war es eine weitgehend nutzlose Debatte, wo in eurer Auffassung immer nur die andere Seite in der Bringschuld für Argumente stand.
Moni D says
Niemand wollte jemals die Urheber enteignen. Das haben die Content-Kontrolleure nur immer behauptet, um öffentlich Stimmung zu machen. Der Grund ist, dass sie nie auf die Argumente der Datenschützer eingehen wollten, die in eine ganz andere Richtung gingen.
Moni D says
Oh ja… ich bin alt genug, um mich an die Zeiten der öffentlich-rechtlichen Monopolkultur zu erinnern. Das war aber sowas von zum Gähnen langweilig. Ständig sollte man belehrt werden, Unterhaltung war ein Schimpfwort. Nur auf dem Hintergrund konnte Helmut Thoma dereinst verkünden: „RTL ist eigentlich groß geworden, weil wir eine neue Zielgruppe entdeckt haben: den Zuschauer.“ Davon abgesehen muss man den Privaten in der Tat vorwerfen, dass sie den Zuschauer unterfordern. Gut wäre z.B. mehr internationale Konkurrenz Bereich, z.B. durch englische und amerikanische Serien (HBO, Channel 4).
Klothilde says
Der Markt diktiert nicht, der Markt lenkt. Immer und unausweichlich, natürlich innerhalb der Regeln, die ihm vom Staat gesetzt werden. Insofern ist hier nicht von einer „Diktatur“ zu sprechen. Wiewohl der Markt natürlich ähnlich brutal sein kann wie ein Diktator. Dem Künstler bleibt die Freiheit, am Markt vorbeizuproduzieren. – Krizm0 schreibt anderes: a) „Alles was ich sage ist, dass nach meiner Auffassung das Ziel eines Urheberrechts es sein sollte, einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Zugang zu und Erzeugung von Kulturgütern zu finden.“ Hierfür müsste ein Komitee eingesetzt werden, um den „ausgewogenen Ausgleich“ zu schaffen. Nach bisherigen Erfahrungen aus der Weltgeschichte (DDR, China, N-Korea) kann der Markt das wahrscheinlich besser. b) Krizm0 weiter: „Ob der Zugang zu Kultur zu klein oder zu hoch ist und ob es zu viele oder zu wenige Kulturgüter gibt kann nur die Allgemeinheit, sprich diejenigen, die die Kulturgüter nutzen, entscheiden.“ Er möchte, dass die Nutzer bestimmen, wie hoch die Preise und damit die Qualität von Kulturgütern sind und wie viele Kulturgüter produziert werden. Das ist die Diktatur der Masse. Der Künstler kommt in Erkärungsnöte, wenn er ein Kulturgut herstellt, dass über/unter dem Qualitätsanspruch der Masse liegt oder das über der Anzahl der genehmigten Kulturgüter liegt.
Klothilde says
Liebe Moni, ich finde es erfrischend – und ich meine das ganz ohne Ironie -, dass du dich zu Bohlen bekennst. Die Sprüche sind kernig, die Show war in den ersten Jahren ein freches, neues Konzept. Benn ist dagegen verstaubt. Wer kennt den überhaupt noch? – Wogegen ich mich aber wehre, ist: Die Beschneidung der Freiheit, auch Kulturgüter, die der Masse nicht gefallen („Benn“), produzieren zu dürfen. Oder genauer: Die Bedingungen der Möglichkeit der freiheitlichen Kulturproduktion zu beschneiden. Zitat Krizm0: „Alles was ich sage ist, dass nach meiner Auffassung das Ziel eines Urheberrechts es sein sollte, einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Zugang zu und Erzeugung von Kulturgütern zu finden. Ob der Zugang zu Kultur zu klein oder zu hoch ist und ob es zu viele oder zu wenige Kulturgüter gibt kann nur die Allgemeinheit, sprich diejenigen, die die Kulturgüter nutzen, entscheiden.“
TheEconomicScribbler says
Derartige Denkfehler sind leider das Ergebnis des Terminus „geistiges Eigentum“, der unzutreffenderweise eine Analogie zu materiellem Eigentum (also physischen Gütern) suggeriert. Vor kurzem hörte ich von einem Urheberrechtsanwalt, dass auch geistiges Eigentum dauerhafte verfügungsrechtliche Zuordnung brauche; Gemeinfreiheit hätte unweigerlich das Allmendeproblem zur Folge. Das ist natürlich nicht weniger unsinnig als die von dir zitierte Aussage.
Disney hat ja auch vor einigen Jahren Atlantis verfilmt und schuldet damit (bei ewigem Urheberrecht) den Nachfahren Platons entsprechende Tantiemen. Oder denken wir an die zahlreichen Ilias und Odysee Verfilmungen: Homers Erben dürften sich freuen. Vielleicht spornt sie das an, in Zukunft wieder kreativer zu werden. Die Produktion griechischer Klassiker hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zu wünschen übrig gelassen.
