Wenn wir mit kleinen Schritten beginnen wollen, dann wäre der erste, dass den Protagonisten der Abmahnindustrie ein Name gegeben und ihnen die Grundlagen ihres Handelns nicht nur juristisch, sondern auch moralisch streitig gemacht würde. Sie sind das, was die Steuereintreiber des Ancien Régime waren. Sie tauchen plötzlich auf und fordern Abgaben je nach Lust und Laune und wie es ihnen gefällt. [..] Was erwartet ein Autor, ein Sänger, ein Denker, wenn die erste Begegnung mit seinem Werk im Leben eines Menschen damit endet, dass er in seinen Sommerferien jobben musste, um 1200 Euro Strafe zu bezahlen?
Die Abmahnindustrie in Deutschland, die 2011 allein 190 Millionen Euro erwirtschaftete, ist sicher ein Grund, warum die Debatte sehr emotional geführt wird. Aber sie ist nicht der einzige. Der Jugendliche, der Musikalben illegal herunterlädt und auf Konzerte geht, weiß, dass er Geld für Musik ausgibt. Er sieht ein volles Kino, wenn er hingeht, und, mit etwas Glück oder wenn er Kinofan ist, erfährt er auch, dass „The Avengers“ gerade neue Rekorde an der Kinokasse aufgestellt hat.
Gleichzeitig hört er Dieter Gorny und Sven Regener pathetisch davon reden, wie er der unmoralische Dieb ist, weil es ihnen schlecht geht. Er liest von vielen anderen, wie sie ihr Recht einfordern, ihn zu überwachen, damit sie Geld auf ihre präferierte Weise (Dateiverkauf, weil einem sonst nichts einfällt) verdienen können, und das geschichtsvergessen auf eine „historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit“ fussen wollen.
Wer würde angesichts einer so weltfremden Haltung nicht emotional werden?
Der Jugendliche muss kein Verständnis von Ökonomie haben, um zu verstehen, dass hier eine Gruppe von Menschen
- vollkommen an seinem Alltag vorbeiargumentiert, der aus kostenlosen Downloads und Geld ausgeben besteht,
- eine Industrie aufgebaut hat, die ihn für sein tägliches Verhalten bestraft,
- diese Strafen noch weiter und weiter und weiter und weiter ausweiten will,
- und das für eine Tätigkeit, bei der er niemandem etwas wegnimmt, weil er etwas kopiert und nicht stiehlt, auch wenn ihm fälschlicherweise immer wieder versucht wird, letzteres einzutrichtern.
„Ich habe doch niemandem etwas weggenommen und es kostet auch niemandem etwas“ ist die Umschreibung des Laien für die Grenzkostensituation bei Dateien. Denn die betragen bekanntlich null.
Und obwohl er dafür kein Verständnis von Ökonomie benötigt, ist er näher an der Realität als etwa die meisten FAZ-Redakteure.
Frank Schirrmacher schreibt davon, dass „die traditionelle Loyalität des Konsumenten zu seinem Produzenten in offenen Hass umgeschlagen“ hat. Wie kommt er darauf? Weil er den Hass auf zum Beispiel Labels mit dem auf Musiker gleichsetzt.
Wer Musik etwa kostenlos herunterlädt und viel Geld für Konzerte und Festivals ausgibt, der hasst nicht die Bands, die er hören willen. Er hasst das Musiklabel, dass ihm sagt, er habe für das Album zu bezahlen, das ohne zusätzliche Kosten für alle Beteiligten heruntergeladen werden kann. Das Label, das ihn als Dieb beschimpft, wenn er das nicht bezahlen will, obwohl er viel Geld für die Musiker des Labels, also die Urheber, ausgibt; nur eben nicht über das Label. Oder er hasst das Filmstudio, dass ihm vor dem Film auf einer gekauften DVD davor warnt, ja nichts zu kopieren. Oder er hasst Disney, wo man für immer daran glauben wird, dass alberne Geschichten wie Camversionen den eigenen Filmen wie „The Avengers“ schaden würden, was zu noch albernen Überwachungsszenarien bei Kinos geführt hat.
Es geht bei der Debatte nicht um ein „Ob“ sondern ums „Wie“. Das „Ob“ ist ein Strohmannargument.
