Jochen Krisch auf Exciting Commerce über das Wachstum und die Aussichten im deutschen E-Commerce:
Da der Markt auch 2012 beinahe ungebremst weiter wächst und die Umsätze schon im ersten Halbjahr um +13% auf 18,1 Mrd. Euro gestiegen sind, gehen wir davon aus, dass der Gesamtmarkt 2012 in jedem Fall über den vom bvh prognostizierten 36,5 Mrd. Euro (+7,4%) liegen wird und mindestens 37,5 Mrd. Euro (+10%) erreichen wird.
Die Implikationen dieses Wachstums können gar nicht überschätzt werden:
Alles, was der Online-Handel hinzugewinnt, geht dem stationären Handel verloren. Der Buchhandel um Thalia, der Schuhhandel um Görtz, die Elektronikhändler um Media Saturn, die Warenhäuser, etc. können bereits ein Lied davon singen.
Vor allem aber: Die Katalogversender haben nie mehr als 21 Mrd. Euro erreicht. Die Online-Versender treiben den Markt gerade volumenmäßig in vollkommen neue Dimensionen.
Zu erwarten ist, dass ab einem gewissen Marktvolumen prozess- und logistikseitig Skaleneffekte eintreten, die dem Online-Handel ein weiteres, noch sehr viel explosionsartigeres Wachstum erlauben. Die große Frage ist nun: Wo liegt die Schwelle, ab der der Knoten platzt und der Markt schubartig wächst?
Spannend ist das vor allem auch, weil der Handel der erste Wirtschaftszweig ist, dessen digital getriebene Disruption nicht von Gesetzen gehemmt wird.
Im Musikbereich etwa, das kann man vollkommen wertfrei feststellen, wirken Urheberrechte enorm disruptionshemmend. (In den USA steht das sogar expizit in Gesetzestexten als Ziel formuliert.) Während in der Musik die Voraussetzungen für einen Wandel Ende der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts also bereits da waren, hat sich bis heute, fast 15 Jahre später, im Kontext betrachtet nicht sonderlich viel geändert. Es gibt zum Beispiel noch immer keinen reinen Onlineplayer, der die alteingesessenen Musiklabels mit Marktmacht vor sich her treiben kann. Stattdessen bestimmen die (wenigen verbliebenen) Majorlabels weiterhin, welches Musikstartup am Markt bleiben darf und welches nicht.
Im Onlinehandel können wir also eine Entwicklung beobachten, auf die wir in den Entertainmentbranchen wohl noch länger warten müssen, obwohl bei diesen an den Rändern die Digitalisierung sehr viel früher angekommen ist.