Zum Glück bleibt das nur ein Witz. Hoffentlich…
Rudee Root says
„Die Gemeinfreiheit hat keine Lobbyisten, die eine sie unterstützende Agenda in die Öffentlichkeit pushen.“
Das ist faktisch falsch.
Der Google-Konzern (der im ersten Quartals dieses Jahres die Kosten für Lobbyarbeit allein in Washington um 240% auf $ 5,3 Mio aufgestockt haben), aber auch Facebook leistet auch in Deutschland aktive Lobbyarbeit.
Marcel Weiss says
Facebook leistet in Deutschland Lobbyarbeit? Gibt es dafür Beweise oder ist das eine Verschwörungstheorie? Das würde mich nämlich sehr überraschen. Und warum sollte Facebook für die Gemeinfreiheit lobbiieren?
Rudee Root says
Natürlich leistet Facebook in Deutschland Lobbyarbeit, zu finden auf SpOn:
„Gunnar Bender: Facebook ernennt Chef-Lobbyisten für Berlin“ (http://bit.ly/yOXnTk)
Und dass Google in Deutschland Lobbyarbeit leistet, ist wohl unumstritten.
Welche Ziele diese „Distributoren“-Konzerne haben, wurde ersichtlich in einer in den Jahren 2006 und 2008 in den USA geführten Diskussion um einen Gesetzesentwurf, der das dortige „Copyright“ betraf.
Damals wurde von Lobbyisten von Verwertern (Verlagen, Bildagenturen, etc.) und Distributoren (allen voran natürlich Google) in trauter Eintracht die Verabschiedung der sogenannte „Orphan Works Act“-Gesetzgebung gefordert.
Dieser Gesetzesentwurf sah vor, dass –durch die Verfügbarkeit im Internet– weltweit sämtliche urheberrechtlich geschützten Werke in den USA bis zum Beweis des Gegenteils als „verwaist“ und gemeinfrei gelten sollten.
Um ihre Rechte behaupten zu können, so der Gesetzesentwurf, wären die Urheber weltweit aufgefordert, ihre Werke bei möglichst vielen (privatwirtschaftlich geführten) Registraturen in den USA anzumelden, um eine mögliche Verletzung ihrer Rechte in den USA justiziabel machen zu können.
Ein Verwerter, der ein, wo auch immer „aufgefundenes“ Werk nutzen wollte, hätte lediglich belegen müssen, dass er eine „hinlänglich sorgfältige Suche“ in mindestens zwei Registraturen durchgeführt habe.
Der Gesetztesentwurf scheiterte damals zweimal an den massiv dagegen argumentierenden US-Urheberverbänden.
Interessant an dieser –ja schon recht alten– Diskussion erscheint mir, dass die Vorschläge heute in Deutschland in oftmals nur leicht veränderter Form wieder aus der Versenkung auftauchen: das alte „Auf den Schultern von Riesen stehende Zwerge“-Argument, die Verfügbarkeit „verwaister Werke“, der den Urhebern abverlangte Verzicht auf ihre Urheberpersönlichkeitsrechte, ja selbst das Modell der „Registratur“ taucht ab & an in der Diskussion wieder auf.
Am interessantesten aber erscheint mir, dass die Urheber, die ihre Arbeitsergebnisse bislang nur gegen die stetig ausufernde Begehrlichkeit der Verwerter schützen mussten, jetzt gegen die Begehrlichkeit eines –wenn auch noch nicht sehr großen– Teils der Verbraucher (und natürlich gegen die Begehrlichkeiten der Distributorenkonzerne) schützen müssen.
Die –rein rhetorische– Unterstützung der Urheber durch die Verwerter, die sich in erster Linie als Sprachrohr der Urheber darstellen, ist hier zwar folgerichtig (da die meisten Urheber im Auftrag von Verwertern arbeiten), aber wenig hilfreich: nur wenige Urheber sind in der wirtschaftlichen Lage, sich gegen TBO-Verträge der Verwerter durchzusetzen, man ist sich bei den Urhebern durchaus im Klaren darüber, dass es sich bei den Verwertern um „Bundesgenossen auf Zeit“ handelt, die ihre Eigeninteressen durchaus auch gegen die Interessen der Urheber (und das jetzt gültige UrhG) durchzusetzen versuchen.
Ich selbst bin (gut organisierter) Urheber und sehe dem ganzen Spektakel, wie wohl nicht zu übersehen, höchst interessiert zu.
Meiner Einschätzung nach wird sich alles –wie schon in den USA vor 6 und vor 4 Jahren– in einem Jahr erledigt haben; bei uns in Deutschland vermutlich mit einer leichten, vermutlich relativ unwesentlichen Änderung des UrhG zugunsten der Verbraucher.