Leider ist der aktuelle Erkenntnisstand bei der FAZ, was Kultur im digitalen Zeitalter und Ökonomie betrifft, dass ohne Dateiverkauf kein Geld fließt und damit keine Arbeitsteilung möglich ist. Von dieser Prämisse kommt auch die Gleichsetzung zwischen Verwerter und Urheber und der vermeintlich am Dateiverkauf entzündete Hass. Herr Schirrmacher:
Vielleicht kann man damit aufhören, seine Zeit mit Trivialitäten zu vergeuden, und an ein paar Grundtatsachen erinnern. Die erste lautet: Der Künstler arbeitet für Geld. Die anderes behaupteten, waren leider in erster Linie die Künstler selbst. Es ist aber nicht wahr und im Übrigen auch nicht schlimm. Er arbeitet des weiteren, wie der hier unverzichtbare Peter Hacks notiert, „weil er das Ergebnis seiner Arbeit von der Welt gebraucht glaubt“. Übertragen auf heutige Verhältnisse heißt das eine Bezahlinhalte und das andere Reichweite.
Das stimmt nicht ganz. Das erste heißt eben nicht nur Bezahlinhalte. Das ist nur ein Weg von vielen, aber eben nicht der vielversprechendste.
Geld verdienen, dass heißt in einer Marktwirtschaft immer, egal ob Internet oder Vinyl, egal ob Buch oder Stahlträger, ein knappes Gut verkaufen, das nachgefragt wird. Eine simple Datei ist kein knappes Gut. Deshalb wird versucht, sie mit wertmindernden Eingriffen (DRM) künstlich zu verknappen und deshalb ist eine Abmahnindustrie entstanden.
Denn Filesharing ist konkurrierende Distribution für den Dateiverkäufer.
Für den Kreativschaffenden gibt es zwei Alternativen:
a.) Man akzeptiert, dass sich einem die eigenen Fans, Leser, Hörer und Konsumenten als Distributoren aufdrängen und nutzt die kostenlose Reichweite, um auf deren Basis mehr knappe Güter zu verkaufen. (-> neue Verwerter, und Mittelsmänner)
b.) Man will am Dateiverkauf festhalten und setzt alle Hebel in Bewegung, um das Internet hoffentlich so zu formen, dass man über diesen Weg auf die gehofften Gewinne kommt. (-> und bei der Verwertung bleibt alles beim Alten.)
Was ist zielführender? Was ist weniger gefährlich für die Gesellschaft? Oder ganz einfach: Was ist realistischer?
Und warum kann man nach über einem Jahrzehnt der Debatte sich nicht auf diese Trivialitäten einigen, die die erste Vorlesung im ersten Semester BWL nicht überschreiten? Weil die Angst vor Einkommensverlusten Rationalität und Einsicht bei vielen zu verunmöglichen scheinen. (Adam Soboczynski lobte erst vor wenigen Tagen in der ZEIT die Kompromisslosigkeit der erklärungsunterschreibenden Künstler.)
Das ist ihr gutes Recht. Aber wenn das Resultat daraus leichtfertig dahin geworfene Forderungen nach Überwachung und härteren Strafen sind, darf man sich nicht wundern, wenn die Antworten Hohn, Spott und Hass beinhalten.
Ich glaube, dass sich die aktuelle Debatte, die eher ein Streit ist, in diesen Tagen nicht vorwärts sondern rückwärts bewegt, was aber nicht an Piraten oder Twitterern oder Bloggern liegt, sondern an den Schreibern von Erklärungen und offenen Briefen und den Kampagnenjournalisten bei den Holtzbrinck-Publikationen Handelsblatt und ZEIT etwa, die allesamt auf eine erstaunlich arrogante wie ignorante Art eine eigentlich dringend notwendige Debatte lieber wieder im Keim erstickt sehen würden.
Zu guter letzt noch einmal Frank Schirrmacher in der FAS mit einem seiner Lösungsvorschläge:
Des Weiteren Druck auf die Industrie, dass sie komfortable Plattformen zum legalen Download bereitstellt und mit ihnen zu experimentieren beginnt. Überhaupt: den neuen Zustand anerkennen und verhindern, dass er zu einer Bezweiflung von Autoren und Kunst selber führt.
So gut gemeint dieser Vorschlag wie die anderen im Text auch ist: Das Innovators Dilemma einer Branche lässt sich nicht durch Aufrufe oder Druck von außen lösen. (Und auch nicht damit, dass sie mehr von dem machen soll, was sie schon macht.) In manchen Branchen reagieren Unternehmen besser als andere. Die Tonträgerindustrie sollte sich angesichts der aktuellen Bemühungen der Buchbranche etwa kollektiv in Grund und Boden schämen. Aber das ändert nichts daran, dass es Unternehmen in allen Branchen schmerzen wird, weil es neben Gewinnern überall Verlierer gibt und geben wird. Das ist das Wesen von Disruption. Daran ändert auch ein staatlich zugesichertes Monopolrecht nichts.
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Siehe zum Thema Urheberrecht auch die Übersichtsseite, auf der viele Aspekte beleuchtet, zusammengefasst und mit weiterführenden Links versehen sind.
Jakob Carstens says
Witzig, dass ich genau die von Dir angesprochene Grenzkosten-Frage vor erst wenigen Stunden in meinem eigenne Blog (http://jakobcarstens.de/?p=269) diskutiert habe.
„Geld verdienen, dass heißt in einer Marktwirtschaft immer, egal ob Internet oder Vinyl, egal ob Buch oder Stahlträger, ein knappes Gut verkaufen, das nachgefragt wird. Eine simple Datei ist kein knappes Gut.“ –
Leute werden nur für ein knappes Gut Geld bezahlen, denn der Wert eines Gutes bemisst sich daraus, was man bereit ist, dafür aufzugeben. Die Knappheit von musikalischen Erzeugnissen ist aber ja nicht nur die CD/MP3, sondern zunächst einmal überhaupt die Kreation der Musik – Michael Jackson gibt’s nur einmal, dass er einen Song X gesungen hat, ist also zunächst mal einmalig.
Interessant: Ein Platz in einem Open-Air-Konzert ist vermutlich in den meisten Fällen auch beinahe unbegrenzt – ergo nicht knapp, selbst Konzerte von Coldplay sind da nicht immer ausverkauft, und dennoch sind Menschen bereit, dafür 70€ auszugeben, um auf irgendeiner Wiese Chris Martin singen zu hören.
Die Krux von Musik ist, dass sie digital so unenedlich leicht kopierbar bleibt. Das „Teilen“ zu nennen, ist schon Ironie an sich, weil man beim Teilen auf etwas verzichtet um andere besser zu stellen. Musik teilt man nicht, man dupliziert sie. Das lässt ihren Wert zusätzlich sinken.
Die Grenzkosten eines Harry Potter-Romans sind auch nicht die 25€ für den Band, den Carlsen damals verlangt hat. Ein Buch wird einmal aufgesetzt, dann evtl. noch geringfügig editiert im Nachgang – aber der Arbeitsaufwand bleibt gering, in der x. Auflage und mit jedem verkauften Exemplar verdient der Verlag und Urheber wesentlich mehr, weil sich die Kosten pro Stück wesentlich senken.
Im Übrigen ist es in der Debatte offensichtlich, dass einigen Teilnehmern ein, zwei Grundlagen-Vorlesungen BWL + VWL nicht geschadet hätten. Mehr Wissen und weniger Ideologie würde dem ganzen gut tun.
Robin S. says
Danke für diesen Beitrag. Er fasst eine Haltung gut zusammen, die man überall im Netz und immer wieder findet, mit den immergleichen Argumenten, der selben Rhetorik. Ich halte den Standpunkt für unhaltbar.
Vorab möchte ich kurz auf den Diebstahl-Vergleich und die penetrante Ablehnung desselben zu sprechen kommen. Es ist gute Tradition, in aller Heftigkeit der Metapher des Diebstahls zu widersprechen, mit dem Argument, danach würde dem Opfer ja nichts fehlen. Das ist formal soweit korrekt. Herzlichen Glückwunsch, die Analogie trägt an diesem Punkt nicht, so wie jeder Vergleich neben Verbindendem notwendig auch Trennendes feststellt. Die Metapher aus formal spitzfindigen Gründen zurückzuweisen besitzt jedoch keine Aussage. Die moralische Fragwürdigkeit, die Essenz des Bildes vom Diebstahl, wird dadurch überhaupt nicht tangiert. Ohne eine zusätzliche Aussage bleibt der Einwurf hohl, ohne jede argumentative Kraft. Trotzdem wird vielfach triumphierend so getan, als müsse man nur einmal Kopie-ist-kein-Diebstahl rufen, und hätte damit irgendwas sinnvolles beigetragen.
Wichtiger finde ich aber einen anderen Aspekt der Argumentation. Jedem Urheber, der sich um seinen Besitzstand und/oder die gesellschaftliche Wertschätzung von Kulturgütern sorgt und dies wie auch immer öffentlich äußert, wird sofort unterstellt, er wolle das Netz massiv reglementieren. Diese Unterstellung wird in den Rang einer Tatsache erhoben, ohne je begründet worden zu sein. Die Suggestion, die daraus spricht, wird später noch einmal explizit formuliert: Entweder kopieren die Leute, weil sie nichts zu befürchten haben, oder sie lassen es, weil eine eine lückenlose Ahndung solcher Vergehen technisch durchgesetzt wird. Diese Darstellung erzeugt ein falsches Dilemma, das die Absolutheit des eigenen Standpunkts zementiert, aber schlicht unsachlich ist.
Ich kenne wenig Leute, die gerne illegal Kopieren. Oft höre ich das Argument, sie könnten sich diese oder jene Serie aus den USA legal einfach nicht beschaffen. Viele Angebote, wie im Artikel am Beispiel von Google Play beschrieben, seien umständlich. Allein die Schaffung entsprechender zeitgemäßer Angebote würde einerseits diese konsumistische Apologetik entkräften, andererseits aber auch tatsächlich einen Markt schaffen, wie iTunes andeutet. Schließlich ist die Frage, welche Rolle illegales Filesharing spielt, auch eine der gesellschaftlichen Akzeptanz derselben. Die drohende totale Kontrolle als einzige und unumgängliche Alternative zur Legalisierung von Filesharing darzustellen, ist unseriös. Es ist die Maximalforderung der Piratenpartei, Dateiverkauf als Geschäftsmodell abzuschaffen, die als weltfremd zu bezeichnen ist. Das wird auch der weitere Verlauf der Debatte zeigen.
Wolfgang Ksoll says
Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, dass der kulturindustrielle Komplex mit seiner Weigerung, tragfähige Geschäftsmodelle (wie Apple) zu entwickeln (wie Schirrmacher und seine FAZ , die seit 20 Jahren mit dem Internet nicht zurecht kommt), die Versorgung der Bevölkerung mit Kulturgütern gefährdet und mit ihrer Entartung Künstlern und Bürgern schadet:
http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/05/13/sherlock-holmes-das-dartmoor-und-das-urheberrecht/
Andreas Weise says
Tja, die ganze Urheberrechtsdebatte wird zumindest in nächster Zeit wohl immer weiter gehen. Jakob hat geschrieben:
„Leute werden nur für ein knappes Gut Geld bezahlen, denn der Wert eines Gutes bemisst sich daraus, was man bereit ist, dafür aufzugeben. Die Knappheit von musikalischen Erzeugnissen ist aber ja nicht nur die CD/MP3, sondern zunächst einmal überhaupt die Kreation der Musik – Michael Jackson gibt’s nur einmal, dass er einen Song X gesungen hat, ist also zunächst mal einmalig.“
Eben – und so gesehen brauchen wir eigentlich ein System, was eben die Produktion dieser Kulturgüter sicherstellt, aber den heutigen Zustand – die Irrelevanz, wie viele Kopien im Umlauf sind – VÖLLIG unberücksichtigt lässt.
Leider kann ich auch nicht viel tun – aber ich mache schon, was ich kann – so habe ich den Piraten heute bei der NRW-Landtagswahl meine Stimme gegeben.
Klothilde says
Es stimmt doch nicht, dass es kreative Werke im Überfluss gibt. Wenn es so wäre, würde es doch kein Filesharing geben, kein kino.to, kein Megaupload, kein iTunes, keine Streamingdienste. Die Masse giert nach den Werken der Kreativen, stärker als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Sie kauft und saugt, dass die Leitungen glühen. Denn es ist mehr Freizeit da als früher, die füllen wir gern auch mit Unterhaltung, welche die Kreativen geschaffen haben. – Im Gegenteil: Es herrscht kein Überfluss an kreativen Werken, sondern ein Mangel. Wir wollen mehr gute Filme, mehr gute Texte, mehr gute Bilder, mehr Musik, die uns gefällt. Das Gut ist also knapp.
Es kann schnell noch knapper werden, wenn Rahmenbedingungen geändert werden, ohne Folgen zu bedenken. Wenn der Filmproduzent den Dixieklo-Aufsteller und den Caterer und den Strom am Set nicht mehr bezahlen kann. Wenn der Schriftsteller nur noch sieben Jahre Zeit hat, sein Werk zu verkaufen, da danach sein Recht daran abläuft. Wenn dem Sänger keine neuen Lieder mehr geschrieben werden, mit denen er Open Air Geld verdient.
Marcel Weiss says
Zum Diebstahl-Argument: http://neunetz.wpengine.com/urheberrecht/#toc-filesharing-ist-kein-diebstahl
Die Unterscheidung ist aus verschiedenen dort und in den verlinkten Artikeln ausgeführten Gründen wichtig.
Unautorisiertes Filesharing besteht nach einigen Studien zu ungefähr 1/3 aus entgangenen Verkäufen. Das ist als Erkenntnis wichtig, um zu verstehen, dass es verschiedene, negative wie auch positive, Auswirkungen hat und der Markt hier etwa z.B. kein Nullsummenspiel ist. Daraus ergeben sich zum Beispiel Erkenntnisse, wie man von der Geschäftsmodellseite mit Filesharing umgehen kann. Das ist zum Beispiel auch wichtig, wenn man über Dienste wie Tumblr und Pinterest und ihre Auswirkungen auf Fotografen redet.
Wer von Diebstahl redet, geht davon aus, dass unautorisiertes Filesharing (oder allgemeiner das Verbreiten von Werken) zu zu 100% entgangenen Verkäufen führt. Das ist falsch.
Siehe zu den weiteren Äußerungen auch http://neunetz.wpengine.com/urheberrecht/#toc-sinnlose-massnahmen-um-filesharing-zu-stoppen und die Übersichtsseite allgemein.
Marcel Weiss says
„Es stimmt doch nicht, dass es kreative Werke im Überfluss gibt. Wenn es so wäre, würde es doch kein Filesharing geben, kein kino.to, kein Megaupload, kein iTunes, keine Streamingdienste.“
Man muss Werkproduktion (knapp) und Verbreitung in digitaler Form (nicht knapp) von einander unterscheiden. Erst dann kann man erfolgversprechende Geschäftsmodelle formen und überhaupt in der Debatte vorwärts kommen. http://neunetz.wpengine.com/urheberrecht/#toc-erfolgversprechende-geschaftsmodelle-im-filesharing-zeitalter
Marcel Weiss says
Das glaube ich nicht so sehr. Ich sehe das Problem eher darin, dass diese Institutionen mit dem Ausweiten exklusiver Rechte und Restriktionen, die in Gesetz gegossen werden sollen, ihr wirtschaftliches Versagen mindern wollen und das Entstehen neuer Formen von Organisation und Produktion damit aber stärker behindern.
Marcel Weiss says
„Die Knappheit von musikalischen Erzeugnissen ist aber ja nicht nur die CD/MP3, sondern zunächst einmal überhaupt die Kreation der Musik – Michael Jackson gibt’s nur einmal, dass er einen Song X gesungen hat, ist also zunächst mal einmalig.“
Ja, wie im obigen Kommentar schon gesagt, die Produktion des Werkes ist knapp, die Verbreitung als Datei aber nicht mehr.
Siehe auch: http://neunetz.wpengine.com/urheberrecht/#toc-erfolgversprechende-geschaftsmodelle-im-filesharing-zeitalter
„Ein Buch wird einmal aufgesetzt, dann evtl. noch geringfügig editiert im Nachgang – aber der Arbeitsaufwand bleibt gering, in der x. Auflage und mit jedem verkauften Exemplar verdient der Verlag und Urheber wesentlich mehr, weil sich die Kosten pro Stück wesentlich senken.“
Stimmt. Immaterielle Werke haben sich schon immer dadurch ausgezeichnet, dass sie einen hohen Fixkostenanteil haben, dem geringe variable Kosten gegenüber stehen.
Robin S. says
Dazu zwei Dinge. Zunächst erlaube ich mir ein Zitat:
„Wer von Diebstahl redet, geht davon aus, dass unautorisiertes
Filesharing (oder allgemeiner das Verbreiten von Werken) zu zu 100%
entgangenen Verkäufen führt.“
Das ist eine Behauptung, ja eine Unterstellung, und sie ist völlig willkürlich. Ich kenne die Argumentation, dass die der Umfang an illegalen Kopien nicht einem realen Absatzverlust entsprechen. Das stimmt. Aber was willst du damit sagen? Damit wird ein Scheinargument von Seiten der Inhalteanbieter als solches enttarnt, mehr aber nicht. Ich sehe nicht, wie die Frage nach Moral und konkreter Ausgestaltung des Urheberrechts davon tangiert werden, mit welchen numerischen Wert die Verluste der Industrie genau zu beziffern sind.
Zweitens passiert jetzt wieder genau das, was ich oben angedeutet habe.
Wir halten uns jetzt an der Metapher des Diebstahls auf, und verlieren
dabei das Wesentliche aus den Augen. Damit reden wir am Thema vorbei und lassen gegenseitig wirklich treffsichere Argumente außer acht. Mir scheint, diese Art des Ablenkungsmanövers wird öfter eingesetzt: Ein diskutabler Text, der das Wort „Diebstahl“ enthält, wird
auf diesen Vergleich reduziert und anhand dessen als ungültig erklärt –
unabhängig davon, was sonst noch drin steht. Die Mechanik dieser Argumentation ist die Folgende: Ich weise dir einen Fehler nach, also hab muss ich recht haben. Dieser Schluss ist aber nur zulässig in einer Welt aus Nullen und Einsen.
Ben says
Zuerst mal würde es mich interessieren, wie du darauf kommst, dass mein Geld bei Konzerten direkt an den Musiker geht und die Labels da nichts abbekommen. Soweit ich weis, verdienen die da mittlerweile auch mehr als genug dran. Aber das nur als Frage nebenbei…
Ich kann gut verstehen, warum die Debatte sehr emotional geführt wird. Mich kotzt es auch an, die rechtliche Unsicherheit, die Abmahnwellen, die derzeitige Geschäftmodelle und vieles vieles mehr.
Ich muss aber auch sagen: Ich kann genauso verstehen, warum die Urheber und Verwerter so aufgebracht sind! Ein Urheber will an seinem Werk etwas verdienen und ein Teil seines Einkommens besteht darin, dass Leute Geld bezahlen, um sein Werk zu lesen, zu hören oder es zu sehen.
Und nun kommen Leute, die ihm sagen, in Zukunft muss er sich nach neuen Wegen umsehen, weil die Leute sein Werk kostenlos haben wollen. Er kann darauf vertrauen, dass es genug Leute („Fans“) gibt, die ihn freiwillig unterstützen (wofür es aber keine Garantie gibt), Crowdfunding betreiben oder sich etwas anderes ausdenken, damit er weiterhin von seinem Werk leben kann,
Das ist eine Idee, mit der man sich erstmal anfreunden muss! Man kann jetzt natürlich sagen, dass Internet gibt es nicht erst seit gestern, sie hatten genug Zeit dafür. Wirklich Öffentlich darüber nachgedacht wird aber noch nicht so lange.
Und in dem Zusammenhang sind Antworten aus „Hohn, Spott und Hass“ absolut nicht hilfreich! Ich lese immer weniger Texte, in denen wirklich versucht wird, sachlich den Urheber und Verwertern aufzuzeigen, warum Überwachung und Abmahnungen keine Lösungen sind, welchen Schaden sie damit anrichten, welche Alternativen sie für Einnahmequellen haben usw. usw.
Dafür lese ich immer mehr Texte, in denen die Urheber/Verwerter mit jedem Satz zu spüren bekommen, dass sie für hirnlose Idioten gehalten werden.
Die Zeiten der sachlichen Diskussion scheint auf der Seite der Reformer ebenso vorbei zu sein. Kann ich in gewisser Hinsicht zwar verstehen, finde ich aber trotzdem schade, den eins steht für mich fest: Mit Hohn, Spott und Hass bekommt man die Gegenseite nicht an einen Tisch, um mit ihnen zu reden. Und bereit für Gespräche muss man sein, wenn man wirklich etwas ändern will.
Marcel Weiss says
Ich halte mich nicht mehr mit einer Diskussion zu den Begriffen auf. Du hast sie aufgenommen. Warum die Rede vom Diebstahl irreführend ist, habe ich bereits zur Genüge ausgeführt. (siehe 1. Link im vorhergehenden Kommentar) Das wird übrigens auch vom Gesetz so gesehen. Kein Filesharer wird wegen Diebstahl überführt.
Erst wenn man die Begriffe geklärt hat, kann man konstruktiv miteinander reden. In keiner anderen Debatte wird das so offensichtlich wie beim Urheberrecht.
Marcel Weiss says
„Zuerst mal würde es mich interessieren, wie du darauf kommst, dass mein Geld bei Konzerten direkt an den Musiker geht und die Labels da nichts abbekommen. Soweit ich weis, verdienen die da mittlerweile auch mehr als genug dran.“
Sogenannte 360°-Deals sind zunehmend üblich. Das ist aber eine neuere Entwicklung der letzten Jahre, die, nebenbei, nicht nur meine Aussage von oben noch bestärkt (da verdienen sogar die Labels noch mit), sondern auch die grundlegende Aussage, dass es um knappe Güter geht (Konzerte etc.).
„Die Zeiten der sachlichen Diskussion scheint auf der Seite der Reformer ebenso vorbei zu sein.“
Ja, leider reißt oft vielen der Geduldsfaden. Das ist aber nicht sehr verwunderlich, wenn man seit vielen Jahren die immer wieder gleichen falschen Argumente von Neueinsteigern hört und versucht, sie zu entkräften.
Robin S. says
„Warum die Rede vom Diebstahl irreführend ist, habe ich bereits zur Genüge ausgeführt.“
Und wenn du dir meinen ersten Post schaust, siehst du, dass ich das nie bezweifelt habe.
chrwinkler says
und geistige Güter sind nicht knapp, sie sind vielleicht noch nicht da…
chrwinkler says
Ein Gesetz soll ja Rechtsfrieden herstellen. Das gelingt dem Urhberrecht offensichtlich nicht, oder nicht mehr. Das ist zunächst einmal eine simple Feststellung. So ist es legitim zu fragen wie funktioniert denn dieses Recht überhaupt und erfüllt es eigentlich die Funktion die man ihm allgemein zuspricht. Man kann nicht über Schöpfungshöhe sprechen ohne zu erklären warum sie so erodiert ist und hier müsste man die „Beweislast“ mal umkehren denn erklären müssten das eigentlich die Befürworter.
In einem Großteil der Kommentare zum Urheberrecht wird immerfort vorausgesetzt, dass ein Schutz für Verwertung notwendig sei oder das es ohne keine Entwicklung gäbe. Dies sind aber monokausale Thesen und sie werden nicht begründet. Auch nicht von den Rechtswissenschaften. Man sollte noch vor das „Diebstahl“ Problem gehen und versuchen zu verstehen was das Geistige eigentlich ist oder neuerdings Immaterialgüterrechte. Aber wer geistig oder immaterial- sagt der hat schon die Trennung vollzogen zwischen dem der denkt und dem Gedachten, der prolongiert einen verschwitzten Leib-Seele Dualismus der für die Altvorderen bei der Konzeption des Urheberrechts unausgesprochen Pate gestanden hat. M.Weiss hat sicher Recht wenn er die Intuition der jugendlichen Konsumenten hinsichtlich der finanziellen Situation von Majorlabeln beschreibt aber wir werden noch etwas ganz anderes sehen, nämlich die langsame Entwertung der künstlerischen Geste der Originalität durch die unendliche Wiederholung der Form. Dies geschieht unabhängig von jedem Urheberrecht. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir soviele Versionen einer melancholischen Indieballade haben, dass wirklich niemand mehr das Wort Schöpfer in den Mund nimmt. Dann wird intuitiv verstanden werden, dass wir (Künstler) nur Interpreten einiger weniger, kollektiv entstandener „Formate“ sind. Spätestens dann reden wir nur noch von Verwertung (und werden viel chinesischer).
chrwinkler says
der kommentar sollte eigentlich nicht zu Dir, ich lass ihn aber nun mal hier…